OGH 7Ob631/89

OGH7Ob631/8920.7.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Christian W***, geboren am 14. Oktober 1983, in Pflege bei seiner Mutter Erika W***, Wien 12., Wienerbergstraße 16-20/32/2, vertreten durch das Bezirksjugendamt für den 4. und 5. Bezirk, Wien 4., Favoritenstraße 18, dieses vertreten durch Dr. Walter Schuppich u.a., Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Erwin R***, Student, Wien 17., Rokitanskygasse 11/12, vertreten durch Dr. Elisabeth Stanek-Noverka, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Vaterschaft, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 15. März 1989, GZ. 43 R 1004/89-129, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 10. Oktober 1988, GZ. 10 C 64/83-123, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.966,40 (darin S 494,40 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 14. Oktober 1983 von Erika W*** unehelich

geborene Kläger begehrt die Feststellung der Vaterschaft des Beklagten, weil dieser seiner Mutter in der kritischen Zeit (16. Dezember 1982 bis 16. April 1983) beigewohnt habe. Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Er habe Erika W*** erst Ende Februar 1983 kennengelernt und ihr in der kritischen Zeit nicht beigewohnt.

Das Erstgericht gab der Klage statt und traf folgende

Feststellungen:

Der Beklagte lernte Erika W*** am 15. Februar 1983

kennen und besuchte mit ihr ein Faschingsfest. Nach dem Ende dieses Festes suchten sie gemeinsam die Wohnung des Beklagten auf, in der es zu einem Geschlechtsverkehr kam. Die geschlechtlichen Beziehungen zwischen dem Beklagten und Erika W*** wurden bis zum 17. März 1983 fortgesetzt. Erika W*** hatte in der

kritischen Zeit mit anderen Männern keinen Geschlechtsverkehr. Der Kläger wog bei seiner Geburt 3000 Gramm und war 48 cm groß, sohin reif und gesund.

Auf Grund der Verteilung der klassischen Blutgruppen, der Rhesusfaktoren, der übrigen Blutfaktoren, der Serumeigenschaften, der Enzymsysteme, der Serumeigenschaft Bf, der isoelektrischen Fokussierung des Enzymsystems der Phosphoglukomutase, des Serumsystems Gc, der Verteilung des Complementsystems C 3, des Alpha-Antitrypsin-Systems Pi, des Transferrinsystems Tf und der HLA-Merkmalsverteilung kann der Beklagte von der Vaterschaft nicht ausgeschlossen werden. Nach der serologischen Untersuchung ergibt sich für den Beklagten eine allgemeine Ausschlußchance von 99,9 % und eine spezielle von 99,99 %; nach der Methode Essen-Möller und Hummel errechnet sich eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,9999 %.

Das Erstgericht kam auf Grund dieser Feststellungen zum Ergebnis, daß dem Beklagten eine Entkräftung der Vermutung des § 163 Abs 1 ABGB nicht gelungen sei. Ein Tragzeitgutachten und ein anthropologisch-erbbiologisches Gutachten seien nicht geeignet, ein serologisches Gutachten zu widerlegen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Beweiswürdigung des Erstgerichtes sei zutreffend. Die vorliegenden Ergebnisse des serologischen Gutachtens ließen eine sichere Unterscheidung zwischen Vätern und Nichtvätern zu. Sie können durch ein anthropologisch-erbbiologisches Gutachten nicht mehr widerlegt werden. Einem Tragzeitgutachten komme gegenüber einem serologischen Gutachten die geringere Aussage- und Beweiskraft zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist nicht begründet.

Der Beklagte macht unter den Revisionsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO geltend, im serologischen Gutachten seien nicht alle nach dem heutigen Stand der Medizin möglichen Systeme überprüft worden, sodaß das Gutachten nicht als vollkommen umfassend bezeichnet werden könne. So sei das sogenannte "DR-System" nicht überprüft worden. Es stelle auch einen Verfahrensmangel dar, daß weder ein Tragzeitgutachten, noch ein anthropologisch-erbbiologisches Gutachten eingeholt worden sei. Zwar ist die Wiederholung der vom Beklagten schon in zweiter Instanz erhobenen Mängelrüge in der vorliegenden Vaterschaftsstreitigkeit, die gemäß Art. V Z 5 UeKindG der Offizialmaxime unterliegt, zulässig. Der Untersuchungsgrundsatz geht jedoch nicht so weit, daß alle erdenklichen Beweise aufgenommen werden müßten. Die Nichtaufnahme weiterer Beweise ist nur dann ein Verfahrensmangel, wenn die Grenzen des pflichtgemäßen richterlichen Ermessens verkannt wurden. Gewiß kann auch mit Hilfe der erbbiologischen Begutachtung der Beweis erbracht werden, daß der Beklagte nicht der Vater des klagenden Kindes ist. Doch kommt diesem Beweismittel erfahrungsgemäß nicht der gleiche Beweiswert wie dem serologischen Ausschluß zu. Bei der vorliegend gegebenen Ausschlußchance des Beklagten ist die Ablehnung der Durchführung weiterer Beweise durch das Berufungsgericht trotz des Untersuchungsgrundsatzes zu billigen.

Dazu kommt, daß die Ablehnung des Beweisantrages auf Einholung weiterer Gutachten auch auf der Überzeugung der Vorinstanzen von der Richtigkeit der eingeholten Gutachten beruht. Die Bekämpfung der auf ihrer Grundlage getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ist als Bekämpfung der Beweiswürdigung auch im Abstammungsverfahren vor dem Revisionsgericht unzulässig.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte