OGH 6Ob12/89

OGH6Ob12/8931.8.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Zehetner und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach den am 14. Oktober 1987 verstorbenen Landwirt Adolf P***, zuletzt in 4642 Sattledt 9 wohnhaft gewesen, infolge Revisionsrekurses des am 19. August 1975 geborenen erbl. Sohnes Manfred P***, Schüler, 4642 Sattledt 9, vertreten durch den Widerstreitsachwalter Dr. Maximilian Gumpoldsberger, Rechtsanwalt in Wels, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgericht vom 29. März 1989, GZ. R 180/89-32, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 11. Jänner 1989, GZ. 2 A 425/87-24, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Adolf P*** hinterließ seine Ehegattin Agnes Maria, zwei volljährige Töchter, Magdalena und Agnes, und den am 19. August 1975 geborenen Sohn Manfred. Am 13. Jänner 1976 hatte er gemeinsam mit seiner Ehegattin ein wechselseitiges Testament errichtet, in dem die Ehegatten einander gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und ihre Kinder auf den Pflichtteil beschränkten. Der Erblasser war zur Hälfte Eigentümer der zur anderen Hälfte seiner Ehegattin zugeschriebenen Liegenschaft EZ 114 KG Sattledt.

Im Verlassenschaftsverfahren gab die erbl. Witwe die bedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß ab und traf mit ihren Kindern ein Pflichtteilsübereinkommen, in dem die Beteiligten zur Berechnung der Pflichtteilsansprüche vom geschätzten Übernahmspreis von 1,5 Mio. S zuzüglich weiterer Aktiven von S 99.866,24 ausgingen und die Pflichtteilsansprüche je Kind mit S 180.000,-- festlegten. Mit Beschluß vom 11. Jänner 1989 (ON 24) stellte das Erstgericht fest, daß die Liegenschaft EZ 114 KG Sattledt I, Untersattledergut Nr. 8, Obersattledergut Nr. 9 in Sattledt, ein Erbhof im Sinne des § 1 AnerbenG sei, und setzte den Übernahmspreis mit 1,5 Mio. S fest.

Dabei ging es von nachstehenden Feststellungen aus:

Die Liegenschaft EZ 114 KG Sattledt umfaßt Grundstücke im Ausmaß von rund 28,2 ha, wovon rund 26,6 ha landwirtschaftlich und rund 1,3 ha Grundflächen forstwirtschaftlich genutzt werden. Dazu kommen Bauflächen und Ölsondenflächen im Ausmaß von 2.792 m2. Die Liegenschaft befindet sich am Ortsrand der Gemeinde Sattledt und wird durch eine asphaltierte Gemeindestraße aufgeschlossen. Laut Flächenwidmungsplan sind 33.000 m2 der Grundfläche als Betriebs- und 40.000 m2 als Wohnbaugebiet gewidmet. Das Anwesen ist ein massiv gebauter zweigeschoßiger Vierkanthof mit freistehender Maschinenhalle und einer der Einstellung von Maschinen und Geräten dienenden Hütte. Der Wohntrakt ist alt und sanierungsbedürftig, die Ausstattung entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen. Im Wirtschaftstrakt sind die vor einigen Jahren adaptierten Schweinestallungen und eine kaum mehr benützte Scheune untergebracht. Die Maschinen befinden sich im gepflegten Erhaltungszustand. Die Landwirtschaft ist Ackerwirtschaft. Die Grundstücke sind um die Hofstelle arrondiert und zu 100 % flach. Auf den mittelschweren Lehmböden wird hauptsächlich Wintergetreide und Körnermais angebaut, die anfallenden Feldfrüchte werden nahezu zur Gänze über die Schweinehaltung verfüttert. Im Durchschnitt werden etwa 30 Zuchtsauen gehalten und die anfallenden Ferkel gemästet. Die natürlichen Produktionsbedingungen sind gut, der landwirtschaftliche Hektarsatz beträgt S 18.898,--. Der Wald - großteils 70-jährige Fichten - ist infolge Windwurfes (1985) arg beschädigt. Die Reallast der Pflege und Betreuung einschließlich eines monatlichen wertgesicherten Taschengeldes von S 2.000,-- ist für die Übergeber Rupert und Maria P*** grundbücherlich sichergestellt. Betriebs- und private Schulden sind nicht vorhanden. Der Ertragswertberechnung liegen nach den für das Jahr 1987 veröffentlichten Buchführungsergebnissen ein landwirtschaftliches Einkommen nach Standarddeckungsbeiträgen von S 357.443,-- und unter Berücksichtigung der fiktiven Lohnansprüche der erbl. Witwe, eines mitarbeitenden Pensionisten und eines Kindes unter zwölf Jahren (was der derzeitigen Bewirtschaftungslage entspricht) ein Reinertrag von S 100.203,-- zugrunde. Das kommt einem Reinertrag je Hektar reduzierter landwirtschaftlicher Nutzfläche von S 3.854,-- gleich. Dieser Reinertrag setzt eine optimale Betriebsführung voraus. Durch hohe Investitionen könnte zwar eine wesentliche Verbesserung der Arbeitswirtschaft, jedoch keine bedeutende Ertragssteigerung erzielt werden, weil dieser durch das Viehwirtschaftsgesetz und das Abgabenrecht Grenzen gesetzt sind. Nach der Stellungnahme der Sachverständigen könnte aus der Nachlaßliegenschaft nicht nur ein Einkommen in Höhe der freien Station für fünf Personen sondern auch der Ausgleichszulagenrichtsatz für dieselbe Personenzahl erwirtschaftet werden. Die Lohnkosten für fünf erwachsene Personen könnten hingegen aus dem Betrieb nicht erwirtschaftet werden, doch seien zur Bewirtschaftung auch nur mehr zwei Arbeitskräfte erforderlich.

Daraus schloß das Erstgericht, die Ertragsfähigkeit des Betriebes erfülle das Mindesterfordernis des § 1 Abs 1 Z 2 AnerbenG, das dahin zu verstehen sei, daß ein landwirtschaftlicher Betrieb, der eine bäuerliche Familie ernähre und durch die Familie bei entsprechender Ausstattung mit Maschinen in Gang gehalten werden könne, ein Erbhof sei. Der Übernahmspreis sei nach dem Gutachten der beigezogenen Sachverständigen mit 1,5 Mio. S festzusetzen. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß. Es führte aus, die im § 1 Abs 1 Z 2 AnerbenG umschriebene Ertragsfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebes, die angemessene Erhaltung einer bäuerlichen Familie von fünf erwachsenen Personen, sei vom Gesetzgeber zur Kennzeichnung der Betriebsgröße gewählt worden, deren Erhaltung angestrebt und die deshalb erbrechtlichen Sondervorschriften unterworfen werden sollte. Dabei habe der Gesetzgeber nur die zur Zeit der Gesetzwerdung gegebenen betriebswirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in der Landwirtschaft berücksichtigen können. Infolge deutlicher Änderung dieser Gegebenheiten in den letzten drei Jahrzehnten sei die Kennzeichnungskraft des gesetzlich umschriebenen Mindestertrages für das Vorliegen eines "mittleren Bauerngutes" erheblich verfälscht worden. Soweit das Verhältnis des Aufwandes zur angemessenen Erhaltung einer fünfköpfigen Bauernfamilie zu dem bei anerkannten Bewirtschaftungsmethoden erzielbaren Reinertrag als bestimmendes Merkmal gewählt worden sei, habe sich die Auswahl der einer Sonderregelung unterworfenen landwirtschaftlichen Betriebe in einer der offenkundigen Absicht des Gesetzgebers zuwiderlaufenden Weise etwa dadurch geändert, daß menschliche Arbeitskraft weitgehend durch kostenintensiven Maschineneinsatz ersetzt werde, da Aufwand für Betriebsmittel und Amortisation der Maschinen als reinertragsmindernd angesetzt und dennoch vom Erfordernis der angemessenen Erhaltung einer fünfköpfigen Bauernfamilie ausgegangen werde. Die anstehende Novelle zum Anerbenrecht könne die Annahme einer durch die einschneidenden Änderungen der Verhältnisse eingetretenen Gesetzeslücke nur bekräftigen. Da der Gesetzgeber die "mittleren" landwirtschaftlichen Betriebe nicht nach festen Größen, wie Flächenmaß, Einheitswert, Ertragswert oder sonstige meßbare Bestimmungsmerkmale umschrieben habe, sondern gezielt ein von Betriebsart, Lage und Lebensstandard abhängiges Bestimmungsmerkmal gewählt habe, seien die jeweiligen örtlichen und zeitlichen Verhältnisse nur mehr insoweit maßgebend, als nicht schwerwiegende Verzerrungen durch den Indikator infolge nicht bedachter Veränderungen auszuschalten seien. Die Angemessenheit der Erhaltung sei am tatsächlichen regionalen Durchschnittsstandard der mittleren Betriebe zu messen. Die im Rekurs ins Treffen geführten Kollektivvertragslöhne gäben dagegen für Landarbeiter nur eine höchst vage Vergleichsgröße ab. Die Nachlaßliegenschaft gehöre bei einer Flächenausstattung von 28,23 ha zu den größeren landwirtschaftlichen Betrieben der Region, könne aber dennoch infolge der landwirtschaftlichen Technisierung mit nur zwei erwachsenen Personen bewirtschaftet werden. Die Ertragslage des Hofes sei so günstig, daß mit den Erträgnissen der Unterhalt einer fünfköpfigen Bauernfamilie und die Ausgedingsleistungen ohne Fremdmittel bestritten werden könnten. Habe das im § 1 Abs 1 Z 2 AnerbenG gewählte Definitionsmerkmal infolge der ständigen Minderung der landwirtschaftlichen Ertragsfähigkeit erheblich an Kennzeichnungskraft verloren, so sei die Frage nach der Erbhofqualität nicht mehr danach zu beurteilen, ob tatsächlich fünf Personen dort ihre Existenzgrundlage finden könnten, sondern ob die zur Bewirtschaftung des Hofes mittlerer Größe notwendigen Personen ein angemessenes Einkommen erwirtschafteten, das auch zur Erhaltung der im Familienverband mitlebenden nächsten Angehörigen ausreiche. Diese Voraussetzungen stünden im vorliegenden Fall außer Zweifel. Gehe man nach dem Gutachten davon aus, daß das erzielte landwirtschaftliche Einkommen etwa dem fiktiven Arbeitseinkommen zweier erwachsener Vollarbeitskräfte zusätzlich der Sozialaufwendungen entspreche (dies wäre ein Familienbruttoeinkommen von über S 20.000,-- monatlich), könne auch die Angemessenheit der Lebensführung nicht bezweifelt werden. Als Hilfskriterien zur Beurteilung der Erbhofqualität könnten auch das Flächenausmaß und der Einheitswert (S 535.000,--) im Vergleich zu anderen Betrieben herangezogen werden. Ein solcher Vergleich ergebe eine überdurchschnittliche Betriebsgröße, die gleichfalls die Erbhofeigenschaft indiziere. Die Höhe des Übernahmspreises werde im Rekurs nicht beanstandet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des von seinem Widerstreitsachwalter vertretenen erbl. mj. Sohnes ist nicht zulässig.

Da das Rekursgericht die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt hat, ist sein Beschluß nur aus dem im § 16 Abs 1 AußStrG genannten Anfechtungsgründen bekämpfbar. Der erbl. mj. Sohn beruft sich im Revisionsrekurs auch - der Sache nach - auf offenbare Gesetzwidrigkeit. Diese liegt nach ständiger Rechtsprechung (SZ 24/6; EFSlg 55.638 uva.) nur dann vor, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers gar nicht aufkommen können, und dennoch die angefochtene Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz damit im Widerspruch steht. Der Rechtsmittelwerber wendet sich letztlich allein gegen die von den Vorinstanzen bejahte Erzielbarkeit des der Annahme der Erbhofeigenschaft vorausgesetzten Mindestertrages des Bauerngutes.

Gemäß § 1 Abs 1 Z 2 AnerbenG sind behauste landwirtschaftliche Betriebe unter einer weiteren - hier nicht

umstrittenen - Voraussetzung (Z. 1) dann Erbhöfe, wenn sie mindestens einen zur angemessenen Erhaltung einer bäuerlichen Familie von fünf erwachsenen Personen ausreichenden Durchschnittsertrag abwerfen. In einer nicht veröffentlichten Entscheidung (6 Ob 14/83) hat der erkennende Senat ausgesprochen, daß es für die Ausfüllung des Tatbestandsmerkmales der "angemessenen Erhaltung" im Gesetz an konkreten Beurteilungskritierien fehlt. Mit diesem unbestimmten Begriff werden keineswegs Kennzeichnungsmerkmale umschrieben, die jeden Zweifel bei der Auslegung ausschließen. So kann auch eine Auslegung, die angemessene Erhaltung der im § 1 Abs 1 Z 2 AnerbenG genannten bäuerlichen Familie sei auch schon bei der Deckung der Lebenshaltungskosten einer fünfköpfigen bäuerlichen Familie, die - wenngleich alle Mitglieder erwachsen - entsprechend überkommener Vorstellung weiterhin im angestammten Familienverband zusammenlebt, zu bejahen, nicht offenbar gesetzwidrig sein. Das Rekursgericht hat sich im übrigen bei der Beurteilung der Erbhofeigenschaft des in Rede stehenden landwirtschaftlichen Anwesens an der vom erkennenden Senat in einem durchaus vergleichbaren Fall (SZ 59/187 = NZ 1987, 312) getroffenen Auslegung orientiert und ist dabei zum Schluß gelangt, es sei bei einer Wertung der genannten Bestimmung, die den geänderten sozialen und betriebswirtschaftlichen Verhältnissen gerade auch im Bereich der Landwirtschaft Rechnung trägt, nicht entscheidend, ob zumindest fünf (erwachsene) Personen auf dem Hof eine eigenständige Existenzgrundlage finden, sondern ob die zur Bewirtschaftung eines Hofes mittlerer Größe erforderlichen Arbeitskräfte jenes Einkommen erzielen (können), das zur angemessenen Erhaltung der im Familienverband auf dem Hof mitlebenden nächsten Anverwandten ausreicht. Die zur "angemessenen Erhaltung" einer fünfköpfigen bäuerlichen Familie erforderliche Ertragsfähigkeit hat das Rekursgericht dem hier zur Beurteilung stehenden Hof zugebilligt, wogegen nach der von den Vorinstanzen übernommenen Ertragsrechnung durch die beigezogenen Sachverständigen auch keine Bedenken bestehen. Entgegen der Behauptung im Revisionsrekurs hat das Gericht zweiter Instanz keineswegs abweichend vom Wortlaut des Gesetzes eine aus zwei erwachsenen und drei Kindern zusammengesetzte bäuerliche Familie als Beurteilungsmaßstab der Ermittlung der Ertragsfähigkeit des Hofes zugrundegelegt, sondern bloß - den Tatsachen entsprechend - darauf hingewiesen, daß der Betrieb bisher schon jedenfalls die für die angemessene Erhaltung einer solchen Familie zuzüglich nicht unbeträchtlicher Ausgedingsleistungen für die Übergeber erforderlichen Erträge abgeworfen hat, ohne daß hiezu Fremdmittel hätten in Anspruch genommen werden müssen. Läßt die anzuwendende gesetzliche Bestimmung jedenfalls dann, wenn das Rekursgericht die von der Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätze beachtet, die Annahme einer offenbaren Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG nicht zu, so war das danach zu beurteilende Rechtsmittel des erbl. mj. Sohnes als unzulässig zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte