OGH 13Os74/89

OGH13Os74/8927.7.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Juli 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lachner, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vondrak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alois G*** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengerichts vom 6.April 1989, GZ. 13 Vr 1842/88-47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten wegen "unrichtiger Beurteilung der Schuldfrage sowie "wegen des Ausspruchs über die Schuld" werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten wegen Strafe und wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche sowie über die Strafberufung der Staatsanwaltschaft werden die Akten gemäß § 285 i StPO dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Der am 14.Dezember 1947 geborene Hilfsarbeiter Alois G*** wurde der Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 StGB (I) und des versuchten Raubes nach §§ 15, 142

Abs. 1 StGB (II) sowie der Vergehen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB (III) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 (richtig: Abs. 2) Z 4 StGB (IV) schuldig erkannt.

Darnach hat er am 2.Oktober 1988

in St.Veit an der Glan fremde bewegliche Sachen, nämlich zwei Zwiebelschneider und ein "Zauberbuch" im Gesamtwert von 380 S dem Karl S*** und dem Ernst S*** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er bei seiner Betretung auf frischer Tat dadurch, daß er Ernst S*** an dessen T-Shirt und am Arbeitsmantel hin- und herriß, an seinen Haaren zog, ihn herumschupfte, boxte und ihm mehrere Ohrfeigen versetzte, Gewalt gegen eine Person anwendete, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten (I), in Agsdorf versucht, Cornelia S*** teils mit Gewalt gegen ihre Person, indem er sie am Pullover erfaßte und festhielt, ihr einen Schlag in das Gesicht versetzte und so heftig an ihrer Handtasche zog, daß der Trageriemen riß, teils durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, indem er ihr drohte:

"... Geld her, sonst dresch ich dich nieder!", fremde bewegliche Sachen, und zwar rund 3.500 S Bargeld mit dem Vorsatz wegzunehmen oder abzunötigen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern (II), in Bach dadurch, daß er nach seiner Festnahme die Eingangstür seines Hauses mit Wucht gegen den Gendarmeriebeamten Inspektor Josef L*** schlug, versucht, einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich an seiner Abführung, zu hindern (III) sowie durch die zu (III) angeführte Tätlichkeit Inspektor Josef L***, sohin einen Beamten, während Erfüllung seiner Aufgaben und Pflichten vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihm eine Schädelprellung und ein Hämatom an der rechten Schläfe zufügte (IV). Gegen dieses Urteil meldete der Angeklagte rechtzeitig mit beim Erstgericht am 7.April 1989 eingelangten Schreiben Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (S. 329). Am gleichen Tag überreichte der Verteidiger beim Landesgericht Klagenfurt eine "Berufungsanmeldung", in welcher er Berufung "wegen Vorliegen von Nichtigkeitsgründen, unrichtiger Beurteilung der Schuld- und Straffrage und auch wegen des Privatbeteiligtenzuspruches" anmeldete (ON. 49). Nach Zustellung einer Urteilsausfertigung führte der Verteidiger eine "Berufung wegen Nichtigkeit, Strafe und privatrechtlichen Ansprüche" aus, in welcher auch beantragt wird, der "Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld" Folge zu geben. Die Staatsanwaltschaft meldete schon unmittelbar nach Urteilsverkündung Strafberufung an (S. 318), die in der Folge rechtzeitig ausgeführt wurde (ON. 51).

Die Berufungen "wegen unrichtiger Beurteilung der Schuldfrage" sowie "wegen des Ausspruchs über die Schuld" waren zurückzuweisen, weil derartige Rechtsmittel gegen schöffengerichtliche Urteile dem österreichischen Strafprozeßrecht fremd sind.

Die schriftlich ausgeführte "Berufung wegen des Vorliegens von Nichtigkeitsgründen" ist trotz der Falschbezeichnung, die dem Beschwerdeführer trotzdem nicht zum Nachteil gereichen kann, der Sache nach als Nichtigkeitsbeschwerde anzusehen, welche die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z. 5 und 5 a StPO releviert. Der Nichtigkeitswerber behauptet eine Urteilsunvollständigkeit bezüglich des Umstands, ob er zur Tatzeit (lediglich) unter Alkoholeinfluß gestanden sei oder aber, ob er sich in einem epileptischen Dämmerzustand oder im Zustand einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung befunden habe. Dabei zielt dieses Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde ersichtlich darauf ab, daß das Schöffengericht das in der Hauptverhandlung verlesene (S. 306) Gutachten der Sachverständigen Dr. Eva R*** (ON. 21) übergangen habe.

Das Erstgericht hat in den Entscheidungsgründen schlüssig und mängelfrei begründet, warum es das Gutachten Dris. R*** als für die Wahrheitsfindung ungeeignet ansah (S. 321 f.); daß der Rechtsmittelwerber zur Tatzeit zurechnungsfähig war, stützten die Tatrichter auf das ihnen plausibel, schlüssig und widerspruchsfrei erscheinende Gutachten des Sachverständigen Dr. S***, das in bezug auf die Zurechnungsfähigkeit mit der Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung durchaus im Einklang steht. Die erstgerichtliche Annahme strafrechtlicher Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers ist daher mit Begründungsmängeln nicht behaftet. Aktenwidrig ist das Vorbringen in der Beschwerde, weder aus dem Akteninhalt noch aus den Ausführungen der "Sachverständigenzeugen" ergebe sich, daß Simulationen durch Alois G*** erfolgt seien, denn im schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. S*** (S. 179, 193 und 203), auf welches sich dieser in der Hauptverhandlung ausdrücklich bezogen hat (S. 278), finden sich sehr wohl deutliche Hinweise für eine Simulationstendenz des Nichtigkeitswerbers.

Das Schöffengericht hat festgestellt, daß der Rechtsmittelwerber bei allen Vorfällen am 2.Oktober 1988 unter Alkoholeinfluß stand (S.

317). Damit stehen sowohl die Aussage seiner Gattin Roswitha vor dem

Gendarmerieposten Glanegg (S. 105: "... bemerkte ich sofort, daß

dieser stark alkoholisiert war"), als auch in der Hauptverhandlung

(S. 276: ".... vermittelte er mir keinen stark alkoholisierten

Eindruck") durchaus in Einklang, sodaß insgesamt weder eine

Unvollständigkeit, noch eine Aktenwidrigkeit und auch keine

Widersprüchlichkeit im Sinn des geltend gemachten

Nichtigkeitsgrundes (Z. 5) vorliegt.

Rechtliche Beurteilung

Nach eingehender Prüfung der zur Z. 5 a vorgebrachten Einwände und des Akteninhalts gelangt der Oberste Gerichtshof zur Überzeugung, daß sich gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen - bei Bedacht auf § 258 Abs. 2 StPO - keine erheblichen Bedenken ergeben.

Letztlich sei dem Angeklagten, sofern er auf Widersprüche zwischen dem Gutachten der Sachverständigen Dr. R*** (welches das Erstgericht als unverwertbar abgelehnt hat - S. 321 -) und jenem Dris. S*** verweist, erwidert, daß er es unterlassen hat, in der Hauptverhandlung einen Antrag im Sinn des § 126 Abs. 1 StPO zu stellen. Ein Verstoß gegen § 126 StPO durch Unterlassung der vorgeschriebenen Behebung von Widersprüchen zweier divergierender Sachverständigengutachten kann nämlich nur unter der Voraussetzung des § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO geltend gemacht werden (vgl. 13 Os 153/76).

Auch die zur Gänze nicht begründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO schon in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

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