Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurde Claes A*** der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB und des Diebstahls, teils durch Einbruch, nach §§ 127, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt.
Nur den Schuldspruch wegen Mordes bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 345 Abs. 1 Z 6, 8, 9 und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Laut Punkt A/ des Urteilssatzes hat der Beschwerdeführer am 6. Juli 1988 in Wien Ingeborg L*** dadurch, daß er sie von hinten mit den Händen am Hals packte und würgte, sodann ein Verlängerungskabel ergriff, dieses um den Hals der auf dem Boden liegenden Frau schlang, wobei er die Kabelenden überkreuzte und jeweils um seine Hände gewickelt hatte, um das Kabel besser um den Hals zuziehen zu können, und sodann mit aller Gewalt auch tatsächlich zuzog, wodurch sein Opfer eine tödliche Verletzung, und zwar eine dreifache Fraktur des Ringknorpels (Kehlkopfes), einen Abbruch des oberen Schildknorpelhornes beiderseits sowie einen Abbruch des Dornfortsatzes des 4., 5. und 6. Halswirbels erlitt, vorsätzlich getötet.
Die Geschwornen hatten die an sie gerichtete Hauptfrage 1 nach dem Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB - mit einer Gegenstimme - bejaht. Demgemäß blieben die Eventualfragen 1 bis 3 in Richtung der Verbrechen des Totschlags nach § 76 StGB, der absichtlichen schweren Körperverletzung mit Todesfolge nach § 87 Abs. 1 und 2 StGB sowie der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83, 86 StGB unbeantwortet.
Eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) erblickt der Nichtigkeitswerber in dem Umstand, daß den Geschwornen die Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes vor der Eventualfrage wegen Totschlags, die nur für den Fall der Verneinung der Hauptfrage zu beantworten war, gestellt wurde, weil dadurch wegen der beiden Fragestellungen inhärenten und nach Lage des Falles jedenfalls zu bejahenden vorsätzlichen Tötung die Geschwornen gar nicht die Möglichkeit gehabt hätten, auch dazu Stellung zu nehmen, ob sich der Rechtsmittelwerber (bloß) in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hinreißen lassen habe, Ingeborg L*** zu töten. Demgemäß hätte die Eventualfrage wegen Verbrechens des Totschlags vor der Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes gestellt und diese Eventualfrage jedenfalls - und nicht nur für den Fall der Verneinung der Hauptfrage - beantwortet werden müssen; allenfalls wäre an Stelle der Eventualfrage eine "besondere Hauptfrage nach Totschlag" zu stellen gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Mit diesen Einwänden verkennt der Angeklagte einerseits das Wesen der Eventualfrage in ihrem Verhältnis zur Hauptfrage und andererseits das Wesen des Totschlags als formal selbständiges Delikt. Gemäß § 312 Abs. 1 StPO ist die Hauptfrage stets darauf zu richten, ob der Angeklagte schuldig ist, die der Anklage zugrunde liegende strafbare Handlung begangen zu haben. Die Hauptfrage muß daher die unter Anklage gestellte Tat zum Gegenstand haben. Eine Eventualfrage (§ 314 Abs. 1 StPO) hingegen soll den Geschwornen aufgrund eines konkreten Tatsachenvorbringens in der Hauptverhandlung die Möglichkeit bieten, ihrer Überzeugung Ausdruck zu verleihen, daß die dem Angeklagten angelastete strafbare Handlung rechtlich anders als in der Anklage zu beurteilen wäre. Die Stellung einer Eventualfrage setzt sohin voraus, daß nach den Verfahrensergebnissen eine rechtlich verschiedene Beurteilung derselben Tat denkmöglich ist; hiebei schließt die in die Hauptfrage aufgenommene Qualifikation jene der Eventualfrage aus, dh, daß bei Vorliegen einer Hauptfrage und einer Eventualfrage immer nur die eine oder die andere Frage bejaht werden kann (Mayerhofer-Rieder, StPO2 ENr. 1 und 15 zu § 314).
Dies trifft im vorliegenden Fall im Hinblick auf die formale Selbständigkeit des Verbrechens des Totschlags, das gegenüber dem Mord ein eigenes Delikt (und nicht etwa nur eine Qualifikation oder Strafzumessungsregel) bildet, zu (vgl. Leukauf-Steininger, StGB2, RN 1, 2; Kienapfel, BT I2, RN 1, 43; Moos im WK, Rz 3, 4 jeweils zu § 76 StGB und die dort zitierte Judikatur). Demgemäß hatten die Geschwornen zunächst durch die Beantwortung der Hauptfrage zu klären, ob sich der Angeklagte des der Anklage zugrunde liegenden Verbrechens des Mordes schuldig gemacht hat. Nur für den Fall der - nach dem Gesagten entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht sehr wohl möglichen - Verneinung der vor der Eventualfrage zu beantwortenden Hauptfrage hätten die Geschwornen in Beantwortung der Eventualfrage weiter zu prüfen und zu beurteilen gehabt, ob die ihm in der Anklageschrift zur Last gelegte vorsätzliche Tötung der Ingeborg L*** aufgrund eines von der Hauptfrage auf der inneren Tatseite abweichenden Sachverhaltes, wenn er sich nämlich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hinreißen hätte lassen, die Genannte vorsätzlich zu töten, als Totschlag dem § 76 StGB, einem privilegierten Fall der vorsätzlichen Tötung eines Menschen, zu unterstellen gewesen wäre. Von einer Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung durch die (dem Gesetz entsprechende: § 317 Abs. 3 StPO) Reihung der Eventualfrage nach der Hauptfrage (vgl. hiezu auch Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr. 3 zu § 314) kann sohin keine Rede sein, zumal der Eventualfrage klar zu entnehmen ist, welchen von der Hauptfrage abweichenden Sachverhalt die Geschwornen gegebenenfalls als erwiesen annehmen müßten, um die Hauptfrage (nach dem Verbrechen des Mordes) verneinen und die Eventualfrage (nach dem Verbrechen des Totschlags) bejahen zu können.
Nach dem Gesagten kommt daher auch die Stellung einer zusätzlichen "besonderen Hauptfrage nach dem Verbrechen des Totschlags" nicht in Frage.
Nicht beizupflichten vermag der Oberste Gerichtshof in dem Zusammenhang der in der Nichtigkeitsbeschwerde zitierten Meinung von Bertel (Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechts2, Rz 685), wonach in jenem Fall, in dem die Anklage dem Angeklagten Mord anlastet, in der Hauptverhandlung aber Tatsachen vorgebracht werden, welche die Tat als Totschlag beurteilen lassen könnten, die Geschwornen vor der Beantwortung der Hauptfrage (nach Mord) die Eventualfrage nach Totschlag beantworten müßten, weil, stünde die Hauptfrage an erster Stelle, die Geschwornen diese bejahen müßten, selbst wenn sie vom heftigen Affekt des § 76 StGB überzeugt seien, weil auch ein Totschlag vorsätzliche Tötung sei. Zur Stützung dieser Ansicht zitiert Bertel den Aufsatz Rittler's: Fragestellung, Wahrspruch und Urteil nach österreichischem Strafprozeßrecht in Mittermeier-Liepmann, Schwurgerichte und Schöffengerichte, Bd. I (1908).
Die Ausführungen von Rittler beziehen sich jedoch auf eine anders gelagerte Fallkonstellation; demgemäß mißt Rittler dieser Frage nur geringere Bedeutung zu, weil sie nur aktuell sei, wenn sich die in der Eventualfrage zu erfragende strafbare Handlung oder Erscheinungsform zu der in der Hauptfrage zu erfragenden wie plus zu minus oder als spezies zum genus verhält. Er selbst erörtert den Fall, daß die Hauptfrage auf Versuch, die Eventualfrage aber auf Vollendung der strafbaren Handlung lautet. Solches ist vorliegend aber nicht aktuell, zumal Mord gegenüber Totschlag das strenger bestrafte Delikt ist.
Unstrittig ist, daß Totschlag ein Fall von vorsätzlicher Tötung ist. Wie bereits ausgeführt, ist Totschlag aber keine Qualifikationsform des Mordes, sondern ein formal selbständiges Delikt. Sonach ist es den Geschwornen unbenommen, die Hauptfrage nach Mord zu verneinen und sodann die Eventualfrage nach Totschlag zu bejahen. Dies entspricht auch der herrschenden Rechtsprechung (LSK 1975/187 = SSt. 46/49, SSt. 47/11), von der abzugehen kein Anlaß besteht.
Dem Beschwerdevorbringen zuwider ist der Wahrspruch der Geschwornen aber auch nicht unvollständig (Z 9). Denn in der Bejahung der Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes liegt - was übrigens auch die Geschwornen in der Niederschrift gemäß § 331 Abs. 3 StPO durch den Hinweis, daß ihrer Meinung nach die Gemütsbewegung des Nichtigkeitswerbers weder heftig noch allgemein begreiflich war, unmißverständlich zum Ausdruck
brachten - denknotwendig die Verneinung jener Umstände, die eine Beurteilung seines Verhaltens (bloß) als Verbrechen des Totschlags zuließen. Eine Erforschung der Meinung jenes (in der Minderheit gebliebenen) Geschwornen aber, der die Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes verneint hatte, sieht das Gesetz nicht vor (§ 331 Abs. 3 erster Satz StPO).
Gegenstand des Nichtigkeitsgrundes der Z 8 ist nur die den Geschwornen gemäß §§ 321, 323 Abs. 1 und 327 StPO zu erteilende (schriftliche) Rechtsbelehrung, nicht aber der Inhalt der gemäß § 323 Abs. 2 StPO im Anschluß an die Rechtsbelehrung abzuhaltende Besprechung. Ob eine Rechtsbelehrung richtig ist und den Voraussetzungen des § 321 Abs. 2 StPO entspricht, ist ausschließlich nach ihrem Wortlaut (§§ 321 Abs. 1, 323 Abs. 1 StPO) zu beurteilen (Mayerhofer-Rieder, StPO2, § 345 Abs. 1 Z 8, ENr. 2; § 323, ENr. 1). Indem sich der Beschwerdeführer dieser Prüfung entschlägt, eine Unrichtigkeit der schriftlichen - im übrigen die Frage der allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung in jeder Beziehung vollständig und dem Gesetz entsprechend erörternden (vgl. S 7-10 der Beilage B./ zu ON 72) - Rechtsbelehrung gar nicht behauptet und bloß auf eine "mündlich erteilte", von ihm aus der Niederschrift der Geschwornen (§ 331 Abs. 3 StPO) erschlossene und seiner Meinung nach unvollständige Rechtsbelehrung abstellt, führt er die Instruktionsrüge nicht gesetzmäßig aus.
Gleiches gilt für die Rechtsrüge (Z 12). Denn Voraussetzung für deren gesetzmäßige Ausführung ist, daß sich die behauptete unrichtige Gesetzesanwendung ausschließlich aus dem Vergleich der im Wahrspruch der Geschwornen enthaltenen und damit festgestellten (vgl. § 351 zweiter Satz StPO) Tatsachen mit dem zur Anwendung gebrachten Strafgesetz ergibt (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr. 8 zu § 345 Z 12). Der Rechtsmittelwerber leitet aber jene Wertung, derzufolge er sich angeblich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tat hinreißen ließ, nicht aus dem insoweit allein maßgebenden Wahrspruch, sondern aus Ergebnissen des Beweisverfahrens ab. Da er solcherart die Bindung an die im Wahrspruch getroffenen Feststellungen, und zwar auch hinsichtlich der subjektiven Tatseite, vernachlässigt, bringt er den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Er macht in Wahrheit nämlich nicht einen Rechtsirrtum bei der Subsumtion des im Wahrspruch umschriebenen Sachverhaltes geltend, sondern verlangt vielmehr der Sache nach eine Abänderung des Wahrspruchs im Sinne einer Verneinung der Hauptfrage nach Mord und einer Bejahung der Eventualfrage nach Totschlag.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verhängte über Claes A*** nach § 75 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe von 20 Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die in Richtung des Eigentumsdeliktes einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die Tatwiederholung im Bereich der Eigentumsdelikte und die Begehung des Mordes an einem nahen Verwandten (Mutter), als mildernd hingegen das volle und reumütige Geständnis zu den Diebstahlsfakten, das Tatsachengeständnis zum Faktum des Mordes, eine schwierige Jugend und die psychische Erregung (Gemütsbewegung).
Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe.
Auf Grund einer vom Obersten Gerichtshof eingeholten Strafregisterauskunft vom 6.Juni 1989 ergibt sich, daß der Berufungswerber keine Vorstrafen aufweist, weshalb der Erschwerungsgrund der einschlägigen Vorstrafe in Richtung Eigentumsdelikt zu entfallen hat; demgemäß kommt ihm als weiterer Milderungsgrund seine Unbescholtenheit zugute. Ungeachtet der zu seinem Vorteil ausgefallenen Korrektur der Strafzumessungsgründe kommt diesem Rechtsmittel im Ergebnis keine Berechtigung zu. Denn der Schuld- und Unrechtsgehalt der vom Angeklagten zu vertretenden Mordtat ist derart gewichtig, daß schon allein für dieses Delikt die vom Geschwornengericht ausgemessene Strafe nicht überhöht ist. Entgegen der Ansicht des Berufungswerbers ist nämlich der Umstand, daß er den Mord an seiner leiblichen Mutter begangen hat, sehr wohl als Erschwerungsgrund zu werten (12 Os 79/75).
Da sich die vom Erstgericht verhängte Strafe als nicht reduktionsbedürftig erweist, kann auch der Berufung kein Erfolg zukommen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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