OGH 4Ob79/89

OGH4Ob79/8927.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***-Verlag Gesellschaft mbH & Co, Wien 19., Muthgasse 2, vertreten durch Dr.Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*** Steirische Verlagsanstalt, Graz, Schönaugasse 64, vertreten durch Dr.Heinrich Kammerlander, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 500.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 28.November 1988, GZ 4 b R 97/88-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 27. Juni 1988, GZ 19 Cg 562/87-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:

"Das Klagebegehren des Inhaltes,

1. die beklagte Partei sei schuldig, ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes die Durchführung von Abonnentenwerbeaktionen in der Form zu unterlassen, daß Interessenten die Möglichkeit geboten wird, die periodische Druckschrift "Kleine Zeitung" zum Zweck des Kennenlernens und Prüfens oder Testens für die Dauer einer Probezeit unentgeltlich nach Abschluß einer Abonnementverpflichtung zu beziehen, wenn diesen Interessenten ein Werbegeschenk in Form einer Original K 110 ET Pocket-Kamera mit eingebautem Blitz und Teleobjektiv oder ein anderes ähnlich wertvolles Geschenk angekündigt, in Aussicht gestellt oder übergeben wird und ohne weitere Kündigung des Abonnementvertrages durch die Interessenten mit dem Ablauf der Probezeit ein entgeltlicher Abonnementvertrag als vereinbart gilt;

2. der klagenden Partei werde die Ermächtigung erteilt, den stattgebenden Teil des über diese Klage ergehenden Urteilsspruchs binnen 3 Monaten nach Rechtskraft des Urteiles auf Kosten der beklagten Partei in den periodischen Druckschriften "Neue Kronen Zeitung" und "Kleine Zeitung" zu veröffentlichen, und zwar im redaktionellen Teil, in einem schwarz-gerahmten Kasten mit fettgedruckter Überschrift "Im Namen der Republik!" und gesperrt gedruckten Prozeßparteien, wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 114.717,18 S bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin 10.104,43 S Umsatzsteuer und 18.000 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Medieninhaberin und Verlegerin der "Neuen Kronen Zeitung", die in der Steiermark in Form der Mutationsausgabe "Steirer Krone" und in Kärnten in Form der Mutationsausgabe "Kärntner Krone" erscheint. Die Beklagte ist Medieninhaberin und Verlegerin der periodischen Druckschrift "Kleine Zeitung" mit dem Hauptverbreitungsgebiet Steiermark und Kärnten.

In der "An einen Haushalt" gerichteten und tatsächlich an jeden Haushalt versandten Sonderausgabe der "Kleinen Zeitung" vom 30. September 1987 kündigte die Beklagte folgendes an:

Abbildung nicht darstellbar!

Die Rückseite des "Abo-Gutscheins" hatte folgendes Aussehen:

Abbildung nicht darstellbar!

Darunter war zu lesen:

1 MONAT LANG GRATIS

DIE K*** Z***

1 OLYMPUS K 110 ET

PENTAX CAMERA.

Mit der Behauptung, daß diese Werbeankündigung wettbewerbswidrig sei und insbesondere gegen §§ 1 und 2 UWG bzw. gegen das Zugabengesetz verstoße, begehrt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes die Durchführung von Abonnentenwerbeaktionen in der Form zu unterlassen, daß Interessenten die Möglichkeit geboten wird, die periodische Druckschrift "Kleine Zeitung" zum Zweck des Kennenlernens und Prüfens oder Testens für die Dauer einer Probezeit unentgeltlich nach Abschluß einer Abonnementverpflichtung zu beziehen, wenn diesen Interessenten ein Werbegeschenk in Form einer Original K 110 ET Pocket-Kamera mit eingebautem Blitz und Teleobjektiv oder ein anderes ähnlich wertvolles Geschenk angekündigt, in Aussicht gestellt oder übergeben wird und ohne weitere Kündigung des Abonnementvertrages durch die Interessenten mit dem Ablauf der Probezeit ein entgeltlicher Abonnementvertrag als vereinbart gilt; ferner stellt die Klägerin ein Veröffentlichungsbegehren. Die Werbeaktion der Beklagten verstoße gegen die guten Sitten, weil jeder, der davon Gebrauch mache, zunächst eine Bezugsverpflichtung übernehme. Beziehe er dann durch mehrere Wochen täglich die Zeitung der Beklagten, dann trete eine Gewöhnung daran ein. Ein nicht unerheblicher Teil der Interessenten werde aus Vergeßlichkeit oder Nachlässigkeit auf das rechtzeitige Abbestellen des Abonnements vergessen, zumal damit in der Regel Mühe und Auslagen verbunden seien. Manchen Interessenten werde es überdies peinlich sein, die Bestellung wieder zu stornieren, weil sie deshalb allenfalls als Schmarotzer gebrandmarkt werden könnten. Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Aus dem Text des "Abo-Gutscheines" ergebe sich eindeutig, daß eine formlose schriftliche Abbestellung ohne persönlichen Kontakt mit Organen der Beklagten vorgesehen sei, bevor es noch zum entgeltlichen Bezug der "Kleinen Zeitung" komme. Psychischer Kaufzwang werde daher nicht ausgeübt; der Kamerabezug bedeute auch kein Lockangebot. Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Er stellte folgenden Sachverhalt fest:

Am 30. September 1987 kostete ein 6-Tage-Abonnement der "Kleinen Zeitung" monatlich im voraus S 137, ein 6-Tage-Jahresabonnement S 1.500, ein 7-Tage-Abonnement monatlich im voraus S 159 und ein 7-Tage-Jahresabonnement S 1.704. Jetzt kostet ein 6-Tage-Abonnement monatlich im voraus S 147 und für ein Jahr S 1.600, ein 7-Tage-Abonnement monatlich im voraus S 170 und für ein Jahr S 1.800.

Die Steiermark hat rund 1,2 Millionen Einwohner. Nach der Optima-Analyse beträgt die Reichweite der "Kleinen Zeitung" 37 %, jene der "Neuen Kronen Zeitung" 40 %.

Das von der Beklagten als "wertvolle Camera" angepriesene Geschenk hat einen Handelswert von 298 S. Es wurde den Abonnenten in den "nächsten Wochen" nach Beginn des Probebezuges, etwa knapp vor Ablauf der Probezeit, zugesandt.

Der Zweck der beanstandeten Werbemaßnahme war es, weitere Abonnenten zu gewinnen. Nach internen Untersuchungen der Klägerin sind 30 % der Stornierungen des Bezuges der "Steirer Krone" auf die in Rede stehenden Werbemaßnahmen der Beklagten in Verbindung mit der Hingabe eines als wertvoll angepriesenen Geschenks zurückzuführen. Rund 70 % der Bezieher der Pocket-Kamera teilten der Beklagten mit, daß sie die Zeitung nicht weiterbeziehen wollten. Von den restlichen 30 % wurde ein Sechstel mit der Zahlung der Abonnementgebühr säumig; diese Personen werden sodann von Außendienstmitarbeitern der Beklagten aufgesucht. Sonst erfolgt in der Regel keine persönliche Kontaktaufnahme zwischen der Beklagten und den (ehemaligen) Probeabonnenten. Nach einer internen Statistik der Beklagten geben 5,23 % aller Personen, die die "Kleine Zeitung" abbestellt haben, an, daß sie eine andere Zeitung bezögen. Rechtlich meinte der Erstrichter, die als "Dankeschön für das Interesse" angepriesene und innerhalb der Probezeit übersandte Kamera sei ein Lockangebot, das geeignet sei, den Blick der Kunden zu trüben und sie aus sachfremden Gründen zur Bestellung des Zeitungsabonnements zu bestimmen; das Übersenden dieses Geschenkes setze auch die Hemmschwelle zur Abgabe der allenfalls beabsichtigten Widerrufserklärung deutlich hinauf, weil ein Teil der neu gewonnenen Abonnenten es als peinlich empfinde, die "Kleine Zeitung" nicht mehr zu beziehen, sondern nur das Geschenk zu behalten und damit als "Schmarotzer" zu erscheinen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteige. Die beanstandete Werbeaktion sei geeignet gewesen, einen moralischen Kaufzwang hervorzurufen. Wieviele Kunden tatsächlich von ihrem Recht auf Abbestellung der "Kleinen Zeitung" Gebrauch gemacht hätten, sei nicht wesentlich; für die rechtliche Beurteilung maßgebend sei nur die objektive Betrachtung eines redlichen Verbrauchers. In der rechtlichen Beurteilung des Erstrichters, daß sich jeder redliche Verbraucher, der nach Empfang von Gratisleistungen im Wert von rund 450 S nicht bereit gewesen wäre, eine Gegenleistung in Form des Weiterbezuges der "Kleinen Zwitung" zu erbringen, als Schmarotzer vorkommen müsse, könne kein Fehler erblickt werden. Aus welchen Gründen tatsächlich 70 % jener Kunden, die auf die beanstandete Werbemaßnahme reagiert haben, die Zeitung nicht weiterbezogen hätten, sei unerheblich.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung "aufzuheben" und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die von der Beklagten gewählte Form der Werbung, daß sie Kunden nicht (nur) durch die Güte und Preiswürdigkeit ihrer Ware (der "Kleinen Zeitung"), sondern zugleich durch das Gewähren besonderer Vergünstigungen zu gewinnen sucht, ist zwar mit dem Leitbild eines an Güte und Preiswürdigkeit orientierten Leistungswettbewerbs nur schwer zu vereinbaren, weil die starke werbliche Wirkung einer solchen Wertreklame darauf beruht, daß dem Kunden ein besonderer Vorteil in Aussicht gestellt wird, der geeignet ist, ihn zu sachfremden Überlegungen und Entschlüssen zu verleiten, ihn gleichsam zu "bestechen" (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 546 f Rz 70 zu § 1 dUWG). Da die beanstandete Werbung aber - wie die Klägerin selbst erkennt - nicht unter ein besonderes gesetzliches Verbot, insbesondere das Zugabengesetz fällt, kann sie nur dann untersagt werden, wenn sie gegen die guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) verstößt. Bei der Beurteilung dieser Frage kommt es vor allem darauf an, ob die sachfremden Einflüsse auf den Kaufentschluß des Umworbenen so schwer wiegen, daß die Werbung mit Vergünstigungen zu einem Ersatz für den Leistungswettbewerb wird; in diesem Fall ist eine Wertreklame gewöhnlich wettbewerbswidrig (Baumbach-Hefermehl aaO). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Werbende den Kunden in eine solche psychische Zwangslage bringt, daß sich dieser einem Geschäftsabschluß nach der Lebenserfahrung nur schwer entziehen kann (ÖBl 1978, 69; ÖBl 1983, 89 u.a.), maW wenn der Druck des Werbenden so stark ist, daß ein aus sachlichen Gründen nicht gewollter Geschäftsabschluß nur noch schwer vermeidbar erscheint (ÖBl 1979, 66; ÖBl 1981, 12). Diese Voraussetzung liegt aber hier nicht vor:

Wer am Erwerb der von der Beklagten als Geschenk angebotenen Pocket-Kamera Interesse hatte, mußte zwar den "Abo-Gutschein" einsenden, auf Grund dessen er die "Kleine Zeitung" einen Monat lang gratis zur Probe erhielt. Daß er gezwungen gewesen wäre, zwecks Erlangung des Geschenkes - wie die Klägerin meint - eine Bezugsverpflichtung zu übernehmen (S 9), trifft aber insofern nicht zu, als der Kunde für die Zeitung nichts zu zahlen und auch sonst keine Leistungen zu erbringen hatte. Wollte ein Einsender nach dem Kennenlernen der ihm zugemittelten Zeitung diese nicht weiter beziehen, so konnte er das der Beklagten schriftlich mitteilen; er mußte zu diesem Zweck nicht in persönlichen Kontakt mit Leuten der Beklagten treten. Der normal empfindende Durchschnittskunde - auf den abzustellen ist (Baumbach-Hefermehl aaO 550 Rz 74 zu § 1 dUWG) - wird es nicht als peinlich empfinden, einem Unternehmer, der ihm angeboten hat, Waren gratis probeweise zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig einen Gegenstand zu schenken, nach Ablauf der Probezeit schriftlich, ohne jede persönliche Kontaktaufnahme, mitzuteilen, daß er kein Interesse an der Ware habe. Gerade bei der beanstandeten Werbeankündigung konnten - von nicht ins Gewicht fallenden Ausnahmen abgesehen - die Einsender des "Abo-Gutscheins" davon ausgehen, daß ihre allfällige Abbestellung vom Büro der Beklagten völlig unpersönlich behandelt werde; das Gefühl, von irgendjemandem deshalb als Schmarotzer angesehen zu werden, konnte dabei nicht aufkommen.

Selbst wenn man aber annehmen wollte, daß die Pocket-Kamera angesichts ihres Wertes von rund 300 S geeignet war, das Interesse des Kunden auf das Angebot der Beklagten (= ihre Zeitung) zu lenken, folgt daraus doch nicht, daß der in Aussicht gestellte Vorteil geeignet gewesen wäre, die Entschließungsfreiheit des Kunden in einem derartigen Maße unsachlich zu beeinflussen, daß er seine Entscheidung nicht mehr nach dem Leitbild des Leistungswettbewerbes, sondern nur im Hinblick auf den Vorteil getroffen hätte (vgl. Baumbach-Hefermehl aaO 551 Rz 75 zu § 1 dUWG). Zwischen dem - zu nichts verpflichtenden - Entschluß, der Beklagten den "Abo-Gutschein" zu übermitteln, und dem Entschluß, die Zeitung auch nach Ablauf der Probezeit entgeltlich weiterzubeziehen und daher eine gegenteilige Verständigung der Beklagten zu unterlassen, war eine geraume Zeit verstrichen, in der jeder Kunde in Ruhe und unbeeinflußt von der Beklagten seine Entscheidung frei treffen konnte; das gilt auch dann, wenn man nur den Zeitraum zwischen der Zusendung der Kamera und dem Ablauf der Frist zur Abbestellung des Abonnements berücksichtigen wollte. Sofern aber das Abbestellen des Abonnements wegen der mittlerweile eingetretenen Gewöhnung an die Zeitung unterblieben ist, hat die Beklagte einen Werbeerfolg auf Grund ihrer Leistung erzielt; Sittenwidrigkeit kann ihr in diesem Zusammenhang nicht vorgeworfen werden. Auch die Möglichkeit, daß ein Kunde auf das rechtzeitige Abbestellen der Zeitung vergißt, macht die beanstandete Werbeaktion nicht sittenwidrig; sollte ein Kunde tatsächlich kein Interesse an der Zeitung haben, dann kann er ja immer noch vor Ablauf jedes folgenden Monates das Abonnement kündigen.

Hat die Beklagte aber mit ihrer kostenlosen Werbegabe - welche an sich nicht unzulässig ist (Rspr. 1934, 306; Baumbach-Hefermehl aaO 553 f Rz 76 zu § 1 dUWG) - nicht gegen die guten Sitten verstoßen, dann ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu verneinen.

Der Revision war demgemäß dahin Folge zu geben, daß das Klagebegehren in Abänderung der Urteile der Vorinstanzen abgewiesen wird.

Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jener über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf dieselbe Gesetzesstelle in Verbindung mit § 50 ZPO. Für das Provisorialverfahren waren der Beklagten Kosten nur auf der Bemessungsgrundlage des Unterlassungsbegehrens (480.000 S) zuzuerkennen.

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