OGH 12Os51/89 (12Os52/89)

OGH12Os51/89 (12Os52/89)20.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Juni 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Felzmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Reisenleitner, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Maurer als Schriftführer in der Strafsache gegen Zsuszanna M*** wegen des Vergehens der Entziehung von Energie nach § 132 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Zsuszanna M*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. März 1989, GZ 5 d Vr 8987/88-32, sowie über die Beschwerde der Angeklagten gegen den Beschluß auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht vom 9. März 1989 desselben Gerichtes, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB (II des Urteilssatzes) sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Aus Anlaß der Kassierung des Strafausspruches wird auch der Widerrufsbeschluß (ON 34) aufgehoben.

Mit ihrer Berufung und Beschwerde wird die Angeklagte auf die vorstehenden Entscheidungen verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 13. Dezember 1957 in Ungarn geborene staatenlose (allenfalls nach wie vor ungarische Staatsangehörige) Zsuszanna M*** (früher u.a. G***, zwischenzeitig auch M***) neben einer anderen strafbaren Handlung des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1

StGB (II) schuldig erkannt. Darnach hat sie in der Zeit vom 1. Dezember 1986 bis 6. September 1988 ihre im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber ihren am 20. August 1980 bzw. am 30. Juni 1982 geborenen, sonach unmündigen Kindern Eduard und Tamara M*** (früher G***) gröblich verletzt und dadurch bewirkt, daß der Unterhalt der Kinder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre, indem sie für die genannten, in Gemeindepflege bei Pflegeeltern befindlichen Minderjährigen keinerlei Unterhaltszahlungen leistete.

Rechtliche Beurteilung

Allein diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer auf die Z 5, 5 a und 9 (lit.) a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

Auszugehen ist davon, daß für das Tatbestandsmerkmal der Gröblichkeit der Unterhaltspflichtverletzung neben der Dauer (und dem Ausmaß) der Pflichtverletzung auch die finanzielle Situation, die Verdienstmöglichkeiten und die Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen maßgebend sind (ÖJZ-LSK 1986/39 mit Hinweis auf ÖJZ-LSK 1979/312) und daß derjenige, der den geschuldeten Unterhalt nur deshalb nicht leistet, weil er sonst seinen eigenen notwendigen Unterhalt verkürzen müßte, mangels Leistungspflicht nicht den Tatbestand des § 198 Abs. 1 StGB erfüllt (ÖJZ-LSK 1985/10 = SSt 55/66, vgl. auch Leukauf-Steininger Komm2 RN 20 zu § 198 StGB).

Hiezu läßt jedoch das angefochtene Urteil, welches in diesem Zusammenhang lediglich das Angebot der Angeklagten, monatlich 300 S zu bezahlen, erwähnt, jedoch mit Stillschweigen übergeht, daß dieser Betrag von ihrem (damaligen) Ehemann entrichtet werden sollte (S 95 oben), jegliche Feststellung vermissen.

Eingehender Konstatierungen über die Leistungsfähigkeit der Angeklagten hätte es auch deshalb bedurft, weil sie im Tatzeitraum nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung gewesen sein (siehe S 31 im Akt 19 a U 431/86 des Jugendgerichtshofes Wien) und trotz der Verehelichung mit dem österreichischen Staatsbürger Günter M*** auch keinen Befreiungsschein erhalten haben dürfte (S 134 im Akt 19 a U 431/86), sodaß auf Grund des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (BGBl 1975/218 idF BGBl 1988/231) einer legalen Beschäftigung der Angeklagten im Inland Grenzen gesetzt sein könnten.

Da auch jegliche Feststellungen darüber fehlen, ob die Beschwerdeführerin allenfalls über sonstige Mittel verfügte, die sie in die Lage versetzt hätten, ihrer Unterhaltspflicht nachzukommen oder welche anderen legalen Einkommensquellen sie sich zumutbarer Weise hätte erschließen können und alle diese Mängel vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden können, die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung mithin unumgänglich ist, war bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung mit einer Kassierung des betreffenden Schuldspruchs vorzugehen (§ 285 e StPO), ohne daß es erforderlich gewesen wäre, auf die weiteren Beschwerdepunkte einzugehen. Die damit verbundene Beseitigung des Strafausspruches entzieht dem bekämpften Widerrufsbeschluß die Grundlage, weshalb auch dieser aus Anlaß der Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde zu beheben war.

Mit ihren dadurch gegenstandslos gewordenen übrigen Rechtsmitteln war die Angeklagte auf die getroffenen Entscheidungen zu verweisen.

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