OGH 9ObA104/89

OGH9ObA104/8914.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Herbert Bauer und Dr. Bernhard Schwarz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Franz K***, Pensionist, Amstetten, Austraße 40, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Firma R*** Baugesellschaft mbH, Wien 8, Albertgasse 33, vertreten durch Dr. Otto Pichler, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 221.614,40 netto, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. Dezember 1988, GZ 31 Ra 132/88-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. Juni 1988, GZ 33 Cga 1089/87-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei die Zahlung eines Betrages von S 221.614,40 netto sA an weiterer Abfertigung. Er sei vom 5. März 1956 bis 16. Jänner 1972 bei Baumeister Richard W*** beschäftigt gewesen. Am 17. Jänner 1972 sei er auf die beklagte Partei, die den Baumeisterbetrieb W*** übernommen habe, umgemeldet worden. An der Arbeitssituation des Klägers habe sich nichts geändert. Die Firma W*** habe keine Abfertigung gezahlt. Am 1. Mai 1972 sei er als Hauptpolier ins Angestelltenverhältnis übernommen worden. Das Arbeitsverhältnis habe am 31. August 1986 einvernehmlich wegen Erreichung des Pensionsalters geendet. Obwohl der gesamte Beschäftigungszeitraum ab 5. März 1956 der Berechnung der Abfertigung zugrundezulegen sei, habe die beklagte Partei, ausgehend von einer Beschäftigung ab 17. Jänner 1972, lediglich 4 Monatsentgelte als Abfertigung gezahlt. Den übrigen Arbeitern der Firma W***, die die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei, die Baugesellschaft H. R*** & Co (im folgenden Firma R*** genannt) übernommen habe, seien Abfertigungen unter Anrechnung der Vordienstzeiten der Firma W*** gewährt worden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei am 17. Jänner 1972 nicht "auf" die beklagte Partei, sondern "auf" die Arbeitsgemeinschaft "Hotelneubau K*** Amstetten R***-W***" umgemeldet worden. Dadurch sei kein Arbeitsverhältnis zur Firma R*** als A***-Partner begründet worden. Erst über Ersuchen des Dipl.Ing. Richard W*** sei der Kläger mit 1. Mai 1972 als Angestellter von der Firma R*** übernommen worden. Im übrigen sei auch das Unternehmen des früheren Arbeitgebers des Klägers von der Firma R*** nicht übernommen worden. Dipl.Ing. W*** sei von der beklagten Partei bereits ab 1. März 1971 ins Angestelltenverhältnis übernommen worden; gleichzeitig sei ein Teil seiner Baugeräte von der Firma R*** gekauft worden. Dipl.Ing. W*** habe sich in diesem Zusammenhang ausbedungen, seinen Baumeisterbetrieb weiterzuführen. Hinsichtlich der Übernahme einzelner namentlich genannter Arbeitnehmer sei eine Vereinbarung getroffen worden; der Kläger zähle nicht zu diesem Personenkreis. Im Jahre 1972 habe es keinen gesetzlichen Abfertigungsanspruch gegeben. Da weder eine Unternehmensübertragung noch eine Zusage zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter den bisherigen Bedingungen erteilt worden sei, fehle es an den Voraussetzungen für einen entsprechenden Vorbehalt der Firma R***. Die Voraussetzungen für die damals schon im Kollektivvertrag für Bauindustrie und Baugewerbe vorgesehene Abfertigung für Arbeiter von 4 Wochenlöhnen habe der Kläger nicht erfüllt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Der Kläger war vom 10. Mai 1954 bis 18. Februar 1956 und vom 5. März 1956 bis 31. Dezember 1971 bei der Firma Architekt und Stadtbaumeister Richard W*** und vom 1. Jänner 1972 bis 16. Jänner 1972 bei der Nachfolgefirma Baumeister Dipl.Ing. Richard W*** beschäftigt. Mit 16. Jänner 1972 wurde der Kläger von Dipl.Ing. Richard W*** bei der Krankenkasse abgemeldet und mit 17. Jänner 1972 für die Arbeitsgemeinschaft R***-W*** angemeldet. Der Kläger wurde weder von der Firma Architekt und Stadtbaumeister Richard W*** noch von der Firma Baumeister Dipl.Ing. Richard W*** noch von der Arbeitsgemeinschaft R***-W*** gekündigt. Mit 1. Mai 1972 wurde der Kläger als Hauptpolier im Angestelltenverhältnis von der Firma R*** bei der Krankenkasse angemeldet. Der seinerzeitige Arbeitgeber Dipl.Ing. Richard W*** war seit 1. März 1971 bei der Firma R*** beschäftigt. In den Jahren 1971 und 1972 wurde der gesamte Maschinenpark der seinerzeitigen Firma W*** von der Firma R*** aufgekauft. Die seinerzeit bei der Firma W*** beschäftigt gewesenen Arbeiter und Angestellten wurden sukzessive, jeweils mit Beendigung einer Baustelle oder Arbeitsgemeinschaft, in die Dienste der Firma R*** übernommen. Bei etwa 20 % der Beschäftigten der Firma W*** kam es nicht zu einer solchen Übernahme; dies entspricht der üblichen Fluktuation im Baugewerbe. Den von der Firma R*** übernommenen Arbeitskräften wurde eine Stammarbeiterzulage entsprechend ihrer auch bei der Firma W*** zurückgelegten Dienstzeit gewährt; auch bei der Abfertigung ausscheidender Arbeiter wurden die bei der Firma W*** zurückgelegten Dienstzeiten berücksichtigt. Daß dies irrtümlich erfolgt wäre, nahm das Erstgericht nicht als erwiesen an. Der bei der Firma W*** angestellte Ing. Karl S*** wurde mit Vertrag vom 23. November 1972 in die Dienste der Firma R*** übernommen. Mit Zusatzvertrag vom 8. Februar 1973 wurde vereinbart, die bei der Firma W*** zurückgelegte Dienstzeit ausnahmsweise für die Regelung des Krankenentgeltes, des Urlaubes, der Kündigungsfrist und der Abfertigung anzurechnen.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die beklagte Partei den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt habe, weil sie den übrigen von der Firma W*** übernommenen Arbeitern ihre dort verbrachten Zeiten bei Ermittlung der Abfertigung angerechnet habe. Der Umstand, daß der Kläger ins Angestelltenverhältnis übernommen worden sei, rechtfertige nicht die von der beklagten Partei vorgenommene Differenzierung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinn einer gänzlichen Klageabweisung ab.

Es vertrat die Rechtsauffassung, der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt worden, weil der Kläger selbst durch sein Bestreben, ins Angestelltenverhältnis übernommen zu werden, die Ungleichbehandlung herbeigeführt habe. Der Beginn seines Dienstverhältnisses mit der beklagten Partei sei im Dienstvertrag Beilage B ausdrücklich mit 1. Mai 1972 vereinbart worden. Der Kläger habe zwar die gleiche Arbeit wie bei der Firma W*** geleistet, die rechtlichen Voraussetzungen hätten sich aber geändert. Die Firma W*** sei von der Firma R*** nicht übernommen worden, weil sie nur einzelne Maschinen gekauft, aber nicht die Betriebsorganisation und damit ein Unternehmen als Organisation der Produktionsmittel übernommen habe. Aus diesem Grund sei ein Vorbehalt bei Abschluß des Vertrages mit dem Kläger nicht erforderlich gewesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (inhaltlich der Aktenwidrigkeit) und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

In erster Linie stellt sich die Frage, ob es mangels eines entsprechenden Vorbehaltes zu einer Übernahme des Arbeitsvertrages des Klägers mit der Firma W*** durch die Firma R*** gekommen ist. Wie Migsch in DRdA 1967, 231, und in "Abfertigung für Arbeiter und Angestellte", RZ 236, zutreffend hervorhebt, ist der Übergang eines Unternehmens samt Belegschaft unter Übernahme der bereits bestehenden Arbeitsverhältnissu nur ein Sonderfall der auch ohne Unternehmensübernahme möglichen rechtsgeschäftlichen Übernahme von Arbeitsverhältnissen (vgl. auch Krejci, Betriebsübergang und Arbeitsvertrag, 199, wonach die allgemeine Rechtsfigur der Vertragsübernahme durch Wechsel des Arbeitgebers im Arbeitsrecht nicht nur im Zusammenhang mit Betriebsübernahmen zur Diskussion steht, sondern darüber hinaus von praktischer Bedeutung ist; auch Schwarz in "Das Arbeitsverhältnis bei Übergang des Unternehmens", 92, vertritt die Ansicht, daß die Übertragung des Arbeitsverhältnisses durch den Übergang des Unternehmens lediglich begünstigt wird). Setzt daher der neue Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegenüber ein Verhalten, das sich bei Überlegung aller Umstände nicht anders als ein Anbot zur Übernahme des Arbeitsvertrages zu den bisherigen Bedingungen deuten läßt, und nimmt der Arbeitnehmer dieses Anbot ohne Abwicklung des Arbeitsverhältnisses mit seinem bisherigen Arbeitgeber und mit dessen Zustimmung schlüssig durch Fortsetzung seiner Tätigkeit für den neuen Arbeitgeber an, dann ist in diesem Zeitpunkt eine rechtsgeschäftliche Arbeitsvertragsübernahme wirksam zustande gekommen, sofern der neue Arbeitgeber sich nicht sofort ausdrücklich gegen die Übernahme der beim Vorgänger erworbenen Anwartschaften verwahrt (siehe Arb. 8.255, 10.223; ähnlich 4 Ob 146/83; 14 Ob 43-51/86). Die Argumentation Krejcis aaO 210 ff (211) gegen die Annahme einer zweifachen Konkludenz - schlüssige Auflösung des bisherigen Arbeitsverhältnisses und konkludenter Abschluß eines neuen Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsnachfolger - vermag nicht zu überzeugen. Der bisherige Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer in Kenntnis der Beschäftigung durch den neuen Arbeitgeber weder kündigt noch seine Dienste weiter in Anspruch nimmt, bringt damit ausreichend seine Zustimmung zur Vertragsübernahme durch den Betriebsnachfolger zum Ausdruck; es ist daher Schwarz aaO 100 beizupflichten, daß der Schwerpunkt bei der arbeitsrechtlichen Vertragsübernahme im rechtsgeschäftlichen Verhältnis des Arbeitnehmers und des Betriebsnachfolgers liegt. Der einmal gesetzte Tatbestand der Vertragsübernahme kann später durch einseitiges Vorgehen des Arbeitgebers nicht mehr beseitigt werden. Weder der später gemachte Vorbehalt noch die spätere Vorlage einer schriftlichen Fassung des Arbeitsvertrages, der die Vordienstzeitenfrage anders regelt, vermögen die Rechtslage zu ändern (siehe Migsch aaO Rz 242; DRdA 1979, 122 [Apathy]). Geht man davon aus, daß der Kläger ab 17. Jänner 1972 vom der Arbeitsgemeinschaft Hotelneubau K*** R***-W***

beschäftigt wurde, dann wurde die Firma R*** schon mit diesem Zeitpunkt Arbeitgeber (vgl. Krejci, Das Recht der Arbeitsgemeinschaft in der Bauwirtschaft 108 ff [110]; ebenso Krejci in Rummel, ABGB, § 1151 RZ 144). Die Zustimmung des bisherigen Arbeitgebers zur Vertragsübernahme durch die Arbeitsgemeinschaft ist schon auf Grund seiner Einbindung als Gesellschafter der Arbeitsgemeinschaft auch in das neue Vertragsverhältnis anzunehmen; im Hinblick auf die Beteiligung seines bisherigen Arbeitgebers an der Arbeitsgemeinschaft und seine unveränderte Weiterbeschäftigung mußte andererseits der Kläger nicht nur die Zustimmung seines Arbeitgebers zur Vertragsübernahme durch die Arbeitsgemeinschaft, sondern auch die Fortsetzung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses unter Wahrung seiner Rechte durch die Arbeitsgemeinschaft annehmen. Setzte dann die Firma R***, die im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft bereits Vertragspartner des Klägers geworden war, das Arbeitsverhältnis allein fort, dann kam es nicht zu einer neuerlichen Vertragsübernahme, sondern zu einer Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses mit einem der bisherigen Gesellschafter der Arbeitsgemeinschaft, sei es im Rahmen der Liquidation der Arbeitsgemeinschaft oder der Übernahme der Arbeitsgemeinschaft durch diesen Gesellschafter. Durch den Dienstvertrag vom 15. Mai 1972, mit dem der Kläger von der Firma R*** rückwirkend zum 1. Mai 1972 als Hauptpolier in ein Angestelltenverhältnis übernommen wurde, wurde die durch die Weiterbeschäftigung als Arbeiter im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft sowie ab 1. Mai 1972 durch die Firma R*** erfolgte Arbeitsvertragsübernahme nicht mehr berührt, zumal dieser Vertrag weder eine Verschlechterung der Rechtsstellung des Klägers bezweckte oder herbeiführte noch daraus ein Verzicht auf die Anrechnung von Vordienstzeiten als Arbeiter zu entnehmen ist. Dem Revisionswerber ist im übrigen auch darin beizupflichten, daß der Abschluß des Angestelltendienstvertrages mit dem Kläger keine sachliche Rechtfertigung dafür bietet, den Kläger in der Frage der Anrechnung der bei der Firma W*** erworbenen Vordienstzeiten schlechterzustellen als andere gleichfalls übernommene Beschäftigte, mit denen kein Angestelltenverhältnis begründet wurde.

Die Arbeitsrechtssache ist jedoch noch nicht im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils spruchreif, weil sich das Berufungsgericht, ausgehend von einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht, mit den Ausführungen zu den übrigen Berufungsgründen nicht auseinandergesetzt hat.

Abschließend sei darauf hingewiesen, daß die inhaltlich als Vorwurf der Aktenwidrigkeit aufzufassende, unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhobene Rüge, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, es sei nur der Kauf einiger Maschinen (und damit keine Unternehmensübernahme) erfolgt, im Hinblick auf die oben wiedergegebenen, vom Berufungsgericht durch Verweisung übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes berechtigt ist.

Der Vorbehalt bezüglich der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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