OGH 2Ob30/89

OGH2Ob30/895.7.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter A***, Zahntechniker, Wildfellnerstraße 25, 4910 Ried im Innkreis, vertreten durch Dr. Manfred Pochendorfer, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wider die beklagten Parteien 1) Dr. Christian O***, Rechtsanwalt, Schillerstraße 1, 6020 Innsbruck, 2) Gerwig S***, Neugasse 4 e, 6064 Rum, und 3) V*** DER

Ö*** B***, Praterstraße 1-7, 1010 Wien, alle

vertreten durch Dr. Alexander Hacker, Rechtsanwalt in Salzburg, und den Nebenintervenienten auf Seiten der erst- und zweitbeklagten Partei A***- UND T*** T***, Andechsstraße 81, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr. Herbert Hillebrand, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (S 36.600,-), Revisionsstreitwert S 18.300,- hinsichtlich der erstbeklagten Partei und S 36.600,-- hinsichtlich der drittbeklagten Partei, infolge Revision der erst- und drittbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 19. Dezember 1988, GZ 1 R 177/88-83, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 28.März 1988, GZ 3 Cg 95/86-76, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die erst- und die drittbeklagte Partei sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei an Kosten des Revisionsverfahrens einen Betrag von S 1.697,85 (darin Umsatzsteuer von S 282,98, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen. Darüber hinaus ist die drittbeklagte Partei schuldig, der klagenden Partei an Kosten des Revisionsverfahrens einen weiteren Betrag von S 1.697,85 (darin Umsatzsteuer von S 282,97, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 8.7.1978 kam es auf dem Salzburgring in der Nocksteinkehre zu einem Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Halter und Lenker des Motorrads mit dem Kennzeichen O-28.507 und der Erstbeklagte als Lenker des Motorrads mit dem Kennzeichen T 62.699 beteiligt waren. Der Zweitbeklagte war der Halter, die Drittbeklagte der Haftpflichtversicherer des letztgenannten Kraftfahrzeugs. Beide Fahrzeuge kamen nach einer leichten Kollision zu Sturz. Der Kläger erlitt dabei einen Bruch des 7.Halswirbels und ist seither querschnittgelähmt. Wegen dieses Verkehrsunfalls wurde der Erstbeklagte mit Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 10.4.1980, 16 U 1934/78-24, des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 StGB schuldig erkannt. Es wurde ihm zur Last gelegt, den Kläger dadurch fahrlässig am Körper verletzt zu haben, daß er die Nocksteinkehre für die bestehenden Verhältnisse mit zu hoher Geschwindigkeit befuhr und nach dem Kurvenscheitelpunkt mit dem in gleicher Richtung fahrenden Motorrad des Klägers in Berührung kam. Ein vom Erstbeklagten gegen dieses Urteil erhobenes Rechtsmittel hatte nur bezüglich des Strafausmaßes Erfolg. Die vom Kläger im vorliegenden Rechtsstreit aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall geltend gemachten Leistungsansprüche wurden zwischen ihm und der Drittbeklagten auf der Grundlage einer unpräjudiziellen Verschuldensteilung im Verhältnis von 2 : 3 zu Lasten des Erstbeklagten außergerichtlich erledigt. Gegenstand des Rechtsstreits war zuletzt nur mehr das vom Kläger erhobene Feststellungsbegehren.

Der Kläger begehrte unter ausdrücklicher Einräumung eines ihn treffenden Mitverschuldens von 40 % die Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für 60 % seiner künftigen Schäden aus diesem Unfall, hinsichtlich der Drittbeklagten beschränkt auf die Haftpflichtversicherungssumme. Er brachte im wesentlichen vor, er und der Erstbeklagte hätten am Unfallstag an einem sogenannten Clubtraining des Innsbrucker Motorradclubs teilgenommen, dessen Zweck die Perfektionierung des fahrerischen Könnens unter fachmännischer Anleitung gewesen sei. Er habe die Nocksteinkehre, eine Rechtskurve, auf der Ideallinie von links außen zum Kurvenscheitelpunkt nach innen durchfahren. Mit dieser Fahrlinie, die üblich sei, habe der Erstbeklagte rechnen müssen. Der Erstbeklagte habe die Kurve jedoch innenseitig mit überhöhter Geschwindigkeit angefahren, sodaß er mit seinem Motorrad nach links abgetragen worden und von rückwärts gegen das vom Kläger gelenkte Motorrad gestoßen sei.

Die Beklagten wendeten im wesentlichen ein, den Kläger treffe ein mit 80 % zu bewertendes Mitverschulden. Der Erstbeklagte habe die Nocksteinkehre auf der Ideallinie befahren. Während er nach rechts geschwenkt habe, sei der Kläger am linken Fahrbahnrand vor ihm gefahren und habe plötzlich völlig unerwartet gegen jede Fahrregel und ohne Beobachtung des Nachfolgeverkehrs das Motorrad zur Kurveninnenseite gelenkt. Dadurch sei es zum Zusammenstoß gekommen. Die Drittbeklagte hafte dem Kläger gegenüber nicht, weil der Salzburgring keine Straße mit öffentlichem Verkehr sei und Kraftfahrzeuge, die an einer kraftfahrsportlichen Veranstaltung oder Trainingsfahrt dazu auf einer für den übrigen Verkehr gesperrten Straße teilnähmen, außerhalb des in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung gewährten Versicherungsschutzes stünden.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren des Klägers in Ansehung von 50 % seiner künftigen Unfallschäden statt und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren ab.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Motorradsektion Innsbruck, eine Teilorganisation des T*** A***- UND T***, mietete für den 8.7.1978 den Salzburgring, eine permanente Rennstrecke für Motorräder und Personenkraftwagen, für Übungsfahrten ihrer Mitglieder. Mit Genehmigung des Obmanns Josef V*** konnten auch clubfremde Personen teilnehmen. Der Unkostenbeitrag betrug S 100,--. Sinn der Veranstaltung war, auch Nichtrennsportlern die Möglichkeit zu geben, auf einer gesperrten Rennstrecke zu fahren und die Fahrtechnik zu verbessern. Es ging nicht um die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten, sondern um die Erhöhung der Fahrsicherheit. Es wurde weder Zeit genommen noch erfolgte eine Wertung. Eine besondere Belehrung über das am Salzburgring einzuhaltende Fahrverhalten erfolgte nicht; insbesondere wurden keine Überhol- oder Sicherheitsregeln erklärt. Es hieß nur allgemein, daß nicht gegen die Einbahn gefahren werden dürfe und allfällige Defekte an den Motorrädern durch Handzeichen angezeigt werden müßten. Geschwindigkeitsbeschränkungen wurden nicht ausgesprochen. Zunächst hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, hinter aktiven Rennsportlern nachzufahren, um die optimale Linie zu sehen und das Bremsen zu erlernen. Anschließend konnten sie, eingeteilt in den Hubraum der Motorräder entsprechende Klassen, frei fahren. In der Klasse über 500 cm3 fuhren unter anderen der Kläger, der Erstbeklagte und Helmut M*** sowie Dr. Manfred P***.

Der Salzburgring beschreibt nach der Start-Ziel-Geraden eine langgezogene Linkskurve, an die sich die Nocksteinkehre anschließt. Dabei handelt es sich um eine enge Rechtskurve, welche über 200 Grad führt und einen Kurvenradius von 60 m hat. Die Kurvenlänge beträgt an der Innenseite 270 m und an der Außenseite 311 m. Die Querneigung der Fahrbahn zur Innenseite beträgt maximal 15 %. Die Fahrbahn ist am Beginn der Nocksteinkehre 9,8 m breit, am Scheitelpunkt 13 m, und wird dann wieder schmäler.

Der Kläger und Dr. P*** nahmen die Fahrt nach dem Start der schnelleren Fahrer auf. Der Kläger hielt ein für die Rennstrecke eher langsameres Tempo ein, um dem nachfahrenden Dr. P*** die seiner Meinung nach zu befahrende Ideallinie zu zeigen. Nach drei oder vier Runden näherten sich beide wieder der Nocksteinkehre. Hinter ihnen fuhr Helmut M***. Der Erstbeklagte, der wesentlich schneller unterwegs war, schloß etwa am Beginn der Linkskurve vor der Nocksteinkehre auf die drei Motorräder auf und überholte zunächst Helmut M***. Etwa 15 m vor Beginn der Nocksteinkehre überholte er auch, nachdem er das Motorrad aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von etwa 200 km/h abgebremst hatte, den am äußersten linken Fahrbahnrand fahrenden Dr. P***. Als sich der Erstbeklagte im Zuge dieses Überholmanövers etwa auf der Höhe des Motorrads des Dr. P*** befand, sah er den Kläger mit seinem Motorrad etwa 40 m vor diesem, jedoch seitlich nach links versetzt. Bereits ab dem Überholen zog der Erstbeklagte sein Motorrad kontinuierlich nach rechts zur Kurveninnenseite hin. Seine Geschwindigkeit betrug zu diesem Zeitpunkt etwa 90 bis 100 km/h. Der Kläger hielt eine Geschwindigkeit von 70 bis 80 km/h ein. Auch er hatte die Kurve links außen angefahren und dann, ohne zurückzublicken und die nachfolgenden Motorräder zu beachten, den linken Fahrbahnrand verlassen, um kontinuierlich in Richtung Kurveninnenseite zu gelangen. Er hatte jedoch das Rechtslenkmanöver aus einer Position weiter links außen und auch räumlich und zeitlich später als der Erstbeklagte eingeleitet. Die genaue Fahrlinie des Klägers in der Nocksteinkehre ist ungeklärt.

Als der Erstbeklagte bemerkte, daß der Kläger zur Kurveninnenseite fuhr, betrug der Abstand zwischen den Fahrzeugen in Längsrichtung noch etwa 17 m. Für den Erstbeklagten war dieses Fahrmanöver des Klägers von Anfang an bedenklich, sodaß er vom Gas wegging, aber nicht bremste. Sein Motorrad befand sich bereits in größtmöglicher Schräglage. Als der Abstand zwischen den beiden Motorrädern kritisch wurde, hupte er. Der Kläger, der einen Vollvisierhelm trug, hörte das Hupen nicht.

Da der Erstbeklagte offenbar die Relativbewegung der Motorräder falsch einschätzte, kam es etwa 3 Sekunden, nachdem er das Rechtslenkmanöver des Klägers bemerkt hatte, in einem Abstand von etwa 1,5 bis 2 m zum rechten Fahrbahnrand zu einer geringfügigen Überdeckung der Motorräder in Längsrichtung und gleichzeitig zu einer leichten Streifung. Zu diesem Zeitpunkt bestand kein nennenswerter Geschwindigkeitsunterschied zwischen den beiden Motorrädern mehr. Durch die Berührung kam der Erstbeklagte zu Sturz; das Motorrad des Klägers kam nach links ab und prallte gegen die Leitschiene.

Bei der Nocksteinkehre führt die Ideallinie vom linken Straßenrand zum kurveninnenseitig gelegenen Fahrbahnrand, der im Bereich des Scheitelpunktes erreicht wird, und von dort bis zum Ende der Kurve wieder mehr oder weniger weit nach außen. In der Praxis kann die Ideallinie jedoch verschieden verlaufen; auch Rennfahrer halten unterschiedliche Fahrlinien ein. Unter diesen Gesichtspunkten war weder die Fahrlinie des Klägers noch die des Erstbeklagten außergewöhnlich oder atypisch. Die Grenzgeschwindigkeit beim Durchfahren der Nocksteinkehre liegt bei etwa 110 km/h. Dem Kläger wäre es bei der von ihm eingehaltenen Geschwindigkeit gefahrlos möglich gewesen, durch eine Kopfdrehung die Situation hinter ihm zu beobachten. Dabei hätte er erkennen können, daß sich der Erstbeklagte mit höherer Geschwindigkeit von rückwärts näherte und ein Überholmanöver in der Nocksteinkehre in Betracht kommen konnte. Es wäre für ihn abschätzbar gewesen, daß im Bereich der engen Kurve eine kritische Annäherung enstehen konnte, wenn beide Fahrer die Ideallinie für sich in Anspruch nahmen. Nach dem Verlassen des linken Fahrbahnrands hatte der Kläger keine Abwehrmöglichkeit mehr, weil er damit beschäftigt war, seine Ideallinie zu suchen. Der Erstbeklagte hätte den Anstoß vermeiden können, wenn er nach Wahrnehmung der Rechtsbewegung des vom Kläger gelenkten Motorrads nicht nur vom Gas weggegangen wäre, sondern zusätzlich leicht gebremst hätte. Eine leichte Bremsung wäre ohne Gefahr einer Instabilität des Fahrzeugs und unter Beibehaltung der Fahrlinie fahrtechnisch möglich gewesen. Als für den Erstbeklagten erkennbar war, daß es zwangsläufig zu einer Überdeckung zwischen den Motorrädern kommen würde, war eine unfallverhütende Reaktion nicht mehr möglich.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, das Verschulden des Erstbeklagten stehe auf Grund seiner strafgerichtlichen Verurteilung fest. Die Drittbeklagte hafte nach § 59 Abs 5 KFG in Verbindung mit Art 25 Abs 2 AKHB. Der Salzburgring sei zwar keine Straße mit öffentlichem Verkehr. Nach § 59 Abs 5 KFG sei aber bei Schadensereignissen auf Landflächen, die nicht Straßen mit öffentlichem Verkehr seien, § 63 KFG anzuwenden, wenn der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsvertrag solche Schadensereignisse umfasse. Das sei nach Art 25 Abs 2 AKHB der Fall. Um eine kraftfahrsportliche Veranstaltung, die vom Versicherungsschutz ausgenommen sei, habe es sich nicht gehandelt. Bei der Gegenüberstellung des beiderseitigen Fehlverhaltens der Beteiligten könne nicht gesagt werden, daß das Verschulden des einen oder anderen überwiege, sodaß eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 vorzunehmen sei.

Dieses Urteil des Erstgerichts wurde sowohl vom Kläger als auch von den Beklagten mit Berufung bekämpft.

Bezüglich des Zweitbeklagten vereinbarten die Streitteile in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 19.12.1988 Ruhen des Verfahrens. Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung des Erstbeklagten und der Drittbeklagten keine Folge; hingegen gab es der Berufung des Klägers Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, daß es dem Feststellungsbegehren des Klägers gegenüber dem Erstbeklagten und der Drittbeklagten zur Gänze (also in Ansehung von 60 % seiner künftigen Unfallschäden) stattgab. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstands, über den es entschieden hat, im abändernden Teil S 15.000,--, im bestätigenden Teil S 60.000,-- und insgesamt S 300.000,-- übersteigt.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, es sei nicht strittig, daß beide Lenker ein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls treffe. Es habe sich im vorliegenden Fall zwar um keine Rennveranstaltung gehandelt, aber doch um Trainingsfahrten mit einem gewissen sportlichen Charakter, weil die Teilnehmer ihr fahrerisches Können verbessern hätten wollen. Dazu seien sie vorerst hinter Rennfahrern auf der sogenannten Ideallinie nachgefahren und hätten sodann den Rundkurs allein durchfahren. Bestimmte Fahrregeln mit Ausnahme der Fahrrichtung seien nicht aufgestellt worden. Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung, insbesondere diejenigen des § 20 Abs 2 StVO über die Fahrgeschwindigkeit oder der §§ 11 udn 12 StVO über den Fahrstreifenwechsel, die hier in Betracht kommen könnten, seien nach dem Sinn der Fahrveranstaltung von den Teilnehmern sicher nicht zu beachten gewesen. Keiner der beiden Motorradlenker habe eine außergewöhnliche oder atypische Fahrlinie eingehalten. Ein Verstoß gegen irgendwelche Vorschriften oder bestimmte Fahrregeln könne den Beteiligten daher nicht vorgeworfen werden.

Das höhere Maß an erlaubter Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit, das schon durch die Teilnahme an derartigen Veranstaltungen bedingt sei, verlange jedoch eine erhöhte Beherrschung der vorzunehmenden Tätigkeiten. Der Kläger habe die Nocksteinkehre mit einer relativ geringen Geschwindigkeit auf einer allgemein üblichen Linie, die vom linken Fahrbahnrand zur Kurveninnenseite geführt habe, befahren. Ein Verschulden könne ihm nur insofern angelastet werden, als er nicht nach rückwärts geblickt habe, bevor er das Motorrad nach rechts gezogen habe. Hätte er das getan, dann hätte er den mit erheblich höherer Geschwindigkeit nachfolgenden Erstbeklagten wahrnehmen können und mit einer gefährlichen Situation im Scheitelpunkt der Kurve rechnen müssen. Nach dem Verlassen des linken Fahrbahnrands habe der Kläger den Unfall nicht mehr abwenden können.

Der Erstbeklagte habe eine weitaus höhere Geschwindigkeit als der Kläger eingehalten und die Verminderung des Tiefenabstands infolge des Geschwindigkeitsunterschieds unterschätzt. Obwohl er erkannt habe, daß durch das Fahrmanöver des Klägers eine bedenkliche Lage entstehen konnte, habe er nur das Gas weggenommen und gehupt. Er hätte nur leicht zu bremsen brauchen, um den Unfall zu verhindern, ohne sich dabei selbst zu gefährden. Eine solche Abwehrmaßnahme sei von ihm auch beim Durchfahren der Kurve zu fordern gewesen. Er habe dies aber nicht getan und sei damit das Risiko eingegangen, zum Motorrad des Klägers aufzuschließen und mit diesem allenfalls im Scheitelpunkt der Kurve zu kollidieren. Das Fahrverhalten der Beteiligten lasse einen höheren Grad an Fahrlässigkeit auf der Seite des Erstbeklagten erkennen, weil für ihn leichter als für den Kläger einsichtig gewesen sei, daß es zu einem Unfall kommen könnte, und er die Gefahr erkannt und trotzdem keine wirkungsvolle Abwehrmaßnahme gesetzt habe. In erster Linie sei für die Berührung der Motorräder und den dadurch verursachten Sturz des Klägers die Tatsache entscheidend gewesen, daß der Erstbeklagte die Geschwindigkeit des von ihm gelenkten Fahrzeugs nicht der des langsamer vor ihm fahrenden Klägers angepaßt habe. Der Erstbeklagte habe daher bei der nach § 1304 ABGB vorzunehmenden Schadensteilung einen größeren Anteil als der Kläger zu tragen. Wenn der Kläger 60 % seines Schadens ersetzt verlange, sei ein solches Begehren gerechtfertigt.

Die Rechtsansicht des Erstgerichts, daß es sich beim Salzburgring um keine Straße mit öffentlichem Verkehr handle, die Drittbeklagte dem Kläger aber im Rahmen des Versicherungsvertrags dennoch hafte, treffe zu. Umfasse die nach § 59 Abs 1 KFG geschlossene Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung auch Schadensereignisse auf Landflächen, die nicht Straßen mit öffentlichem Verkehr seien, so seien gemäß § 59 Abs 5 KFG der § 63 KFG und in dem dort festgesetzten Umfang die Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes 1958 über die Pflichtversicherung auch auf diese Schadensereignisse anzuwenden. Diese durch die KFG-Novelle 1971 eingefügte Bestimmung solle den Schutz der gesetzlichen Pflichtversicherung auch auf Schadensereignisse auf Straßen ohne öffentlichen Verkehr ausdehnen. Nach Art 25 Abs 2 AKHB erfasse die Versicherung auch Schadensereignisse, die nicht auf Straßen mit öffentlichem Verkehr eintreten. Die Verwendung des Kraftfahrzeugs bei einer kraftfahrsportlichen Veranstaltung, bei der es auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankomme, und bei den Trainingsfahrten dazu auf einer für den übrigen Verkehr gesperrten Straße sei jedoch für die Dauer einer solchen Veranstaltung von der Versicherung ausgeschlossen. Dem könnten jedoch die von den Teilnehmern des T*** A***- UND T*** veranstalteten Übungsfahrten, an denen der Kläger und der Erstbeklagte teilgenommen hätten, nicht unterstellt werden. Die Fahrten seien weder darauf ausgerichtet gewesen, eine bestimmte Höchstgeschwindigkeit zu erzielen, noch habe es eine Zeitmessung gegeben. Es sei vielmehr darum gegangen, das Fahrkönnen mit Motorrädern zu vervollständigen. Ein Risikoausschluß liege daher nicht vor, sodaß auch die Drittbeklagte dem Kläger für den erlittenen Schaden im Rahmen des für das vom Erstbeklagten gelenkte Motorrad abgeschlossenen Versicherungsvertrags hafte.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Erst- und der Drittbeklagten. Die Drittbeklagte bekämpft sie ihrem gesamten Inhalt nach, der Erstbeklagte insoweit, als seine Haftung für mehr als 30 % der künftigen Schäden des Klägers aus diesem Verkehrsunfall festgestellt wurde, aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Haftung des Erstbeklagten lediglich für 30 % der künftigen Unfallschäden des Klägers festgestellt, gegenüber der Drittbeklagten das Klagebegehren aber abgewiesen werde. Hilfsweise beantragen sie die Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, daß die Haftung des Erst- und der Drittbeklagten zur ungeteilten Hand lediglich für 50 % der künftigen Unfallschäden des Klägers festgestellt werde; in eventu stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstands, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig, sachlich aber nicht berechtigt.

Was zunächst die Frage der Verschuldensteilung anlangt, bekämpfen die Revisionswerber nicht die Richtigkeit der zutreffenden Rechtsansicht des Berufungsgerichts, daß im Hinblick auf die Art der Veranstaltung auf dem für den übrigen Verkehr gesperrten Salzburgring, an der der Kläger und der Erstbeklagte teilnahmen, die Teilnehmer nicht zur Einhaltung der in der Straßenverkehrsordnung einzelnen normierten Verkehrsregeln gehalten waren (vgl § 1 Abs 2 StVO), daß von ihnen aber die erforderliche Beherrschung ihrer Tätigkeit unter Anwendung des im § 1299 ABGB normierten Sorgfaltsmaßstabs verlangt werden muß, wozu in besonderem Maße die Vermeidung von Kollisionen zählt (siehe dazu Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 9 zu § 1297 mwN).

Unter diesem Gesichtspunkt ist nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen dem Kläger zweifellos anzulasten, daß er sich, bevor er sein Motorrad beim Befahren der Nocksteinkehre nach rechts zog, nicht davon überzeugte, ob er mit diesem Fahrmanöver nachkommende schnellere Fahrer gefährdete; dem gegenüber liegt dem Erstbeklagten zur Last, daß er als der nachkommende schnellere Fahrer trotz rechtzeitigen Erkennens dieses Fahrmanövers des Klägers keine ihm zumutbare geeignete Abwehrmaßnahme traf, um die drohende Kollision zu vermeiden, sondern sich mit bloßem (ungenügenden) Gaswegnehmen und mit einem (für den Kläger nicht wahrnehmbaren) Hupsignal begnügte.

Nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei der Verschuldensteilung entscheidend auf den Grad der Fahrlässigkeit der Beteiligten, die Größe und Wahrscheinlichkeit der durch ihr schuldhaftes Fehlverhalten bewirkten Gefahr und die Wichtigkeit der verletzten Vorschrift für die Sicherheit des Verkehrs im allgemeinen und im konkreten Fall an (ZVR 1988/97 mwN uva).

Wenn nun auch im vorliegenden Fall keineswegs zu übersehen ist, daß der Kläger als der langsamere Fahrer durch Unterlassung eines Rückblicks vor dem Rechtszug seines Motorrads bei Durchfahren der Nocksteinkehre das den Unfall einleitende Fehlverhalten setzte, liegt doch im festgestellten Fahrverhalten des Erstbeklagten, der auf den vor ihm fahrenden langsameren Fahrer keinesfalls in einer ihm zumutbaren Weise unfallverhütend reagierte, sondern trotz erkannter Gefahr so weiterfuhr, daß er letztlich mit dem Motorrad des Klägers kollidierte, ein so hohes Maß an Rücksichtslosigkeit und Leichtsinn, daß in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Verschuldensteilung im Verhältnis von 2 : 3 zu Lasten des Erstbeklagten ein Rechtsirrtum nicht erkannt werden kann. Es ist aber der Revision der Drittbeklagten auch insoweit nicht zu folgen, als sie ein direktes Klagerecht des Klägers gegen sie verneint.

Gemäß § 63 Abs 1 KFG (dieses Gesetzeszitat und die folgenden beziehen sich auf die jeweils zur Unfallszeit geltende Fassung) konnte der geschädigte Dritte den ihm gegen einen durch eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung Versicherten zustehenden Schadenersatzanspruch im Rahmen des betreffenden Versicherungsvertrags auch gegen den Versicherer geltend machen. Gemäß § 59 Abs 5 KFG waren, wenn die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung auch Schadensereignisse auf Landflächen, die nicht Straßen mit öffentlichem Verkehr waren, umfaßte, der § 63 KFG und in dem dort festgesetzten Umfang die Bestimmungen des VVG 1958 über die Pflichtversicherung auch auf diese Schadensereignisse anzuwenden. Der mit der KFG-Novelle 1971 eingeführte Abs 5 des § 59 KFG hatte den erklärten Zweck, den Schutz der gesetzlichen Pflichtversicherung unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Schadensereignisse auf Straßen ohne öffentlichen Verkehr auszudehnen (Soche in ZVR 1971,231; Dittrich-Veit-Veit; Kraftfahrrecht2 Anm zu § 59 Abs 5; 4 Ob 35/78). Gemäß Art 1 Abs 1 AKHB 1967 umfaßte die Versicherung die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Ersatzansprüche, wenn durch die Verwendung des Fahrzeugs gemäß dem § 1 Abs 1 KFG (auf Straßen mit öffentlichem Verkehr) ein Schaden verursacht wurde. Gemäß Art 25 Abs 2 AKHB 1967 umfaßte die Versicherung aber auch Schadensereignisse, die nicht auf Straßen mit öffentlichem Verkehr eintraten; lediglich die Verwendung des Kraftfahrzeugs bei einer kraftfahrsportlichen Veranstaltung, bei der es auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankam, und ihren Trainingsfahrten auf einer für den übrigen Verkehr gesperrten Straße war für die Dauer einer solchen Veranstaltung von der Versicherung ausgeschlossen.

Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, das direkte Klagerecht des Klägers gegen die Drittbeklagte, es sei denn, daß die im zweiten Halbsatz des Art 25 Abs 2 AKHB 1967 normierten Voraussetzungen für den Ausschluß von der Versicherung vorlägen. Dies wurde aber vom Berufungsgericht mit Recht verneint, weil es sich nach den getroffenen Feststellungen nicht um eine Trainingsfahrt für eine kraftfahrsportliche Veranstaltung, bei der es auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit angekommen wäre, handelte, sondern um eine Fahrt im Rahmen einer Veranstaltung, die nur der Perfektionierung des Fahrkönnens der Teilnehmer diente.

Entgegen den Revisionsausführungen ist daher auch in der Bejahung des direkten Klagerechts des Klägers gegenüber der Drittbeklagten ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen.

Der Revision des Erst- und der Drittbeklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 46 Abs 1, 50 ZPO.

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