OGH 9ObA138/89

OGH9ObA138/8928.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Martin Meches und Rudolf Randus als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Franz N***, Hilfsarbeiter, Fresing, Höch 92, vertreten durch Dr. Kurt Klein und Dr. Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei U*** HOCH- UND T*** AG, Wien 1., Renngasse 6, vertreten durch Dr. Otto Pichler, Rechtsanwalt in Wien, wegen 116.423,64 S brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Jänner 1989, GZ 7 Ra 99/88-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. August 1988, GZ 34 Cga 88/88-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.172,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.028,70 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der beklagten Partei, einer Bauunternehmung, ab 4. Februar 1972 als Hilfsarbeiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete am 11. Dezember 1987 durch Kündigung seitens des Arbeitgebers. Am 20. April 1988 ersuchte der Kläger die beklagte Partei schriftlich um Auszahlung der Abfertigung. Der Kläger begehrt von der beklagten Partei die Zahlung des der Höhe nach unbestrittenen Betrages von 116.423,64 S brutto sA aus dem Rechtsgrund der Abfertigung nach § 2 ArbAbfG (iVm § 23 AngG). Dem Kläger stehe ein Abfertigungsanspruch von 6 Monatsentgelten zu, wovon lediglich 3 Monatsentgelte sofort fällig geworden seien. Der Kläger habe innerhalb der kollektivvertraglichen Verfallsfrist um Auszahlung der Abfertigung ersucht.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Am 1.Oktober 1987 sei das Bauarbeiterurlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG) in Kraft getreten. Der Kläger habe am 11.Dezember 1987 die Voraussetzungen dieses Gesetzes für einen Abfertigungsanspruch nicht erfüllt; ein allenfalls bestehender Abfertigungsanspruch sei nicht gegen die ehemalige Arbeitgeberin, sondern gegen die Urlaubs- und Abfertigungskasse der Bauarbeiter zu richten. Nach den rückwirkend am 1.Oktober 1987 geltenden Bestimmungen dieses Gesetzes stünde dem Kläger auch kein Anspruch gegen die Urlaubs- und Abfertigungskasse zu, weil keiner der in Art. I Z 10 Abschnitt III § 13 a Abs 1 Z 1 bis 6 BUAG genannten Fälle vorliege.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß gemäß Art. V Abs 6 BUAG Arbeitgeber nur Anspruch auf Refundierung der von ihnen geleisteten Abfertigungen hätten, wenn die Abfertigungsansprüche in der Zeit vom 1.Oktober 1987 bis zum Zeitpunkt der Kundmachung des Gesetzes am 23.Dezember 1987 entstanden seien und die Ansprüche nach dem ArbAbfG und den kollektivvertraglichen Bestimmungen geltend gemacht worden seien. Der Kläger habe die nach § 13 Z 6 des Kollektivvertrages für Bauindustrie und Baugewerbe erst 120 Tage nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig gewordene Abfertigung erstmals mit Schreiben vom 20. April 1988 geltend gemacht, so daß die Voraussetzungen für die Refundierung nach der obzitierten Bestimmung nicht gegeben seien. Der Kläger müsse seine Ansprüche bei der Urlaubs- und Abfertigungskasse der Bauarbeiter geltend machen. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Ersturteil im Sinne des Klagebegehrens ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger einen Abfertigungsanspruch nach dem ArbAbfG iVm § 23 Abs 1 AngG gehabt habe. Das BUAG sei rückwirkend in Kraft getreten und habe die bisher dem ArbAbfG unterliegenden Arbeitsverhältnisse vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen. Dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche es, Arbeitgeber oder Arbeitnehmer verschieden zu behandeln, je nach dem, ob der Abfertigungsanspruch noch vor dem 23. Dezember 1987 erfüllt worden sei oder nicht. Darüber hinaus sei der Abfertigungsanspruch des Klägers vor Kundmachung des BUAG bereits entstanden. Eine nachträgliche Beseitigung dieses Forderungsrechtes sei als Enteignung anzusehen, die nur dann erfolgen dürfe, wenn sie im öffentlichen Interesse geboten sei. Ein Bedarf nach Entfall der in der Rückwirkungszeit entstandenen Abfertigungsansprüche sei nicht ersichtlich; es wäre nur erforderlich gewesen, die betreffenden Bauarbeiter aus der Abfertigungsregelung nach der neuen Rechtslage ausdrücklich auszunehmen. Die nur die Refundierung regelnde Bestimmung des Art. V Abs 6 BUAG unterstelle, daß nach dem 1. Oktober 1987, ja sogar noch nach dem 23.Dezember 1987 auf das ArbAbfG und die kollektivvertraglichen Regelungen im Baubereich gegründete Abfertigungsansprüche entstanden sein konnten. Bei verfassungskonformer, dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz und dem Eigentumsschutz entsprechender Auslegung ergebe sich, daß Abfertigungsansprüche, die nach alter Rechtslage auch nach dem 1.Oktober 1987 bis zu bestimmten im Gesetz genannten Zeitpunkten entstehen konnten, auch nach dem 1.Oktober 1987 noch gegen den Arbeitgeber und nicht gegen die Urlaubs- und Abfertigungskasse der Bauarbeiter zu richten seien. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen, daß er, ohne daß dies durch das öffentliche Wohl geboten wäre, in bereits entstandene Rechte eingreifen will. Dem Ausschußbericht 382 BlgNR. 17. GP ist zu entnehmen, daß mit dem BUAG eine speziell auf die Verhältnisse in der Bauwirtschaft zugeschnittene Regelung geschaffen werden sollte, um den Arbeitnehmern trotz der branchenüblichen Unterbrechungen der Arbeitsverhältnisse den Erwerb eines gesetzlichen Abfertigungsanspruches zu ermöglichen. Abweichend von der bisherigen Rechtslage entsteht nach dem BUAG ein Abfertigungsanspruch nicht schon dann, wenn ein Arbeitsverhältnis nach entsprechender Dauer aufgelöst wird, sondern gemäß § 13 a Abs 1 Z 6 BUAG erst dann, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung des letzten Arbeitsverhältnisses mindestens 12 Monate in keinem Arbeitsverhältnis mehr steht, auf das die Abfertigungsbestimmungen dieses Gesetzes anzuwenden sind. Mit der Übergangsbestimmung des Art. V Abs 6 BUAG wurde dem Umstand Rechnung getragen, daß das am 23.Dezember 1987 kundgemachte Gesetz rückwirkend ab 1.Oktober 1987 in Kraft trat. Diese Bestimmung regelt den Refundierungsanspruch der dem BUAG unterliegenden bzw. gemäß Art. V Abs 2 und3 BUAG auf Grund eines binnen 3 bzw. 9 Monaten nach Kundmachung zu stellenden Antrages mit ihren Arbeitnehmern einzubeziehenden Arbeitgeber für jene Abfertigungsansprüche, die in der Zeit vom 1.Oktober 1987 bis zur Kundmachung des Gesetzes am 23. Dezember 1987 bzw. dem Zeitpunkt der späteren Einbeziehung der Arbeitnehmer des Unternehmens in die Abfertigungsregelung entstanden sind und vom Arbeitnehmer nach altem Recht (ArbAbfG und Kollektivvertrag) geltend gemacht wurden. Der Refundierungsanspruch ist begrenzt mit der nach neuem Recht gebührenden Abfertigung. Dieser Übergangsregelung ist zu entnehmen, daß ungeachtet des rückwirkenden Inkrafttretens des Gesetzes die bis zu seiner Kundmachung - oder bei den erst nachher einzubeziehenden Arbeitnehmer des Unternehmens auch bis zu einem späteren Zeitpunkt - entstandenen Abfertigungsansprüche nach Wahl des Arbeitnehmers auch nach altem Recht geltend gemacht werden können und vom Arbeitgeber - gegen Refundierung durch die Urlaubs- und Abfertigungskasse - zu leisten sind. Aus dem im ersten Absatz der Übergangsbestimmung gebrauchten Ausdruck "haben Anspruch auf Refundierung der von ihnen geleisteten Abfertigungen durch die Urlaubs- und Abfertigungskasse" läßt sich lediglich entnehmen, daß der Refundierungsanspruch die Erbringung der Leistung durch den Arbeitgeber voraussetzt und nicht schon mit der Leistungspflicht des Arbeitgebers entsteht; hingegen bietet die Bestimmung keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß sich die Refundierungsregelung nur auf im Zeitraum vom 1.Oktober 1987 bis 23.Dezember 1987 erbrachte Leistungen beziehen sollte. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin läßt sich auch aus Art. V Abs 5 BUAG kein Argument gegen diese Lösung gewinnen. Wurde dem Arbeitnehmer durch Art. V Abs 6 BUAG für die im Übergangszeitraum nach Inkrafttreten des Gesetzes entstandenen Abfertigungsansprüche die Möglichkeit eingeräumt, zwischen der Regelung nach altem und allenfalls günstigerem neuen Recht zu wählen, ist auf die vor Inkrafttreten des Gesetzes entstandenen Abfertigungsansprüche ausschließlich altes Recht anzuwenden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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