OGH 12Os56/89

OGH12Os56/8931.8.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.August 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vrabl-Sanda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ottilie M*** wegen des Verbrechens der Untreue als Beteiligte nach §§ 12, dritter Fall, 153 Abs. 1 und 2, zweiter Fall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22.Juli 1988, GZ 12 c Vr 5268/88-6, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ottilie M*** vom Vorwurf der "Beteiligung an vom teilweise abgesondert verfolgten Dr. Kurt R*** an der Versicherungsanstalt der Ö*** B*** Versicherungsaktiengesellschaft begangenen Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2, zweiter Fall, StGB in Beziehung auf die Auszahlungen von 62.214 S am 8.April 1981 (Punkt 1. der Anklageschrift), 750.000 S am 14.Juni 1983, 230.000 S am 23. Juni 1983, 840.000 S am 30.September 1983, 900.000 S am 4. April 1984 (Punkte 2. bis 5. der Anklageschrift) sowie von 94.570 S am 4.April 1984 (Punkt 6. der Anklageschrift) über fingierte Schadensfälle" gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Dieses Urteil wird vom öffentlichen Ankläger mit Ausnahme des die Anklagefakten 1. und 6. (Auszahlungen von 62.214 S und 94.570 S) betreffenden Freispruches mit einer ausschließlich auf § 281 Abs. 1 Z 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft, die sich jedoch als unbegründet erweist.

Das Erstgericht nahm im wesentlichen folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Der seinerzeitige Generaldirektor der Versicherungsanstalt der Ö*** B*** Versicherungsaktiengesellschaft, der

abgesondert verfolgte Dr. Kurt R***, entzog dieser durch Auszahlungen für fingierte Schadensfälle hohe Geldbeträge. Die Versicherungspolizzen, zu denen hiebei Schadensakten angelegt wurden, erhielt er großteils vom ebenfalls gesondert verfolgten Walter B*** genannt, der auch für die technische Seite der Urkundenmanipulationen verantwortlich war. Für diese Tätigkeit und als Risikoabgeltung bekam B*** 50 Prozent des Realisates, wogegen die andere Hälfte durch Dr. R*** zu weitgehend ungeklärten Zwecken verwendet wurde. Mitte 1983 sah sich Dr. R*** veranlaßt, größere Summen für unbekannte Zwecke aufzutreiben, die er durch "Abgeltung" fingierter Schäden beschaffen wollte, ohne mit Walter B*** teilen zu müssen. Er beschloß, sich hiebei der Versicherungspolizze Ottilie M*** zu bedienen, weil er von dieser wegen seines freundschaftlichen Verhältnisses zu ihr verschiedene Notizen und Unterlagen erhalten hatte, aus denen sich die benötigten Daten ergaben. Er ließ insgesamt vier Schadensakten anlegen, denen keine anspruchsbegründenden Ereignisse zugrunde lagen, und mit Quittungen, die mit dem Namenszug "Ottilie M***" versehen waren, bei der Zentralkasse die angewiesenen Beträge beheben. Auf diese Weise erhielt Dr. R*** am 14.Juni 1983 750.000 S und am 23.Juni 1983 230.000 S (Schadennummer 101-1-99991-83), am 30. September 1983 840.000 S (Schadennummer 101-1-99984-83), am 9. Dezember 1983 996.000 S (Schadennummer 101-1-99981-83) und am 4. April 1984 900.000 S (Schadennummer 101-1-00152-84). Die Beträge verwendete er für nicht geklärte Zwecke.

Ottilie M*** wußte den Urteilsfeststellungen zufolge nichts davon, daß Dr. R*** über ihre Versicherungspolizze widerrechtlich Geld bezog, und erhielt aus diesem Realisat auch keinerlei Zuwendungen. Sie war insgesamt nicht informiert, daß Dr. R*** überhaupt mittels fingierter Schadensmeldungen seinem Dienstgeber hohe Beträge entzog.

Rechtliche Beurteilung

Dem Beschwerdevorwurf einer Undeutlichkeit zuwider ist durch diese Feststellungen und die hiefür gegebene Begründung (S 169 ff.) nicht nur hinreichend klargelegt, welche entscheidenden Tatsachen sowohl auf der objektiven wie auch der subjektiven Tatseite in Ansehung der Angeklagten vom Gericht als erwiesen angenommen wurden, sondern auch aus welchen Gründen dies geschah. Es bedeutet keinen Verstoß gegen die Begründungspflicht und keine Überschreitung der Grenzen freier Beweiswürdigung (§§ 258 Abs. 2, 270 Abs. 2 Z 5 StPO), wenn die Tatrichter unter Heranziehung einer Reihe von in den Verfahrensergebnissen wurzelnden Indizien den übereinstimmenden Darstellungen der Angeklagten und des Zeugen Dr. R*** über die Unkenntnis der ersteren von den Malversationen des letzteren Glauben schenken und dabei die Frage, ob die Angeklagte Urheberin der auf den bezüglichen Auszahlungsbelegen und anderen Urkunden aufscheinenden Unterschriften ist, deshalb ungelöst ließen, weil sie der Darstellung der Angeklagten folgten, daß diese in anderem Zusammenhang dem Dr. R*** gutgläubig Blankounterschriften geleistet hatte. Bei dieser Sachverhaltsvariante konnte das Gericht von einer mißbräuchlichen Verwendung der Blankounterschriften durch Dr. R*** ausgehen, welche der Ottilie M*** verborgen blieb. Unter diesem Aspekt geht daher der Beschwerdeeinwand einer unzureichenden Urteilsbegründung in Ansehung der Zweifel der Tatrichter an der Zuverlässigkeit der Gutachten der Schriftsachverständigen zur einschlägigen Frage (S 174 ff.) ins Leere.

Gleiches gilt für den Beschwerdevorwurf einer Unvollständigkeit der Begründung, die im Unterbleiben einer Erörterung des Umstandes gelegen sein soll, daß in den die Anklagefakten 2 und 3 betreffenden Schadensakten Nr. 101-1-99991-83 auch eine Schadensmeldung und eine Abfindungserklärung jeweils die Unterschrift der Angeklagten trugen, deren Fälschung Dr. R*** ebenfalls behaupte (gemeint vermutlich in seiner Aussage S 138 f.):

Die Beschwerdeführerin selbst ging in der Anklageschrift (S 15 f.) davon aus, daß die Angeklagte beide Unterlagen noch unausgefüllt unterfertigt hatte. Die Übergabe von Schriftstücken mit Blankounterschriften der Angeklagten an Dr. R*** ist, wie erwähnt, Inhalt der erstgerichtlichen Beweiswürdigung. Eine speziell auf den letzterwähnten Fall bezogene Erörterung war daher in der gedrängten Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) nicht erforderlich.

Was aber die im gegebenen Zusammenhang in der Beschwerde gerügte Unterlassung einer Überprüfung der Echtheit der in Rede stehenden Unterschriften anlangt, so wäre es der Anklagebehörde freigestanden, die Abweisung ihres darauf gerichteten Beweisantrages (S 139 ff.) zum Gegenstand einer Verfahrensrüge (§ 281 Abs. 1 Z 4, Abs. 3, letzter Satzteil, StPO) zu machen, was jedoch nicht geschehen ist. Auch der weitere Beschwerdeeinwand einer widersprüchlichen Begründung (Z 5) schlägt fehl:

Der Ausspruch eines Gerichtes über entscheidende Tatsachen steht mit sich selbst dann in einem Nichtigkeit (Z 5) begründenden Widerspruch, wenn das Urteil - jeweils im Gegensatz zu den Denkgesetzen - verschiedene Tatsachen feststellt, die sich gegenseitig ausschließen, oder wenn die gezogenen Schlußfolgerungen tatsächlicher Art nebeneinander nicht bestehen können. Weder das eine noch das andere trifft für die Urteilsannahmen über eine echte, tiefgreifende Zuneigung zwischen der Angeklagten und Dr. R*** einerseits und über die mißbräuchliche Verwendung der auch von Dr. R*** als echt zugegebenen Unterschrift der Angeklagten bei dem fingierten Schadensfall aus 1984 (gemeint offenbar Faktum 5.; vgl. S 138) zu. Diese Umstände sind logisch keineswegs unvereinbar und betreffen an sich keine für die Frage der Beteiligung der Angeklagten an der Untreue des Dr. R*** entscheidende Tatsache. Daß Dr. R*** von vornherein riskiert haben würde, die Angeklagte der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen, hat das Gericht nicht als erwiesen angenommen. Den in der Beschwerde zitierten Erwägungen des Erstgerichtes, in denen es den Bestrebungen Dris. R***, die Angeklagte wahrheitsgemäß zu entlasten, Glauben schenkt (S 178 f.), widerspricht kein anderer Urteilsinhalt.

Mit dem Versuch jedoch, aus dem Naheverhältnis dennoch ein komplizenhaftes Einverständnis der Angeklagten mit Dr. R*** abzuleiten, begibt sich die Beschwerdeführerin auf das ihr im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde verwehrte Gebiet der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung; darauf ist daher nicht weiter einzugehen.

In einer solch unzulässigen Anfechtung der Lösung der Beweisfrage nach Art einer Schuldberufung erschöpft sich aber auch das übrige Beschwerdevorbringen:

Eine bloß nicht genug überzeugend scheinende Urteilsbegründung, wie sie von der Beschwerdeführerin in Ansehung der erstgerichtlichen Beurteilung des Wahrheitsgehaltes der vom Zeugen Dr. R*** gegebenen Motivierung für sein verspätetes, nicht schon im Vorverfahren gemachtes Eingeständnis einer Unterschriftenfälschung (S 178 f.) eingewendet wird, vermag ebensowenig einen formalen Begründungsmangel zum Ausspruch über eine entscheidende Tatsache zu verwirklichen wie die denkbare Möglichkeit anderer, hier für den Standpunkt der Anklagebehörde günstigerer Schlußfolgerungen tatsächlicher Natur (MKK4 Erl. zu § 281 StPO, S 368 unten u.a.m.). Demnach entspricht auch das Bemühen der Beschwerdeführerin, aus angeblich vergleichbaren, den Gegenstand nicht dieses, sondern des Strafverfahrens gegen Dr. R*** selbst bildenden Fällen eine Beteiligung der Angeklagten M*** an den gegenständlichen Untreuehandlungen abzuleiten, nicht einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung des relevierten formalen Nichtigkeitsgrundes. Im übrigen hat das Erstgericht die Frage einer "Ähnlichkeit mit Vorgängen, bei denen die in den Versicherungsakten aufscheinenden Personen auch wirklich Nutznießer der Malversationen waren", ohnedies in seine (beweiswürdigenden) Erwägungen miteinbezogen (S 172). Keineswegs spekulativ, sondern zulässige und formal mängelfreie Beweiswürdigung ist schließlich die Erwägung des Erstgerichtes, es wäre "völlig unglaubwürdig, unlogisch und in keiner Weise erklärbar, daß Ottilie M*** 1983, als ... ihr Aufstieg unaufhaltsam schien, ein derart dummes und unnötiges Risiko eingegangen wäre, wie das Akzeptieren einer Geldbeschaffung unter ihrem Namen", ohne daß ihr selbst daraus Geld zugeflossen wäre (S 181). Auch mit der Rüge dieser aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe gelösten Überlegung der Tatrichter vermag die Nichtigkeitsbeschwerde nicht durchzudringen.

Sie war daher teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO) und teils als nicht der Prozeßordnung gemäß ausgeführt (§ 285 d Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO) bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

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