Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 16.698,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 2.783,10, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 18. August 1985 ereignete sich gegen 12,30 Uhr im Bereich der Einmündung der Zufahrt zum Kreuzeckgut in die Mattseer Landesstraße ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Halter und Lenker des PKW mit dem Kennzeichen S 133.774 und Verko B*** als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen O 940.269 beteiligt waren. Die Beklagte ist der Haftpflichtversicherer des letztgenannten Kraftfahrzeugs. Die beiden Fahrzeuge kollidierten im Bereich der Zufahrt zum Kreuzeckgut; dabei wurde der Kläger verletzt und sein PKW beschädigt.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 403.055,70 s.A. (Fahrzeugschaden, Abschleppkosten, Schmerzengeld, Besuchskosten, Kleiderschaden, Heilungskosten und Verdienstentgang); überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrags für seine künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren.
Die Höhe der Ersatzansprüche des Klägers ist ebenso wie sein Feststellungsinteresse nicht mehr strittig.
Dem Grund nach stützte der Kläger sein Begehren im wesentlichen auf die Behauptung, daß B*** den Unfall allein verschuldet habe. Er sei ebenso wie der Kläger auf der Mattseer Landesstraße aus Richtung Salzburg kommend in Richtung Obertrum gefahren. Der Kläger sei, nachdem er bereits durch geraume Zeit den rechten Blinker betätigt habe, nach rechts in die Zufahrt zum Kreuzeckgut abgebogen. Der hinter ihm nachfahrende B*** habe infolge unaufmerksamer Fahrweise (überhöhte Geschwindigkeit, zu geringer Sicherheitsabstand, verspätete Reaktion) das Abbiegemanöver des Klägers übersehen und sei, um nicht auf den PKW des Klägers aufzufahren, nach rechts in die Wiese ausgewichen, von dort aber auf die Zufahrt zum Kreuzeckgut geraten und dort gegen den PKW des Klägers gefahren.
Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, daß B*** kein Verschulden an diesem Verkehrsunfall treffe. Der Kläger sei nicht vor B*** in Richtung Obertrum gefahren, sondern aus der Gegenrichtung gekommen. Plötzlich sei er, ohne auf das sich der Kreuzung nähernde von B*** gelenkte Fahrzeug zu achten, nach links in die Zufahrt zum Kreuzeckgut eingebogen. Dort sei es dann zur Kollision gekommen, weil B*** durch einen anderen entgegenkommenden und unvorsichtig überholenden PKW gezwungen worden sei, sein Fahrzeug nach rechts zu verreißen und dadurch in die Wiese und schließlich auf die Zufahrt abgekommen sei.
Wenn man aber davon ausgehe, daß der Kläger und B*** in gleicher Richtung gefahren seien, dann treffe den Kläger das überwiegende Verschulden, weil er aus einer Geschwindigkeit von über 100 km/h sein Fahrzeug erst 30 bis 40 m vor der späteren Unfallstelle, ohne ein Blinkzeichen zu geben, plötzlich und übermäßig stark abgebremst habe. Da B*** nicht wissen habe können, daß der Kläger nach rechts abbiegen werde, sei er nach kurzer Vollbremsung nach rechts in die Wiese ausgewichen, um ein Auffahren auf den PKW des Klägers zu vermeiden. Wenn überhaupt, so habe der Kläger den rechten Blinker erst während des Abbiegevorgangs betätigt.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von S 398.500,-- s.A. und wies das auf Zahlung eines weiteren Betrags von S 4.555,70 s.A. gerichtete Mehrbegehren ab; dem Feststellungsbegehren des Klägers gab es statt.
Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Im Unfallsbereich ist die Fahrbahn der Mattseer Landesstraße 7,5 m breit, der von Salzburg in Richtung Obertrum führende Fahrstreifen 3,7 m. Rechtwinkelig mündet rechts - in Richtung Obertrum gesehen - die Zufahrtsstraße zum Kreuzeckgut mit einem sich bis auf 16 m erweiternden Einmündungstrichter in die Landesstraße ein. In einem Abstand von 6,7 m von der gedachten Verlängerung des rechten Fahrbahnrands der Zufahrtsstraße zum Kreuzeckgut befindet sich die parallel zu dieser Zufahrtsstraße verlaufende Hauskante einer Kapelle. Die Mattseer Landesstraße verläuft - in Richtung Obertrum gesehen - nach einer langgezogenen Linkskurve über die letzten rund hundert Meter völlig gerade und fällt im Bereich der Unfallstelle mit etwa 2 % ab. Sicht auf die Unfallstelle besteht aus etwa 200 m. Auf der Landesstraße sind unterbrochene Leitlinien etwa in Fahrbahnmitte angebracht; an beiden Fahrbahnrändern befinden sich weiße Randlinien.
Der Kläger fuhr auf der Mattseer Landesstraße in Richtung Obertrum und wollte nach rechts in die Zufahrtsstraße zum Kreuzeckgut einbiegen. Er schaltete daher den rechten Blinker ein und bog nach rechts in die Zufahrtsstraße ab.
Der hinter ihm in gleicher Fahrtrichtung nachkommende Verko B*** bemerkte infolge unaufmerksamer Fahrweise (überhöhte Geschwindigkeit, zu geringer Sicherheitsabstand oder verspätete Reaktion) dieses Abbiegemanöver des Klägers zu spät und wich, um nicht auf den PKW des Klägers von hinten aufzufahren, in die rechts angrenzende Wiese aus, worauf er nach Verlassen der Wiese im Bereich der Zufahrtsstraße mit dem Fahrzeug des Klägers kollidierte. Die Kollision erfolgte in einer Winkelstellung der beiden Fahrzeuge von rund 60 Grad zwischen der linken vorderen Ecke des PKW des B*** und der rechten hinteren Seitenwand des Fahrzeugs des Klägers. Durch diesen Primäranstoß erfolgte eine relativ rasche Drehung des PKW des B*** entgegen dem Uhrzeigersinn, wodurch infolge der Richtung des Stoßimpulses das Fahrzeug des Klägers zur linken Seite hin in Richtung Kapelle versetzt wurde. Durch das Abdrehen des PKW des B*** entgegen dem Uhrzeigersinn kam es sodann zu einer weiteren Kontaktnahme entlang der rechten Seite dieses Fahrzeugs, wovon die gesamte rechte Längsseite des PKW des Klägers betroffen wurde. Durch die Abschleuderung kam es dann zu einer Kontaktierung des PKW des Klägers mit der linken Seite im Bereich der Fahrertür an der südwestlichen Ecke der Kapelle. Die Anstoßgeschwindigkeit des PKW des Klägers an der Kapelle lag bei rund 40 km/h; die Anstoßgeschwindigkeit des PKW des B*** am Fahrzeug des Klägers betrug rund 70 km/h.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, B*** habe den Unfall allein verschuldet, weil er entweder infolge zu hoher Geschwindigkeit, eines zu geringen Sicherheitsabstands oder mangelnder Aufmerksamkeit nach einem Ausweichmanöver gegen den PKW des Klägers gestoßen sei. Hingegen könne dem Kläger, der sein Abbiegen ordnungsgemäß durch Betätigung des rechten Blinkers angezeigt habe, kein Fehlverhalten vorgeworfen werden.
Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichts gerichteten Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge.
Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen von der Beklagten behaupteter Verfahrensmängel, übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, die Behauptungs- und Beweislast für die Tatumstände, aus denen ein die Haftung für die Unfallsfolgen begründendes Verschulden des Gegners abgeleitet werde, treffe den, der sich auf ein solches Verschulden berufe. Daher müsse jede in dieser Richtung verbleibende Unklarheit in tatsächlicher Hinsicht zu Lasten dessen gehen, der ein Verschulden seines Gegners behaupte. Es wäre daher an der Beklagten gelegen gewesen, zu behaupten und zu beweisen, daß das Rechtsabbiegemanöver des Klägers nicht den Vorschriften entsprechend gewesen sei und der Kläger insbesondere etwa nicht rechtzeitig rechts geblinkt habe. Ergebnisse in dieser Richtung habe das Beweisverfahren aber ebensowenig geliefert wie Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger im Sinne der Behauptungen der Beklagten ursprünglich eine Geschwindigkeit von über 100 km/h eingehalten und erst 30 bis 40 m vor der Unfallstelle plötzlich und übermäßig abgebremst habe. Vielmehr erschienen diese Behauptungen der Beklagten völlig aus der Luft gegriffen. Es sei der Beklagten daher nicht gelungen, ein Fehlverhalten des Klägers nachzuweisen, während das Verschulden des B*** evident sei und in der Rechtsrüge der Beklagten auch nicht weiter in Zweifel gezogen werde.
Das Erstgericht sei somit zutreffend vom Alleinverschulden des B*** an dem hier zu beurteilenden Verkehrsunfall ausgegangen. Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten. Sie bekämpft sie in ihrem klagsstattgebenden Teil aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, "daß der Berufung gegen das Ersturteil stattgegeben wird"; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Der Kläger hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision der Beklagten keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).
Auch der Rechtsrüge kommt keine Berechtigung zu.
Wenn die Beklagte hier sinngemäß ausführt, die Vorinstanzen hätten auf Grund der von ihnen getroffenen Feststellungen nicht davon ausgehen dürfen, daß das Rechtsabbiegemanöver des Klägers den Verkehrsvorschriften entsprochen habe, übersieht sie, wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausführte, daß nach ständiger Rechtsprechung die Behauptungs- und Beweislast für ein allfälliges Mitverschulden des Klägers sie selbst trifft und daß diesbezüglich jede verbleibende Unklarheit im erhobenen Sachverhaltsbild zu ihren Lasten geht (ZVR 1988/68 mwN uva; zuletzt etwa 2 Ob 82/88; 2 Ob 92/88). Wenn sich die Vorinstanzen auf Grund ihrer Beweiswürdigung nicht imstande sahen, im Sinn der Behauptungen der Beklagten festzustellen, daß der Kläger sein Rechtsabbiegemanöver verspätet angezeigt oder nach einer jähen und für den nachkommenden Fahrzeugverkehr überraschenden Abbremsung seines Fahrzeugs durchgeführt hätte, so fällt dies ausschließlich in das Gebiet der im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpfbaren Beweiswürdigung. Geht man aber von den tatsächlich von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen aus, aus denen ein derartiger Verstoß des Klägers nicht zu entnehmen ist, dann erweist sich der in der Rechtsrüge der Beklagten ausgeführte Mitverschuldensvorwurf gegen den Kläger als unberechtigt.
Entgegen den Revisionsausführungen kann auch von einem in dieser Richtung vorliegenden sekundären Feststellungsmangel keine Rede sein, weil sich die Vorinstanzen mit dem von der Beklagten erhobenen Mitverschuldenseinwand in tatsächlicher Hinsicht auseinandergesetzt haben, auf Grund ihrer Beweiswürdigung aber den von der Beklagten behaupteten Sachverhalt nicht als erwiesen ansahen. Der Revision der Beklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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