OGH 9ObA208/89

OGH9ObA208/8930.8.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Fellner und Dr.Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Christian L***, Innsbruck, Innrain 111 (auch Völs, Angerweg 9), vertreten durch Dr.Thaddäus Schäfer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei C*** Betriebsberatungs-Gesellschaft mbH, Innsbruck, AndreasHofer-Straße 31, vertreten durch Dr.Klaus Schärmer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 31.670 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25.April 1989, GZ 5 Ra 57/89-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 1.Dezember 1988, GZ 46 Cga 1117/87-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.087 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 514,50 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Geschäftsgegenstand der beklagten Partei ist die Personalberatung von Unternehmen. Von der beklagten Partei wird für die an sie herantretenden Unternehmen ein Stellenanforderungsprofil für die betreffende betriebliche Position erstellt. Die Interessenten werden üblicherweise durch die beklagte Partei durch Zeitungsinserate gesucht. Die sich meldenden Bewerber werden bei der beklagten Partei nach Lebenslauf, Referenzen und Qualifikation geprüft. Nach Ausscheiden der nach Ansicht der beklagten Partei nicht geeigneten Bewerber, werden Gesprächstermine der geeigneten Bewerber mit dem auftragerteilenden Unternehmen vermittelt, welchem die Entscheidung über die Einstellung verbleibt. Diese Leistungen der beklagten Partei werden ausschließlich vom auftraggebenden Unternehmen honoriert. Gegenüber den Stellenbewerbern tritt die beklagte Partei als "bloße Mittlerin" auf; es besteht ihnen gegenüber keine Entgeltlichkeit. Im Oktober 1986 stellte sich der inzwischen als gewerbsmäßiger Betrüger verurteilte D'U*** der beklagten Partei als "Doktor Samuel A.S***" und als Personalmanager der Schiffahrtsgesellschaft "Scandinavian Caribbian Cruise Lines" vor und ersuchte um Vermittlung von qualifiziertem Personal aus dem Bereich der Gastronomie für ein Kreuzfahrtschiff, bei dem es sich um das bisher größte Luxusschiff der Welt handle und welches Weihnachten 1986 auf Jungfernfahrt gehe. Er erklärte, es würden aus verschiedenen europäischen Ländern Mitarbeiter rekrutiert, um möglichste Vielsprachigkeit des Schiffspersonals zu gewährleisten. Er schilderte präzise die Anforderungen an die Stellenbewerber für die jeweilige Position und ging auch präzise auf den geplanten Fahrtablauf des Luxusschiffes ein. Er legte detaillierte Unterlagen über das Schiff selbst, eine Schiffsbeschreibung, des weiteren Unterlagen über die Aufgaben, die mit den einzelnen zu vergebenden Positionen verbunden wären, sowie detaillierte Gehaltsunterlagen vor. Außerdem stattete er die beklagte Partei noch mit einem eingehenden Trainingsprogramm aus, welches die von ihm akzeptierten Bewerber zu absolvieren hätten. Er teilte mit, daß seine Gesellschaft ihren Sitz in Panama hätte, jedoch über ein Büro in der Regentstreet in London verfüge, über welches Büro er für die Firma C*** und die Bewerber erreichbar sei. Die beklagte Partei vereinbarte mit "Dr.S***", daß sie ihm gegen Entgelt bei der Aufsuche geeigneter Bewerber behilflich sei und daß sie bei den sich nach einem Inserat meldenden Bewerbern nach den von "Dr.S***" bekanntgegebenen Kriterien eine Vorauswahl vornehmen werde. Die Endauswahl und die Arbeitsvertragsunterfertigung sollte aber dem Auftraggeber obliegen. Dieser leistete eine Anzahlung von 10.000 S an die beklagte Partei. Zur eigenen Absicherung, aber auch zur Sicherung von Stellenbewerbern, nimmt die beklagte Partei bei Auftragsübernahme ihr unbekannter Unternehmen auch eine Bonitätsprüfung des jeweiligen Unternehmens vor. Handelt es sich dabei um ein ausländisches Unternehmen, nimmt die beklagte Partei die Dienste der international renommierten Auskunftei "Dunn & Breadstreet" in Anspruch. Dies ist auch hinsichtlich der von "Dr.S***" angeblich vertretenen Schiffahrtsgesellschaft erfolgt. "Dr.S***" hat sich mit demselben Anliegen auch beim Arbeitsamt Innsbruck gemeldet, wurde aber wegen seines großspurigen Auftretens nicht für sGriös gehalten. Das Arbeitsamt Innsbruck trat aus diesem Grund und auch deswegen nicht in näheren Kontakt mit ihm, weil bisher Arbeitsvermittlungen nach den USA nicht vorgenommen wurden. Beim Direktor der Fremdenverkehrsschule "Villa Blanca" gelang es aber "Dr.S***" ebenfalls zu erreichen, daß dieser keinen Verdacht schöpfte und die ihm übergebenen Unterlagen an zwei ehemalige Schüler, die er für qualifiziert befand, weiterleitete. Im November 1986 erschienen je ein Inserat im "Kurier" und eines in der "Tiroler Tageszeitung", mit denen Interessenten für die auf dem angeblichen Kreuzfahrtschiff zu vergebenden Posten geworben wurde, wobei die beklagte Partei als Ansprechpartner für Bewerber angegeben war. Diese Inserate wurden von "Dr.S***" aufgegeben, ohne daß die beklagte Partei vorher darüber informiert war. Die beklagte Partei nahm daran aber keinen Anstoß. Es meldete sich dann eine sehr große Anzahl von Bewerbern bei der beklagten Partei, mit denen gruppenweise mehrere Termine vereinbart wurden. Die Bewerber wurden über die von "Dr.S***" vorgelegten Unterlagen informiert und es wurde ihnen mitgeteilt, daß sie im Fall der Aufnahme in die Crew auf eigene Kosten nach London fahren müßten, um dort die Arbeitsverträge zu unterfertigen, und daß ein Rückersatz dieser Kosten nicht stattfinden würde. Weiters legten die Mitarbeiter der beklagten Partei den Bewerbern auch dar, daß sie sich in London noch einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen hätten und in weiterer Folge zur Absolvierung eines Einschulungskurses nach Miami fliegen würden, wobei sie auch die Kosten dieses Fluges vorerst selbst zu tragen hätten, weil ein "Abspringen" einzelner Crewmitglieder verhindert werden sollte. Die Flugkosten von London nach Miami würden den Arbeitnehmern in der Folge jedoch von der Schiffahrtsgesellschaft rückerstattet werden. Außerdem wiesen die Mitarbeiter der beklagten Partei die Interessenten noch an, Gadkopien zur Beschaffung von Visa durch das Büro der Schiffahrtsgesellschaft vorzulegen. Weder den Mitarbeitern der beklagten Partei noch den Bewerbern fiel auf, daß ein Visum beim zuständigen Konsulat nur unter Vorlage des Originaldokumentes erlangt werden kann. Nachdem sodann die beklagte Partei im Sinn der Weisungen des "Dr.S***" eine Vorauswahl unter den Interessenten nach ihrer Qualifikation getroffen hatte, übermittelte sie die von den verbleibenden Bewerbern vorgelegten Unterlagen an das Büro der angeblichen Schiffahrtslinie in London. "Dr.S***" schied noch einige Interessenten aus und teilte dann der beklagten Partei mit, daß die übrigen etwa 30 Personen in die Schiffahrtscrew aufgenommen würden. Nach der durch "Dr.S***" der beklagten Partei ursprünglich gegebenen Information sollten die schließlich von der Schiffahrtslinie akzeptierten Bewerber am 18.Dezember 1986 im Büro der Gesellschaft zur Vertragsunterfertigung vorsprechen. Etwa Ende November/Anfang Dezember 1986 teilte "Dr.S***" der beklagten Partei aber mit, das Schiffspersonal müsse sich bereits am 8. Dezember 1986 in London einfinden, was die beklagte Partei unverzüglich den Betroffenen mitteilte. Weder die Mitarbeiter der beklagten Partei noch die Bewerber hatten zu dieser Zeit einen Zweifel daran, daß die nach London berufenen Personen den in Aussicht gestellten Posten auf dem Luxusschiff bekommen würden, es sei denn, das die angekündigte medizinische Untersuchung ungünstig verliefe. Unter diesen Personen befand sich auch der Kläger - der ebenso wie die anderen Interessenten - davon ausging, daß die angebliche Schiffahrtsgesellschaft schon allein auf Grund des Tätigwerdens der beklagten Partei ein seriöses Unternehmen sei. Auch die beklagte Partei hielt die angebliche Schiffahrtsgesellschaft für ein seriöses Unternehmen, weil eine in die Wege geleitete Überprüfung an Ort und Stelle die Existenz des von "Dr.S***" bekanntgegebenen Büros unter dem Namen der Schiffahrtsgesellschaft in London ergab und es sich hiebei um eine erstklassige Geschäftsadresse handelte. Außerdem bestand zwischen der beklagten Partei und "Dr.S***" ein reger Telexverkehr und es war jederzeit möglich, diese Geschäftsadresse in London telefonisch zu erreichen und Auskünfte einzuholen. Die befaßten Mitarbeiter der beklagten Partei gelangten demnach zur Überzeugung, daß alles seine Richtigkeit habe und teilten dies auch den Posteninteressenten, so auch dem Kläger, mit. Darüberhinaus gaben sie einigen Bewerbern, ua auch dem Kläger, die Telefonnummer des Büros in der Regentstreet, um ihnen zu ermöglichen, sich selbst über die Seriosität des Unternehmens und der Postenvergabe zu versichern und selbst Auskünfte einholen zu können. Der Kläger machte davon aber keinen Gebrauch. Trotz routinemäßiger mehrfacher Anfrage bei der Firma "Dunn & Breadstreet" konnten bis zum Abreisetermin keinerlei Ergebnisse der Bonitätsprüfung erzielt werden.

So reisten der Kläger und 30 weitere Personen, darunter auch die beiden ehemaligen Schüler der Villa Blanca, die von deren Direktor S*** vermittelt waren, am 8.Dezember 1986 nach London. Sie wurden im Büro der angeblichen Schiffahrtsgesellschaft in der Regentstreet empfangen und über die weitere Vorgangsweise instruiert. Etwa gegen 17 Uhr unterzeichneten der Kläger und seine Begleiter die Arbeitsvertragsurkunden und wurden von "Dr.S***" angehalten sich gegen 19 Uhr oder 19.30 Uhr am Victoria-Bahnhof in London einzufinden, wo sie von einem Captain H*** der Schiffahrtsgesellschaft abgeholt und weiter informiert würden. "Dr.S***" überreichte dem Kläger und seinen Begleitern auch Fluggutscheine über einen Flug von London nach Miami und kassierte dafür vom Kläger umgerechnet 10.300 S. Am nächsten Tag sollten sich die Crewmitglieder noch der vorgesehenen medizinischen Untersuchung unterziehen. Der Kläger und seine Mitreisenden trafen aber am Victoria-Bahnhof einen Captain H*** nicht an und schöpften nach längerem Zuwarten Verdacht. Sie mußten auch feststellen, daß das Hotel, in dem sie nächtigen sollten, nicht existierte. Nach Einschaltung der Polizei ergab sich, daß sich der angebliche "Dr.S***" abgesetzt hatte; weder die Schiffahrtsgesellschaft noch das Luxusschiff existierte und der Kläger war mit seinen Mitbewerbern einem Betrüger zum Opfer gefallen. Nachdem die beklagte Partei davon erfahren hatte, überwies sie in einer Hilfsaktion 30.000 S an das Konsulat in London, um den Betrogenen zumindest die Heimfahrt zu ermöglichen. Erst im Jänner 1987 erhielt die beklagte Partei von der Firma "Dunn & Breadstreet" die Auskunft, daß die Schiffahrtslinie nicht existiere.

Der Kläger war bis Herbst 1986 im Hotel "Grauer Bär" in Innsbruck in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis; er verdiente monatlich 8.000 S netto als Grundlohn zuzüglich Prozente und Provisionen, sodaß er auf ein monatliches Durchschnittsnettogehalt von 14.000 S kam. Im Vertrauen auf den Posten auf dem Schiff kündigte der Kläger kurz vor seiner Abreise nach London dieses Arbeitsverhältnis; nach seiner Rückkehr bemühte er sich intensiv um eine neue Stelle. Es geang ihm am 23.Dezember 1986, eine Stelle als Rezeptionist im "Klosterbräu" in Seefeld zu bekommen, wo er einen monatlichen Nettoverdienst von 9.500 S hatte, aber darüber hinaus keine Provisionseinkünfte bezog. Dort war der Kläger bis zum Ende der Wintersaison 1986/87 tätig. Für einen Linienflug nach London hatte er 3.870 S auszulegen, für die Fahrt mit dem Flugtaxi von Innsbruck nach München 380 S. An Spesen, insbesondere für Nächtigung, liefen dem Kläger in London 2.200 S auf. Wegen der polizeilichen Vernehmungen konnte er nämlich nicht sofort nach Österreich zurückreisen. Die Rückfahrt von London nach Innsbruck mit der Bahn kostete 1.320 S. Im Sinn der übermittelten Anweisungen hatte der Kläger auch acht spezielle Hemden für den Posten auf dem Schiff, mit sogenanntem "Vatermörderkragen" gekauft, welche insgesamt 5.300 S kosteten, für die der Kläger aber nun keine Verwendung mehr hat. Von dem von der beklagten Partei nach London überwiesenen Betrag von 30.000 S hatte er umgerechnet 1.600 S ausgezahlt erhalten.

Der Kläger begehrt die Zahlung eines Betrages von insgesamt 31.670 S für diese Auslagen, Verdienstentgang sowie die Kosten für das angeblich gültige Flugticket nach Miami; dabei ist bereits der aus der Überweisung der beklagten Partei erhaltene Betrag von 1.600 S berücksichtigt. Die beklagte Partei hafte, weil sie für die Scandinavien Caribbian Cruises Lines eine Verwendungszusage abgegeben habe; sie sei nicht bloß als Vermittlerin aufgetreten, sondern habe eine Haftungserklärung für die Seriosität dieses Unternehmens abgegeben.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Zwischen dem Kläger und der beklagten Partei habe kein wie immer geartetes Vertragsverhältnis bestanden, aus dem Schadenersatzforderungen abgeleitet werden könnten, zumal die beklagte Partei nicht verpflichtet sei, eine Überprüfung der einzelnen Firmen, die Bewerber suchen, vorzunehmen. Die beklagte Partei sei gegenüber dem Kläger unentgeltlich tätig geworden und bloß Sammelstelle für die Bewerbungsschreiben gewesen.

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab. Es fehle an einem wie immer gearteten Vertrags- oder Vorvertragsverhältnis zwischen den Parteien. Das Verhalten der beklagten Partei könne weder als Verwendungs- noch als Erfolgszusage beurteilt werden. Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten der beklagten Partei und der Hingabe von 10.300 S für ein angeblich gültiges Flugticket sei überhaupt zu verneinen. Die von der beklagten Partei dem Kläger gegebenen Informationen seien gemäß § 1300 ABGB als Rat zu beurteilende Auskünfte für die die beklagte Partei eine Haftung nur zu vertreten hätte, wenn sie die Auskunft entweder wissentlich falsch erteilt hätte oder ein Vertragsverhältnis vorläge. Beide Voraussetzungen seien nicht gegeben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte die Entscheidung (abgesehen von einem nicht mehr strittigen Zinsenteilbegehren) im Sinne des Klagebegehrens ab. Nach § 1300 ABGB sei ein "Sachverständiger" auch dann verantwortlich, wenn er "gegen Belohnung" in Angelegenheiten seiner Kunst oder Wissenschaft aus Versehen einen nachteiligen Rat erteile. Als solcher Sachverständiger sei die beklagte Partei zu qualifizieren, da sie durch ihre geschäftliche Tätigkeit, in deren Rahmen sie für ein ausländisches Unternehmen österreichische Arbeitnehmer überprüft habe, um sie ins Ausland zu schicken, zu erkennen gegeben habe, daß sie sich die erforderlichen Kenntnisse für dieses Geschäft zutraue. Die beklagte Partei sei für dieses Geschäft auch entlohnt worden, weil der Sinn des Geschäftes gewesen sei, daß die angebliche Schiffahrtslinie geeignete Leute für Kreuzfahrtschiffe suche, die der Kläger und die übrigen Postenbewerber sein sollten, bzw. weil der Kläger und die übrigen Postenbewerber dadurch, daß sie dem Auftraggeber der beklagten Partei je über 10.000 S für den wertlosen Flugschein übergeben, dem Betrüger den Betrag weitaus ersetzt hätten, den er seinerzeit der beklagten Partei gezahlt habe. Die beklagte Partei habe daher ihre Auskünfte im Rahmen eines Verpflichtungsverhältnisses, sohin gegen Belohnung im Sinne des § 1300 ABGB, erteilt und hafte auch für Fahrlässigkeit. Diese Fahrlässigkeit habe sie zu vertreten, zumal sie trotz einiger Umstände, die zu Zweifel an der Seriosität Anlaß gegeben hätten und noch bevor sie die in Auftrag gegebene Auskunft über die angebliche Schiffahrtslinie erhalten habe, zum Ausdruck gebracht habe, daß bei der ihr völlig unbekannten, in Wahrheit gar nicht existierenden Schiffahrtslinie "alles seine Richtigkeit habe". Sie hafte daher nach § 1300 ABGB für die dem Kläger erteilten falschen Auskünfte über die angebliche Schiffahrtsgesellschaften und über die Möglichkeit, auf dem in Wahrheit nicht existierenden Kreuzfahrtschiff einen Posten zu erlangen. Sie habe für den Schaden, der dem Kläger als Postenbewerber in diesem Zusammenhang entstanden sei, aufzukommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach herrschender Ansicht treten Geschäftspartner schon mit der Aufnahme eines Kontaktes zu rechtsgeschäftlichen Zwecken in ein beiderseitiges Schuldverhältnis, das sie zu gegenseitiger Rücksichtnahme bei der Vorbereitung und beim Abschluß des Geschäftes verpflichtet. Dieses Verhältnis beruht nicht auf dem Willen der Parteien, sondern entsteht unmittelbar aufgrund des Gesetzes und ist unabhängig davon, ob später ein Vertrag geschlossen wird. Die vorvertraglichen Pflichten sind den Vertragspflichten ähnlich, richten sich aber niemals auf Leistung der Sache; das Schuldverhältnis ist vielmehr ein solches "ohne Hauptleistungspflicht". Es bestehen Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten, die den unselbständigen vertraglichen Nebenpflichten entsprechen. Sie sollen die Personen und die sonstigen Rechtsgüter des Partners, die durch den Geschäftskontakt einer Gefährdung ausgesetzt sind, gegen Verletzungen absichern. Die schuldhafte Verletzung vorvertraglicher Pflichten, die als "culpa in contrahendo", als Verschulden bei Vertragsabschluß, bezeichnet wird, macht schadenersatzpflichtig. Aufgrund des vorvertraglichen Schuldverhältnisses hat ein Teil den anderen vor dem Abschluß des Geschäftes vor allem über die Beschaffenheit des in Aussicht genommenen Leistungsgegenstandes aufzuklären und ihm rechtliche Hindernisse mitzuteilen, die einem Vertragsabschluß entgegenstehen (Koziol-Welser8 II, 195 f).

Die Einordnung der Arbeitskraft und damit der Person des Arbeitnehmers in den Einflußbereich des Arbeitgebers zieht dessen Fürsorgepflicht nach sich. Sie ist im Kern die Pflicht zur Wahrnehmung gewisser gefährdeter persönlicher Interessen des Arbeitnehmers. In aller Regel wird hier das persönliche Element nur auf Arbeitnehmerseite eine Rolle spielen; nur ganz ausnahmsweise wird auch der Arbeitgeber seine Person in vergleichbarer Weise dem Arbeitnehmer anvertrauen. Allein diese typische Ungleichheit in der Situation gibt der Fürsorgepflicht bereits ein ganz anderes Gewicht und läßt sie nur sehr bedingt als Gegenstück der vorwiegend doch nur vermögensrechtlichen Interessen dienenden Treuepflicht erscheinen. Dieser schon aus dem verständlichen Parteiwillen ableitbare Befund wird durch die Grundkonzeption des Arbeitsrechtes entscheidend verstärkt. Dessen Ziel ist insgesamt der Schutz des sozial Schwächeren (Spielbüchler in Floretta-SpielbüchlerStrasser Arbeitsrecht3 I 235 f). Der Arbeitgeber hat neben Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers auch andere immaterielle und materielle Interessen des Arbeitnehmers im besonderen Maß zu wahren. Diese für das Arbeitsrecht verstärkt ausgeprägten Schutzpflichten wirken auch im vorvertraglichen Verhältnis. Bereits in diesem Stadium obliegt dem Arbeitgeber die Verpflichtung zur besonderen Obsorge im Interesse des Arbeitnehmers.

Die Verletzung vorvertraglicher Pflichten durch einen Stellvertreter oder sonstigen Vertragsgehilfen ist grundsätzlich der Partei zuzurechnen, für die er tätig ist. Sie haftet für ihn gemäß § 1313 a ABGB. Der Geschäftsgehilfe wird aber in eigener Person verantwortlich, wenn sein Verhalten keinem Geschäftsherrn zugerechnet werden kann oder wenn er im Verhältnis zum Dritten ein ausgeprägtes eigenes wirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrages hat oder bei den Vertragsverhandlungen im besonderen Maß persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Verhandlung beeinflußt hat (SZ 51/79; SZ 56/135; JBl 1986, 49; Koziol-Welser8 I 197).

Nach den Feststellungen bestand ein direkter Kontakt vor der Abreise des Klägers nach London ausschließlich zwischen den Streitteilen. Sämtliche Gespräche zum beabsichtigten Vertragsabschluß wurden von der beklagten Partei geführt. Diese war einziger Ansprechpartner des Klägers, wobei es ihm zufolge der räumlichen Entfernung gar nicht möglich gewesen wäre, über die näheren Umstände, insbesonders über die Bonität des in Aussicht genommenen Arbeitgebers Informationen einzuholen; auch ein Anruf bei der ihm bekanntgegebenen Nummer in London hätte nur zu einem Kontakt mit "Dr.S***" geführt, der für den Kläger verwertbare Ergebnisse nicht gebracht hätte. Dem Entschluß des Klägers, nach London zu reisen, um den von der beklagten Partei für das angebliche Schiffahrtsunternehmen angebotenen Arbeitsvertrag abzuschließen, lag ausschließlich das Vertrauen auf die von der beklagten Partei gegebenen Zusagen zugrunde, weil dem Kläger eine anderweitige Überprüfung nicht möglich war. Aus diesen Gründen trafen aber die beklagte Partei vorvertragliche Schutzpflichten in der für die Anbahnung von Arbeitsverträgen besonderen Ausformung, deren Verletzung haftungsbegründend ist. Diese Schutzpflichten verletzte die beklagte Partei dadurch, daß sie dem Kläger mitteilte, daß "alles seine Richtigkeit habe", ohne über eine entsprechende Bonitätsauskunft zu verfügen und dadurch seinen Entschluß, sich nach London zu begeben, um das angebotene Arbeitsverhältnis anzutreten, mitbestimmte. Auch daß der Kläger in London an "Dr.S***" einen Betrag von 10.300 S ausfolgte, ist der beklagten Partei zuzurechnen, war dies doch eine Folge der Information über die notwendige Bevorschussung der Reisespesen in die USA sowie über die Bonität des in Aussicht genommenen Dienstgeberunternehmens, über die der beklagten Partei jedoch zu diesem Zeitpunkt entsprechende Unterlagen nicht zur Verfügung standen.

Da die beklagte Partei bereits aufgrund der fahrlässigen Verletzung dieser Schutzpflichten für den vom Kläger geltend gemachten Vertrauensschaden, dessen Höhe nicht mehr in Beschwerde gezogen wird, haftet, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit anderen Haftungstatbeständen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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