Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, daß sie zu lauten hat:
"Zur Sicherung des Anspruches der klagenden Partei gegen die beklagte Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird der beklagten Partei ab sofort verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes beim Einzelhandel mit Lebensmitteln und anderen Artikeln in Oberösterreich die unentgeltliche Abgabe von Waren nicht unbeträchtlichen Wertes ("Gratis"abgabe), insbesondere an direkt oder in engem Abstand aufeinanderfolgenden Tagen, anzukündigen, anzubieten und/oder tatsächlich durchzuführen, sofern der Besucher des Geschäftes der beklagten Partei beim Empfang der Gratisgaben mit dem Verkaufspersonal in Kontakt treten muß. Diese einstweilige Verfügung wird bis zur Rechtskraft der über das Unterlassungsbegehren ergehenden Entscheidung bewilligt."
Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig, die beklagte Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Beide Parteien handeln mit Lebensmitteln und "Non-Food-Artikeln" (Haushaltswaren, Kosmetikartikeln, Waschmitteln, Textilien u.dgl.). Die Klägerin betreibt 21 Filialen in Oberösterreich, die Beklagte rund 400 in ganz Österreich, davon etwa 26 in Oberösterreich; ihre Filiale in Altheim wurde am 21. September 1988 eröffnet. Im Jänner 1989 versandte die Beklagte im Raum Altheim eine Postwurfsendung, in welcher sie ihr Warensortiment anbot. Auf der ersten Seite dieses Prospektes befand sich neben Waren und Preisangeboten folgende Ankündigung:
Abbildung nicht darstellbar!
Der marktübliche Preis für 1 l Delikatessa Neuburger Wein beträgt zwischen 15 S und 20 S, jener einer 100-Gramm-Tafel Suchard Schokolade zwischen 7,50 S und 9,90 S, einer 250 ml Packung Dulgon Duschbad zwischen 12,90 S und 19,90 S und einer 250-Gramm-Packung Tchibo Bistro Kaffee zwischen 19,90 S und 24,90 S; eine 1,5 l-Flasche Radlberger Limonade kostet normalerweise in der Altheimer Filiale der Beklagten 9,90 S, eine Kiste Eggenberger Märzen Bier 78 S.
Mit der Behauptung, daß diese Werbeankündigung der Beklagten wettbewerbswidrig sei, weil übertriebenes Anlocken vorliege, psychischer Kaufzwang ausgeübt werde und der durchschnittliche Verbraucher annehmen müsse, er erhalte die Gratisgabe nur als Zugabe zu gekauften Waren, begehrt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes beim Einzelhandel mit Lebensmitteln und anderen Artikeln in Oberösterreich die unentgeltliche Abgabe von Waren ("Gratis"-abgabe), insbesondere an direkt oder im engen Abstand aufeinanderfolgenden Tagen, anzukündigen, anzubieten und/oder tatsächlich durchzuführen; hilfsweise begehrt die Klägerin, der Beklagten zu verbieten, neben den von ihr vertretenen Artikeln Zugaben in Form von Gratisleistungen anzukündigen, anzubieten oder einem größeren Kreis von Personen zu gewähren.
Der Erstrichter erließ, ohne die Beklagte vorher anzuhören, die einstweilige Verfügung. Bei einer Werbung, die als mehrmaliges "In-das-Geschäft-Locken" in Erscheinung trete, liege die Annahme nahe, daß es ein Interessent im Hinblick auf die in Aussicht gestellte unentgeltliche Zuwendung für unanständig oder peinlich halte, nichts zu kaufen; er werde sich daher unter psychischem Druck zum Kauf entschließen. Im vorliegenden Fall seien zwar die gratis zu beziehenden Waren keine Zugaben, sondern Werbegaben; diese Art der kostenlosen Abgabe von Waren verstoße aber in ihrer Wirkung gegen den Zweck des Zugabengesetzes, "Vorspannangebote" zu verhindern. Werbegeschenke und ihre Anpreisung seien nicht als Selbstzweck im Interesse des Konsumenten anzusehen, sondern sollten den Kunden dazu bringen, ein Geschäft aufzusuchen, um dann gleichzeitig die angebotene Einkaufsquelle zu nützen und seinen Bedarf zu decken. Der Wert der hier angebotenen Geschenke sei auch ein solcher, daß er sowohl den Kundenwünschen als auch den Werbekosten der Beklagten entgegenkomme, handle es sich doch um Waren des täglichen Bedarfes, die man immer benötige und daher gerne mitnehme, während große Handelsketten gerade solche Waren billig anschaffen können. Dazu komme noch, daß solche Werbegaben nicht nur für einen Tag, sondern für nahezu eine Woche angeboten wurden und die Summe aller Geschenke wirtschaftlich durchaus ins Gewicht gefallen sei. Trotz der förmlichen Erklärung der Beklagten, daß kein Kaufzwang bestehe, habe sie mit großer Sicherheit in Rechnung gestellt, daß tatsächlich gekauft werde; allein aus der graphischen Gestaltung - bei der das Wort "gratis" groß, der Beisatz "Kein Kaufzwang" aber klein geschrieben worden sei - lasse sich diese Absicht der Werbeaussage ablesen. Damit liege aber nicht mehr eine vom Warenbezug losgelöste Werbegabe, sondern eine verschleierte Zugabe vor. Eine solche Umgehung des Zugabengesetzes verstoße gegen § 1 UWG. Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteige. Das Gewähren von Gratisabgaben sei grundsätzlich zulässig, falls dadurch nicht psychischer Kaufzwang ausgeübt, eine gegen den Verbotszweck des Zugabengesetzes verstoßende Wirkung erreicht oder der Absatz der Mitbewerber durch Marktverstopfung behindert werde. Keine dieser Voraussetzungen liege hier vor: Beim Ankündigen und Gewähren von Gratisabgaben in einem Supermarkt werde der Druck auf den Besucher keineswegs so stark, daß ein aus sachlichen Gründen nicht gewollter Geschäftsabschluß nur noch schwer vermeidbar erscheine. Wenn der Besucher des Marktes neben der Empfangnahme des Werbegeschenks auch andere Artikel kaufe, dann nicht, um eine peinliche Situation zu vermeiden, sondern weil es sich um Sachen des täglichen Bedarfes handle, zu deren Erwerb er nicht das Aufsuchen eines anderen Geschäftes für erforderlich erachten werde. Da die beanstandete Ankündigung der Gratisgaben keinen Hinweis auf einen Zusammenhang mit dem Kauf anderer Waren enthalte, sich nicht an jeden "Käufer", sondern an jeden "Besucher" wende und den - zwar klein gedruckten, aber doch für den durchschnittlichen Leser erkennbaren - Hinweis "Kein Kaufzwang" enthalte, liege auch kein Verstoß gegen das Zugabengesetz vor. Ebensowenig könne von einer sittenwidrigen Marktverstopfung die Rede sein.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Dem Gericht zweiter Instanz ist darin zu folgen, daß das Gewähren von Gratisgaben an die Kunden an sich zulässig ist (Rsp. 1934/306; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 553 Rz 76 zu § 1 dUWG); es ist aber (u.a.) dann sittenwidrig, wenn dabei auf die am Empfang einer solchen Gratisgabe Interessierten psychischer Kaufzwang ausgeübt wird. Das trifft dann zu, wenn der Interessent von dem Unternehmer, der die Geschenke ankündigt, in eine derartige psychische Zwangslage gebracht wird, daß er sich einem Geschäftsabschluß nach der Lebenserfahrung nur schwer entziehen kann (ÖBl 1978, 69; ÖBl 1981, 12 ua), maW: wenn der Druck des Unternehmers so stark ist, daß ein aus sachlichen Gründen nicht gewollter Geschäftsabschluß nur noch schwer vermeidbar erscheint (ÖBl 1979, 66; ÖBl 1981, 12), also insbesondere dann, wenn die Umworbenen durch die Vergünstigung in eine psychische Zwangslage geraten, in der sie es als unanständig oder jedenfalls peinlich empfinden, nichts zu kaufen (Baumbach-Hefermehl aaO 549 Rz 74 zu § 1 dUWG). Diese Voraussetzung liegt hier entgegen der Meinung des Rekursgerichtes vor:
Die Beklagte hat in ihrer Ankündigung darauf hingewiesen, daß zwar - am 23. Jänner 1989 - ein Liter Delikatessa Neuburger Wein und - am 28. Jänner 1989 - eine Kiste mit 20 Flaschen Eggenberger Märzen Bier gratis abgegeben werde, der Flascheneinsatz aber doch zu leisten sei ("exkl. Fl. Einsatz"). Schon daraus ergibt sich, daß derjenige, der diese Gratisgaben erlangen wollte, an einer Kassa mit Personal der Beklagten in Verbindung treten mußte. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist auch davon auszugehen, daß alle anderen Waren gleichfalls im Geschäftslokal selbst zu erhalten waren und von den Empfängern an der Kassa vorbei hinausgetragen werden mußten. Daraus, daß nach der Ankündigung "jeder Besucher" an jedem Tag eine bestimmte Ware unentgeltlich erhalten konnte, folgt, daß eine - zumindest lockere - Kontrolle durch Angestellte der Beklagten vorgesehen war, hätte doch sonst ein Besucher auch eine größere Anzahl solcher Artikel mitnehmen können.
Bei dieser Sachlage, - die sich wesentlich von jener unterscheidet, die der Entscheidung ÖBl 1979, 60 zugrundegelegen war (dort war die von den Empfängern der Werbegaben aufzusuchende Stelle vom Verkaufsraum getrennt, und es mußten keine Kassenplätze passiert werden) -, wird es ein gewiß nicht unbeträchtlicher Teil der von der beanstandeten Werbeankündigung angesprochenen Verkehrskreise gescheut haben, den Supermarkt der Beklagten in Altheim zu betreten, um dort nur die jeweilige Gratisgabe abzuholen und dann das Geschäftslokal, ohne irgendetwas gekauft zu haben, an der Kassa vorbei zu verlassen; das gilt nicht nur für zart besaitete Menschen, sondern auch für die - hier maßgebenden (Baumbach-Hefermehl aaO 550 Rz 74 zu § 1 dUWG) - normal empfindenden Durchschnittskunden von heute. Zumindest ein nicht unerheblicher Teil des Publikums wird es als peinlich empfinden, ein Geschäftslokal, auch wenn sich dort ein Supermarkt befindet, nur im Hinblick auf ein angekündigtes Werbegeschenk zu betreten und dieses Geschenk mitzunehmen ohne gleichzeitig etwas zu kaufen. Es muß dann aber auch als sicher angenommen werden, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil jener Personen, die von dem beanstandeten Angebot Gebrauch machen wollten, sich veranlaßt gesehen haben wird, gleichzeitig mit dem Abholen der Gratisgabe anstandshalber irgendwelche Waren zu kaufen, und zwar insbesondere bei den hier gegebenen Verhältnissen - Altheim ist eine Marktgemeinde mit rund
4.500 Einwohnern (Amtskalender 1988/89, 672). Es mag wohl zutreffen, daß solche Besucher des Supermarktes in aller Regel Waren gekauft haben werden, die sie ohnehin brauchen konnten; dennoch haben sie aber bei der Beklagten zu diesem Zeitpunkt gerade deshalb gekauft, um der - von ihnen so empfundenen - Peinlichkeit zu entgehen, von dem - ihnen wohl vielfach zumindest vom Sehen her
bekannten - Personal nicht als "Schnorrer" angesehen zu werden, die das Geschäft nur um eines Geschenkes willen aufgesucht haben. Die Verleitung zu unwirtschaftlichen Ausgaben ist aber keine Voraussetzung für die Sittenwidrigkeit des psychischen Kaufzwanges (ÖBl 1978, 69). Die beanstandete Werbeankündigung verstößt somit gegen § 1 UWG.
Das Begehren der Klägerin, der Beklagten das Ankündigen, Anbieten und/oder tatsächliche Durchführen der unentgeltlichen Abgabe von Waren schlechthin zu untersagen, ist allerdings zu weit gefaßt, weil nach dem oben Gesagten Gratisgaben grundsätzlich zulässig sind. Aus dem Klagevorbringen ergibt sich aber, daß die Klägerin der Beklagten solche Gratisgaben nur unter besonderen, die Sittenwidrigkeit begründenden Umständen verbieten lassen will, wenn nämlich die verschenkten Gegenstände - wie im vorliegenden Fall - einen gewissen Wert haben und gleichzeitig psychischer Kaufzwang ausgeübt wird. Dem Revisionsrekurs war deshalb dahin Folge zu geben, daß die einstweilige Verfügung des Erstrichters zwar wiederhergestellt wird, dies aber mit der Maßgabe, daß der Beklagten - im Sinne des Klagevorbringens - die Gratisabgabe - abgesehen von der Bezugnahme auf die konkret beanstandete Maßnahme ("insbesondere ....") - nur dann verboten wird, wenn dabei Sachen nicht unbeträchtlichen Wertes angeboten werden und der daran Interessierte durch die Notwendigkeit, bei der Empfangnahme mit Personal der Beklagten in Verbindung zu treten, in eine psychische Zwangslage gebracht wird.
Der Ausspruch über die Kosten der Beklagten gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 40, 50, 52 ZPO, jener über die Kosten der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO.
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