OGH 15Os69/89

OGH15Os69/895.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.September 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Salat als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann S*** wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 24.April 1989, GZ 11 e Vr 114/89-12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Schaffer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen lt Pkt I. und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben; in diesem Umfang wird - unter Ausschaltung des Schuldspruchs lt Pkt I.2. - nach § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Johann S*** wird von der Anklage, er habe am 19.August 1988 in Laa an der Thaya Adolf T*** mit Gewalt zur Duldung des Verlassens seines Standortes und des Hinabstürzens über eine 1,15 m hohe Betonmauer in den wasserführenden Mühlbach genötigt, indem er ihn vom Eingang der Spielhalle "L*** V***" etwa 5 m weit zum Mühlbach zerrte und sodann in den Bach stieß, obwohl er wußte, daß T*** Nichtschwimmer ist, und er habe hiedurch das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB begangen,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für die ihm nach den aufrecht gebliebenen Schuldsprüchen lt den Pkten II. und III. weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen wird er nach §§ 28 Abs. 1, 94 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 120 (hundertzwanzig) Tagessätzen zu je 150 (hundertfünfzig) S, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 60 (sechzig) Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem von ihm angefochtenen, auch andere Entscheidungen enthaltenden Urteil wurde Johann S*** der Vergehen (I.) der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, (II.) der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 StGB und (III.) des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Das zuerst angeführte Vergehen liegt ihm zur Last, weil er am 19. August 1988 in Laa an der Thaya Adolf T*** und Franz A*** dadurch, daß er (1.) T*** vom Eingang der Spielhalle 'L*** V***' etwa 5 m weit zum Mühlbach zerrte und sodann in den (dort etwa 30 cm tiefen) Bach stieß, "obwohl er wußte, daß der Genannte Nichtschwimmer ist", sowie (2.) A*** mit beiden Händen packte und ebenfalls in den Mühlbach stieß, mit Gewalt zur "Duldung des Verlassens ihres Standortes und des Hinabstürzens über eine 1,15 m hohe Betonmauer in den wasserführenden Bach" genötigt habe (Fakten I.).

Nach den hier wesentlichen Urteilsfeststellungen wurde der sich dagegen sträubende T*** vom Beschwerdeführer an der Hand erfaßt, über die bezeichnete Distanz zum Mühlbach gezogen und hineingestoßen; sodann wurde der in der Nähe des Baches gestandene A***, gleichfalls gegen seinen Willen, vom Angeklagten mit beiden Händen im Bereich des Oberkörpers gepackt und ebenfalls ins Wasser gestoßen, wobei er mit dem Hinterkopf gegen die erwähnte Betonböschung fiel und die den Gegenstand des Schuldspruchs laut Pkt II. bildenden leichten Verletzungen erlitt (US 5/6, 14). In rechtlicher Hinsicht liegt den beschriebenen Schuldsprüchen die Auffassung zugrunde, der Beschwerdeführer habe T*** und A*** durch seine gegen ihr Sträuben unternommenen Gewalthandlungen zur Duldung "des Entfernens" (gemeint: des Entfernt-Werdens) von ihrem Standort sowie "des Stürzens" (gemeint: des Gestürzt-Werdens) in den Mühlbach veranlaßt, wobei es nicht darauf ankomme, ob er sie dabei über eine gewisse Strecke gezogen oder bloß vom Rand des Baches hineingestoßen habe (US 1, 6, 14). Mit seiner allein gegen den Schuldspruch zum Faktum I.2. erhobenen, ziffernmäßig auf § 281 Abs. 1 Z 5 und Z 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde macht der Angeklagte (inhaltlich durchwegs) einen Feststellungsmangel (der Sache nach Z 10) darüber geltend, ob er auch A*** gegen dessen Willen gewaltsam veranlaßt habe, sich über eine bestimmte Distanz zum Mühlbach hin fortzubewegen: da aus den Entscheidungsgründen nicht hervorgehe, daß er den Genannten dorthin gezerrt oder zu einem (willentlichen) Hinein-Springen in den Bach gezwungen habe, sondern bloß dessen Hinein-Stoßen konstatiert werde, sei nämlich jener nach dem Urteilssachverhalt nicht zu einem (seinen wirklichen Intentionen widersprechenden) Willensakt bewogen worden, sodaß insoweit eine (für eine Nötigung begriffsessentielle) Willensbeugung nicht stattgefunden habe.

Indem er solcherart (umgekehrt) nur die Beurteilung des (ihm beim Faktum I.1. neben dem Hineinstoßen des Tatopfers ins Wasser auch angelasteten, beim Faktum I.2. aber eben nicht festgestellten) Weg-Zerrens eines sich dagegen Sträubenden von seinem Standort über eine gewisse Distanz (sowie der in keinem der beiden Fakten angenommenen gewaltsamen Veranlassung eines anderen zu einem Sprung ins Wasser) implizit als Nötigung - gemeint: zu einem willensgesteuerten Tun - akzeptiert, das bloße Hinein-Stoßen des anderen hingegen (mangels damit bewirkter Herbeiführung eines die Veränderung der Körperhaltung und des Standorts betreffenden Willensentschlusses des Tatopfers) nicht als solche (zu einem Dulden oder Tun) verstanden wissen will, wirft er letzten Endes tatbestandsbezogen die Rechtsfrage auf, ob ein abzunötigendes Verhalten, um die Voraussetzungen einer "Handlung, Duldung oder Unterlassung" im Sinn des § 105 Abs. 1 StGB zu erfüllen, dem allgemeinen strafrechtlichen Handlungsbegriff entsprechen, also willensgesteuert sein muß oder ob dementgegen auch rein physische Reflexe sowie das "Verhalten" von bewußtlosen oder zumindest der Möglichkeit zur Betätigung ihres widerstrebenden Willens gänzlich beraubten Tatopfern von diesen Begriffen erfaßt werden. Denn anders als die Annahme des gewaltsamen Veranlassens von Schritten oder Sprüngen, bei dem ein insoweit willentliches Tun des Opfers erzwungen wird, wäre die für den bekämpften Schuldspruch zum Faktum I.2. allein maßgebende Feststellung, daß der Beschwerdeführer das Tatopfer gegen dessen Willen ins Wasser stieß, für die Beurteilung des betreffenden Stoßes als Nötigung tatsächlich nur dann tragfähig, wenn schon das rein passive Erleiden jener vom Täter ausgeübten Gewalt durch den davon Betroffenen dem Begriff "Dulden" in dieser Strafbestimmung (diesfalls im Sinn von "Erdulden") entspräche, ohne daß hiezu eine tatplangemäß angestrebte (submittierende) Willensreaktion seinerseits (in bezug auf ein nachfolgendes Geschehen) als Ziel der Nötigung erforderlich wäre. Daß eine willensgesteuerte Reaktion des Opfers auf das Täterverhalten als tatbestandsmäßiges Nötigungsziel (im Sinn der Beschwerdeauffassung) jedenfalls zur Deliktsverwirklichung nach der zweiten Begehungsart des § 105 Abs. 1 StGB, sohin durch gefährliche Drohung, vorauszusetzen ist, und zwar sowohl in objektiver Hinsicht (zur Vollendung der strafbaren Handlung) als auch auf der subjektiven Tatseite, liegt angesichts der tatbildlichen Kausalität zwischen der Drohung und dem durch sie auszulösenden Verhalten des Bedrohten in Verbindung mit der rein psychischen Wirksamkeit der in Rede stehenden Ausführungsart in der Tat - als logisch zwingend - klar auf der Hand.

Rechtliche Beurteilung

Die darnach bei der Auslegung desselben Tatbestandsmerkmals (Handlung, Duldung oder Unterlassung) in derselben Strafbestimmung lege non distinguente naheliegende Annahme indessen, daß die in Rede stehende Prämisse auch für die Fälle einer Tatbegehung mit Gewalt, also der ersten Ausführungsart, gelte und daß mithin als Nötigungsziel nach § 105 Abs. 1 StGB durchwegs nur ein dem einheitlichen strafrechtlichen Handlungsbegriff entsprechendes willensgesteuertes Tun, Dulden oder Unterlassen des Tatopfers in Betracht komme (vgl. Leukauf-Steininger StGB2 Vorbem. § 1 RN 6, § 105 RN 8 f., § 144 RN 6; sowie Kienapfel in JBl 1979/553; idS schon seinerzeit SSt 3/12 sowie nach dem Inkrafttreten des StGB SSt 48/53, JBl 1979,551, EvBl 1984/127, 1988/36 ua; aM vormals die überwiegende Judikatur zum StG und, ihr folgend, zuletzt SSt 46/68), wird in der Lehre verschiedentlich mit der Ansicht in Zweifel gezogen, vis absoluta müsse trotz der damit verbundenen gänzlichen Unfähigkeit des Opfers zu einem seinen eigenen Intentionen entsprechenden willentlichen Verhalten gleichfalls tatbestandsmäßiges Nötigungsmittel sein können (vgl. Kienapfel § 105 BT I2 RN 4, 14 f.; Leukauf-Steininger § 105 RN 4 f., § 144 RN 4; Zipf im WK § 144 RN 6, 15; und wohl auch Bertel-Schwaighofer BT I Rz 3, 5 iVm § 142 Rz 3; ebenso Seiler in Pallin-FS 1989, 384 bis 386; iS der eingangs zitierten Rechtsprechung hingegen Stigelbauer in ZnStR 1974,83; Foregger im WK § 249 Rz 7, § 251 Rz 5; sowie, jeweils zu § 105, Foregger-Serini StGB-MKK4 Erl. II; und Mayerhofer/Rieder StGB3 Anm. 4).

Der Oberste Gerichtshof hat die jener Rechtsmeinung zugrunde liegenden Bedenken aus Anlaß des vorliegenden Falles neuerlich geprüft, vermag sie jedoch nach wie vor weder als zwingend noch als überzeugend zu erkennen.

Daß die Kriterien des strafrechtlichen allgemeinen Handlungsbegriffs ebenso wie für jedes Täterverhalten auch für ein tatbestandsmäßig vorausgesetztes derartiges Verhalten des (potentiellen) Opfers maßgebend sind, erhellt im geltenden Recht nicht nur aus den Bestimmungen der §§ 108 Abs. 1, 146 StGB, nach denen sich die jeweils kausal auf die tatgegenständliche Täuschung zurückzuführende "Handlung, Duldung oder Unterlassung" des Tatopfers denknotwendig als eine willensgesteuerte Reaktion darstellt, sodaß sich Täuschung und Betrug insoweit von Nötigung und Erpressung nur durch das Begehungsmittel (dort Täuschung über Tatsachen, hier Gewalt oder gefährliche Drohung) unterscheiden (vgl. SSt 48/53 ua), sondern insbesondere auch aus § 102 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, wonach zur erpresserischen Entführung vorauszusetzen ist, daß der Täter darauf abzielt, einen Dritten zu einer - abermals logisch zwingend - willentlichen "Handlung, Duldung oder Unterlassung" zu "nötigen"; logisch-systematische Gründe dafür, daß sich dementgegen der in § 105 Abs. 1 (ebenso wie in § 144 Abs. 1) StGB gleichlautend als Nötigungsziel umschriebene Begriffsinhalt darüber hinaus auch auf ein unwillkürliches Verhalten des Opfers erstrecken sollte, und das noch dazu bei nur einer der beiden pönalisierten Begehungsarten, sind nicht zu erkennen.

Das gegen diese Auslegung ins Treffen geführte Argument hingegen, daß beim Ausscheiden der Erzwingung eines bestimmten "Verhaltens" durch vis absoluta aus dem Anwendungsbereich des § 105 StGB gerade die massivste Form der Beeinträchtigung des durch die genannte Strafbestimmung geschützten Rechtsgutes straffrei bliebe (Kienapfel aaO), ist in bezug auf die Ermittlung eben jenes Schutzobjekts eine petitio principii und in Ansehung des damit verknüpften kriminalpolitischen Aspekts nicht stichhältig. Wird doch der Einsatz von vis absoluta zur unmittelbaren Erreichung eines vom Täter angestrebten Zieles, sei es durch eine den widerstrebenden Willen des Opfers überwältigende Gewaltanwendung oder sei es durch die (allenfalls präventive) gewaltsame Ausschaltung eines solchen Willens überhaupt (vgl. Pallin im WK § 201 aF Rz 8), ohnehin durch eine Reihe anderer Strafbestimmungen - zum Schutz der Bewegungsfreiheit (§ 99 StGB), der körperlichen Integrität (§§ 83 ff. StGB), der Ehre (§ 115 StGB), des Vermögens (§§ 131, 140, 142 StGB), der sexuellen Selbstbestimmung (§§ 201 bis 203, 217 StGB) uam - kriminalpolitisch durchaus angemessen erfaßt; Strafbarkeitslücken sind insoweit nicht zu besorgen.

Zu eben diesen Tatbeständen, die sich auch auf eine Tatbegehung durch vis absoluta erstrecken, gehören im übrigen auch mehrere "Hinderungs"-Delikte, wie etwa §§ 189, 249 bis 251, 262, 269 StGB, bei denen zudem nahezu durchwegs gerade durch die Gegenüberstellung der Begriffe "Nötigen" und "Hindern" (ähnlich wie durch die Alternativen "Abnötigen"/"Wegnehmen" in § 142 Abs. 1 StGB sowie "mit Gewalt ... nötigt, sich ... zu begeben"/"mit Gewalt ... befördert" in § 217 Abs. 2 StGB) in signifikanter Weise zum Ausdruck kommt, daß das damit pönalisierte gewaltsame "Nötigen" nicht auch eine Tatbegehung durch überwältigende Gewaltanwendung umfaßt, weil ansonsten die korrespondierende Begehungsart "Hindern" (als Nötigen zu einem Unterlassen) jeweils nicht gesondert hätte pönalisiert werden müssen.

Die singuläre terminologische Erfassung auch der Erzwingung des Erduldens des Beischlafs oder dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen mit - im JAB (927 d. Beil. XVII.GP, S 3 Abs. 1 iVm Pkt 4.) entgegen dem bisher üblich gewesenen Sprachgebrauch bezeichnenderweise nicht als Mittel der Willens-"brechung" erwähnter, sondern undifferenziert dem Kreis der willens-"beugenden" Mittel zugerechneter - vis absoluta bei der Neugestaltung der §§ 201 bis 204 StGB aF durch die StGNov 1989 (BGBl. Nr. 242) als "Nötigen" zur "Duldung des Beischlafs" oder ihm gleichzusetzender Geschlechtsakte in § 201 Abs. 1 StGB nF hingegen durchbricht zwar den bis dahin aus dem positiven Recht abzuleiten gewesenen einheitlichen "Nötigungs"-Begriff (in der dargelegten Bedeutung). Durch diese spezielle Umschreibung ausschließlich des deliktsspezifischen Nötigungszieles aber - bei dem es nach der neugefaßten Strafbestimmung (unter Zusammenfassung der insoweit vordem durch §§ 201 und 202 StGB aF gesondert erfaßt gewesenen Fallgruppen) in gezielter Änderung der Deliktsstruktur auf den Grad der Willensbeeinträchtigung des Opfers nicht mehr ankommen soll (vgl. hiezu den JAB aaO) - wird im übrigen Bereich des in einem "Dulden" bestehenden Opfer-Verhaltens, also auch beim Tatbestand des § 105 Abs. 1 StGB, das weiterhin geltende Erfordernis einer willensgesteuerten Reaktion umso weniger in Frage gestellt, als der Gesetzgeber eine terminologisch-systematische Harmonisierung der Neuregelung mit anderen Bestimmungen des StGB ausdrücklich späteren Gesetzgebungsschritten vorbehalten hat (vgl. JAB aaO S 2 Pkt 5.). So gesehen führt logisch-systematische, aber auch teleologische Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Handlung, Duldung oder Unterlassung" in der hier aktuellen Strafbestimmung als des pönalisierten Nötigungs-Zieles - und nicht etwa (vgl. Kienapfel BT I2 § 105 RN 4, 7 sowie in JBl 1979,553 f.) eine ihr vorgeordnete Reduktion des Begriffs "Gewalt" als Nötigungs-Mittel - zum Ergebnis, daß als von ihr geschütztes Rechtsgut nicht die Freiheit zur Willensbildung und -betätigung an sich, sondern lediglich die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung in eine bestimmte Richtung hin in Betracht kommt (vgl. JBl 1979,551 ua): nicht die (statt dessen durch andere Tatbestände angemessen erfaßbare) Überwältigung des Opfers, die es schon an der Willensbildung oder jedenfalls an der Realisierung seiner den Intentionen des Täters zuwiderlaufenden Willensentschließung hindert, wird darnach pönalisiert, sondern der das Tatopfer erniedrigende Zwang, eine seinen eigenen Intentionen widersprechende und jenen des Täters submittierende Willensentscheidung treffen zu müssen. Davon, daß beim Ausscheiden der Erzwingung eines Opfer-Verhaltens durch vis absoluta aus dem Anwendungsbereich des § 105 Abs. 1 StGB gerade die massivste Form der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes als Schutzobjekt straffrei bliebe, kann naturgemäß keine Rede sei. Der damit aufgezeigten ratio legis entspricht auch vollauf jene Konsequenz, die sich aus der dem Tatbestandsmerkmal "Dulden" in der hier aktuellen Strafbestimmung nach dem bisher Gesagten zukommenden Bedeutung als "willentliches Geschehen-Lassen" ergibt: darnach muß die insoweit abgenötigte Willensentschließung des Opfers zum einen kausal auf die vorausgegangene tatgegenständliche Gewalt oder Drohung zurückzuführen sein und sich zum anderen auf ein vom Täter gewolltes künftiges oder jedenfalls fortwirkendes Geschehen erstrecken; durch das bloße Erleiden (Erdulden) einer dem Willen des Tatopfers entgegengerichteten Gewalt und ihrer unmittelbaren Folgewirkungen durch letzteres ohne eine tätergewollt submittierende Reaktion seinerseits darauf in bezug auf ein künftiges tatplangemäßes Geschehen wird demnach dieses Deliktsmerkmal nicht verwirklicht. Wenn man bedenkt, daß eine (vom Erstgericht mithin rechtsirrig vorausgesetzte) Einbeziehung aller derartigen Fälle zu einer nach dem zuvor Gesagten dem Sinn des Gesetzes augenscheinlich nicht entsprechenden Ausuferung des Tatbestands führen würde, erweist sich das auch durchaus als sachgerecht: ebenso wie § 108 Abs. 1 StGB kein allgemeines Täuschungs-Delikt ist § 105 Abs. 1 StGB kein allgemeines Gewalt-Delikt.

Die den Beschwerdeführer in Ansehung beider Tatopfer belastende Beurteilung ihres Hineinstoßens in den Bach als Nötigung "zur Duldung ... des Hinabstürzens" über die Böschungsmauer (Fakten I.1. und I.2.) war daher in der Tat rechtlich verfehlt.

Damit ist freilich noch nicht gesagt, ob nicht immerhin das dem Angeklagten zum Faktum I.1. als weitere Nötigungshandlung vorgeworfene Hinzerren des Adolf T*** zum Mühlbach über eine Distanz von etwa fünf Metern hinweg als Nötigung zu einem Tun - in Form von (willentlichen) Schritten - dem Tatbestand des § 105 Abs. 1 StGB zu unterstellen ist und demgemäß auch ein allenfalls gleichartiges Tatverhalten seinerseits in bezug auf Franz A***, in Ansehung dessen er zum Faktum I.2.

Feststellungsmängel (sachlich Z 10) reklamiert, dahin zu beurteilen wäre. Auch diese Frage ist jedoch zu verneinen.

Denn gleichermaßen wie ein vom Täter ausgelöster rein physischer Reflex des Tatopfers kann auch eine reflexähnliche rein passive Reaktion des durch die Gewaltanwendung Betroffenen zur Abwendung eines ihm andernfalls unmittelbar bevorstehenden, als bloßer Nebeneffekt daraus erwachsenden Nachteils - wie hier: Schritte eines vom Täter in der Absicht, ihn ins Wasser zu stoßen, zum Bachufer Gezerrten, um ein sonst unvermeidliches Zu-Boden-Stürzen zu verhindern, oder ein letztliches Abspringen des schon erfolgreich vom Ufer Weggestoßenen, um einen sonst zwangsläufig unkontrollierbaren Aufprall auf die Wasseroberfläche zu vermeiden - nicht als eine die strafrechtliche Erheblichkeitsschwelle überschreitende, als eigenständiges Nötigungsziel in Betracht kommende "Handlung" iS § 105 Abs. 1 StGB verstanden werden; müßte doch bei einer anderen Sicht, das Erfordernis strafrechtlicher Sanktionen augenscheinlich bei weitem überdehnend, beispielsweise schon jedes Abdrängen eines anderen im Verlauf einer sonst folgenlosen Auseinandersetzung oder jeder ins Leere gehende Schlag, der den Angegriffenen zu einem Abducken veranlaßt, bereits als Nötigung zu einem (willentlichen) Tun beurteilt werden: ein dahingehender Sinn kann dem Gesetz mit Fug nicht unterstellt werden (vgl. RZ 1977/9, SSt 50/17 ua). Insoweit hat das Erstgericht folglich zu Recht keine Nötigung zu einem Tun angenommen.

Aus den dargestellten Erwägungen ergibt sich demnach ohne die Notwendigkeit weiterer (mit der Rechtsrüge vermißter) Feststellungen, daß der Beschwerdeführer durch das ihm angelastete Verhalten den Tatbestand des § 105 Abs. 1 StGB nicht verwirklicht hat, zumal ein über das Hineinstoßen der beiden Tatopfer ins Wasser hinausgehender Vorsatz seinerseits, jene zu einem ihren wahren Intentionen zuwiderlaufenden willentlichen Tun oder Dulden irgendwelcher Art zu nötigen, dessen Realisierung allenfalls durch sein inkriminiertes Vorgehen bereits ins Versuchs-Stadium (§ 15 StGB) getreten wäre, nicht konstatiert wurde und das nach der Aktenlage mit zureichender Begründung auch gar nicht möglich gewesen wäre, wobei eine rechtliche oder faktische Relevanz des in den Urteilstenor aufgenommenen Hinweises auf sein Wissen davon, daß T*** Nichtschwimmer war, angesichts der aktenkundigen Wassertiefe von nur 30 cm zur Tatzeit nicht zu erkennen ist. In amtswegiger Wahrnehmung der aufgezeigten materiellrechtlichen Urteilsnichtigkeit (§ 290 Abs. 1 StPO) war daher in bezug auf das Faktum I.1. ein Freispruch zu fällen (Z 9 lit. a) und der Schuldspruch laut Pkt I.2. - im Hinblick auf die aufrecht bleibende Beurteilung des insoweit maßgebenden Tatverhaltens als Vergehen nach § 88 Abs. 1 StGB (Pkt II.) ohne formellen Freispruch (bloß) - aus dem Urteil auszuschalten (Z 10).

Bei der dadurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung gemäß §§ 28 Abs. 1, 94 Abs. 1 StGB wegen der dem Angeklagten weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen, und zwar der fahrlässigen Körperverletzung (Faktum II.) sowie des Imstichlassens des Verletzten (Faktum III.), wurden das Zusammentreffen dieser beiden Delikte als erschwerend, die (obgleich durch Alkoholmißbrauch verursachte) psychische Beeinträchtigung des Täters und seine daraus resultierende leichte Enthemmbarkeit sowie die Verzeihung durch das Tatopfer hingegen als mildernd gewertet.

Unter Bedacht darauf erschien nach der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB) die Verhängung einer Geldstrafe im Ausmaß von 120 Tagessätzen, der eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 60 Tagen entspricht (§ 19 Abs. 3 StGB), als angemessen, wobei die Höhe des Tagessatzes nach seinen vom Erstgericht festgestellten persönlichen Verhältnissen in Verbindung mit seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (§ 19 Abs. 2 StGB) - wie in erster Instanz - mit 150 S festzusetzen war.

Eine (mit der Berufung angestrebte) Gewährung bedingter Strafnachsicht (§ 43 Abs. 1 StGB), allenfalls in Ansehung eines Teiles der Geldstrafe (§ 43 a Abs. 1 StGB), kam im Hinblick auf sein (wiewohl nicht einschlägig, aber doch jedenfalls) erheblich getrübtes Vorleben aus Gründen der Spezialprävention nicht in Betracht.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen. Zu einer Aufhebung und - schon mit Rücksicht auf das Verschlimmerungsverbot (§ 290 Abs. 2 StPO) jedenfalls gebotenen - Erneuerung des zugleich mit dem Urteil verkündeten erstgerichtlichen Beschlusses über das Absehen vom Widerruf einer bedingten Entlassung sowie einer bedingten Strafnachsicht (§ 494 a Abs. 1 Z 2 StPO) bestand kein Anlaß, weil das jener Entscheidung zugrunde gelegene angefochtene Erkenntnis sogleich nach seiner teilweisen Kassation wieder abschließend ergänzt wurde, sodaß sich ein derartiges Vorgehen als sachlich bedeutungsloser reiner Formalakt erübrigte.

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