OGH 11Os93/89

OGH11Os93/898.8.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.August 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vrabl-Sanda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Manfred R*** wegen des Vergehens des Haufriedensbruches nach dem § 109 Abs. 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 24.Mai 1989, GZ 15 Vr 1194/88-35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manfred R*** - im zweiten Rechtsgang - des Vergehens des Hausfriedensbruches nach dem § 109 Abs. 1 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 StGB (Punkt 2) schuldig erkannt, weil er am 17.Juni 1988 in Mairist 1. den Eintritt in die Wohnstätte der Barbara S*** und der Heike M*** mit Gewalt erzwang, indem er das am Fenster befindliche Maschengitter wegriß und in ihr Zimmer einstieg; sowie 2. Barbara S*** und Heike M*** durch die Äußerung, er werde sie erschießen, gefährlich bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Die beiden Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte nominell mit einer auf die Ziffern 4, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den - auch die bereits rechtskräftigen Schuldsprüche (vgl. ON 25 und 31)

erfassenden - Strafausspruch, ebenso wie die Staatsanwaltschaft, mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt schon aus folgenden Gründen Berechtigung zu:

Beim Delikt des Hausfriedensbruches muß der Tätervorsatz - wie im aufhebenden Teil der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 21. Feber 1989 bereits hervorgehoben - das Bewußtsein umfassen, gegen den Willen des Hausrechtsinhabers zu handeln.

Die Konstatierung des Erstgerichtes, daß Manfred R*** in das Zimmer der Barbara S*** im Bewußtsein eingedrungen sei, dazu nicht berechtigt zu sein, ist, wie die Beschwerde der Sache nach zu Recht releviert, mit einem formalen Begründungsmangel (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO) behaftet:

Die Berufung der Tatrichter auf das Eingeständnis des Angeklagten, "widerrechtlich" gehandelt zu haben, reicht zur Bejahung der subjektiven Tatseite des angeführten Deliktes nach Lage des Falles nicht aus, weil der der leugnenden Verantwortung des Angeklagten entnommene, jedoch nicht näher erörterte Begriff der Widerrechtlichkeit hier mehrdeutig ist und das bloße Bewußtsein, sich an ein bestehendes Hausverbot nicht gehalten (vgl. Kienapfel BT I2, § 109 RN 13 und 21) oder für das Eindringen in das Haus bloß eine hiefür nicht vorgesehene Öffnung benützt zu haben, für sich allein nicht genügen könnte. Hinzu kommt, daß das Schöffengericht - abgesehen von ungewürdigt gelassenen Divergenzen in den Aussagen des Angeklagten und der beiden Tatzeugen (vgl. die Seiten 28, 51, 91, 102, 106, 144, 155, 203) über die Art und Intensität der im Bereich des Fenstergitters zum Zweck des Eindringens eingesetzten physischen Kraft (vgl. hiezu ua Kienapfel aaO RN 17) - in der Frage, ob der Angeklagte die Zeugin Barbara S*** bereits früher öfter auf die gleiche Weise besucht hatte, wie die Beschwerde ebenfalls zutreffend aufzeigt, durch gleichzeitige Bejahung und Verneinung derartiger Besuche einander ausschließende Feststellungen traf (vgl. S 215, 216). Zweifelsfreien diesbezüglichen Konstatierungen kommt jedoch für die Beurteilung der inneren Tatseite ua im Hinblick auf die Verantwortung des Angeklagten, das Fliegengitter beseitigt zu haben, weil - die im zweiten Rechtsgang im übrigen nicht vernommene Zeugin - S*** wußte, daß er sie (ersichtlich gemeint: mit ihrem Einverständnis) unter diesen Umständen öfter besuche (vgl. S 200 dA), ausschlaggebende Bedeutung zu.

Nichtigkeit haftet aber auch dem Schuldspruch wegen gefährlicher Drohung an:

Mit Recht macht der Angeklagte im Rahmen seines diesbezüglichen Beschwerdevorbringens, der Sache nach aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO, geltend, die Feststellung, daß es seine Absicht gewesen sei, Barbara S*** und Heike M*** in Furcht und Unruhe zu versetzen, leide an einem Begründungsmangel. Für die Beurteilung einer Äußerung ist sowohl der Wortlaut als auch der ihr in der konkreten Situation zukommende Sinn maßgebend. Eine vom Wortlaut abweichende Bedeutung ist von dem mit der Lösung der Tatfrage befaßten Gericht denkrichtig und erfahrungskonform zu begründen.

Dies unterblieb aber. Zutreffend weist der Beschwerdeführer darauf hin, daß schon der in den Urteilsgründen - abweichend vom Tenor - konstatierte Wortlaut seiner Äußerung, "er werde Heike M***, Barbara S*** und deren Chefin erschießen, wenn diese (die Chefin) geholt werde", darauf hinweise, daß er S*** und M*** von der Herbeiholung "fremder Hilfe" abhalten wollte, ohne daß sich das Erstgericht mit diesem primär für das Vorliegen einer Nötigung (§ 105 Abs. 1 StGB) sprechenden Umstand überhaupt befaßt hätte. Eine genaue Ermittlung der Tragweite des Sinngehaltes des Täterverhaltens unter dem Gesichtspunkt der Abgrenzung zwischen den Delikten des § 105 Abs. 1 und des § 107 Abs. 1 StGB wäre - trotz der an sich gleichen Unrechtsfolgen - umsomehr geboten gewesen, als dem Angeklagten in Anbetracht der unterbliebenen Reaktion der Bedrohten mangels Eintritts des unter Umständen erstrebten Nötigungserfolges statt des vollendeten Deliktes nach dem § 105 Abs. 1 StGB allenfalls bloßer Nötigungsversuch angelastet werden könnte (EvBl. 1988/36 ua). Da sich folglich zeigt, daß erneut die Anordnung einer Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht eintreten kann, war über die Beschwerde gemäß dem § 285 e StPO in nichtöffentlicher Sitzung spruchgemäß zu erkennen, wobei auf die weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht mehr eingegangen zu werden brauchte.

Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte