Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.966,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 494,40, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Eigentümerin des Hauses Wien 1, Mahlerstraße 1. Die Galerie S*** Kunsthandelsgesellschaft mbH (in der Folge als Gemeinschuldnerin bezeichnet) hat von ihr die in diesem Haus gelegenen Geschäftsräumlichkeiten top Nr 15a gemietet. Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 19. Mai 1987 zu 4 S 96/87 das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt. Infolge Rekurses der Gemeinschuldnerin wurde dieser Konkurseröffnungsbeschluß mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 5. Oktober 1987 aufgehoben. Bereits am 28. Oktober 1987 erfolgte die neuerliche Konkurseröffnung über das Vermögen der Gemeinschuldnerin; zum Masseverwalter wurde wieder der Beklagte bestellt. Die Mietzinse für Juni und Juli 1987 in der Höhe von jeweils S 7.458,80 wurden am 24. Juli 1987 bezahlt. Bei Einbringung der vorliegenden Klage (6. Oktober 1987) waren die Mietzinse für August und September 1987 in der Höhe von jeweils S 7.458,80 offen. Diese Mietzinse bezahlte der Beklagte vor dem 22. Jänner 1988. Die Mietzinse für Oktober 1987 bis Jänner 1988 in der Höhe von insgesamt S 26.891,30 und den Mietzins für Februar 1988 bezahlte der Beklagte vor dem 22. März 1988. Die Miete für März 1988 bezahlte der Beklagte am 23. März 1988. Seit April 1988 zahlt der Beklagte die Mietzinse für das Bestandobjekt vorschreibungsgemäß.
Die Klägerin begehrte im vorliegenden Rechtsstreit die Verurteilung des Beklagten zur Räumung des Bestandobjekts im wesentlichen mit der Begründung, daß sie am 30. September 1987 gegenüber dem Beklagten eine außergerichtliche Aufhebungserklärung gemäß § 1118 ABGB abgegeben habe, weil die Mietzinse mit monatelangen Verspätungen bezahlt worden seien.
Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, daß ihm ein grobes Verschulden an der verspäteten Zahlung der Mietzinse schon infolge der Konkurseröffnung nicht angelastet werden könne. Vor der Konkurseröffnung habe zwischen der Klägerin und der Gemeinschuldnerin ein gutes Verhältnis bestanden; offene Mietzinse seien vor Konkurseröffnung nicht eingemahnt worden. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte im wesentlichen über den bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus folgendes fest:
Vor der Konkurseröffnung bestand zwischen der Klägerin und der Gemeinschuldnerin gutes Einvernehmen. Im ursprünglichen Mietvertrag zwischen der Klägerin und der Gemeinschuldnerin war ein Mietzins von monatlich S 7.000,-- vereinbart worden. Auf Grund eines Abkommens zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Generaldirektor der Klägerin P*** mußte die Gemeinschuldnerin tatsächlich nur S 1.000,-- monatlich an Mietzins bezahlen. Es handelte sich dabei um eine Art Sponsortätigkeit der Klägerin. Später (zwischen Mai und Juli 1986) vereinbarte die Klägerin mit der Gemeinschuldnerin, daß die Miete auf den Betrag von S 3.500,-- monatlich halbiert werde. Die Klägerin ersuchte in diesem Zusammenhang, daß diese nun vereinbarte Miete von S 3.500,-- monatlich auch rückwirkend zu bezahlen sei. Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin erklärte sich damit einverstanden. Er machte jedoch die Zahlungen von einem Geschäft abhängig, das im November 1986 abgeschlossen hätte werden sollen. Da dieses Geschäft nicht wie vorhergesehen zustandekam, hatte die Gemeinschuldnerin vor der Konkurseröffnung Mietzinsrückstände in der Höhe von S 107.000,--.
Seit der Konkurseröffnung wurden die monatlichen Mietzinse deswegen mit Verzug bezahlt, "weil der Masseverwalter technische Probleme hatte". Er hatte zwar bald nach der Konkurseröffnung Geld für die Bezahlung der Mietzinsrückstände zur Verfügung, leistete aber wegen des Rekurses der Gemeinschuldnerin gegen die Konkurseröffnung keine Zahlungen, weil er auf dem Standpunkt stand, daß der Rekurs gute Chancen auf Erfolg habe. Er wollte infolge des Schwebezustandes die vorhandenen Gelder nicht anrühren. Da der Beklagte sich außerstande sah, die laufenden Mietzinse aus der Masse zu decken, beantragte er (zuletzt am 13. Jänner 1988) beim Konkursgericht die Schließung des gemeinschuldnerischen Betriebes. Die Gemeinschuldnerin sprach sich in einer Äußerung vom 26. Jänner 1988 an das Konkursgericht gegen diesen Antrag des Masseverwalters mit dem Hinweis auf Erläge von dritter Seite von insgesamt S 130.000,-- aus, die bereits an den Masseverwalter mit dem Auftrag, die bestehenden Mietzinsrückstände zu begleichen, überwiesen worden seien. Eine Entscheidung des Konkursgerichts über den Schließungsantrag des Masseverwalters erfolgte bisher nicht. Nachdem der Beklagte noch vor der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 22. März 1988 erfahren hatte, daß ein Treuhanddepot errichtet worden war und daß mit Einverständnis des Rechtsanwalts Dr. N***, der die Gemeinschuldnerin vertritt, Mietzinszahlungen erfolgen könnten, bezahlte er die Mietzinse für das Bestandobjekt bis einschließlich Februar 1988. Am 21. März 1988 erhielt er auch die Weisung, den Mietzins für März 1988 zu bezahlen. Das Treuhanddepot wurde von dritter Seite errichtet, und zwar im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Beteiligung am Vermögen der Gemeinschuldnerin. Konkrete Beteiligungsabsichten sind beim Beklagten derzeit nicht deponiert.
Seit Konkurseröffnung wird der Betrieb der Gemeinschuldnerin eingeschränkt geführt. Aus den laufenden Betriebseinnahmen wären die Mietzinszahlungen nicht möglich gewesen.
In einem Telefonat vom 30. September 1987 erklärte der Klagevertreter dem Beklagten gegenüber die Auflösung des Bestandverhältnisses gemäß § 1118 ABGB.
Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin hatte bei Konkurseröffnung angenommen, die Mietzinse aus den laufenden Einnahmen zahlen zu können. Von dieser Annahme ging er deshalb aus, weil das bereits erwähnte Geschäft, das im November 1986 durchgeführt hätte werden sollen, erst um den Zeitpunkt der Konkurseröffnung ins Laufen kam. Die Einnahmen aus diesem Geschäft hätte die Gemeinschuldnerin gebraucht, um die offenen Mietzinse zu bezahlen. Knapp nach Konkurseröffnung ging dann auch tatsächlich eine Zahlung von S 128.000,-- aus diesem Geschäft ein. Bereits in der Vergangenheit hatte die Gemeinschuldnerin Mietzinsrückstände bzw bezahlte sie die Mietzinse nicht immer regelmäßig. Das wurde von der Klägerin toleriert, weil sie mit der Gemeinschuldnerin ein gutes Einvernehmen hatte und weil in der Branche der Gemeinschuldnerin (es handelt sich um eine Kunstgalerie) die Einnahmen nicht regelmäßig sind.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß den Beklagten, der keineswegs aus Willkür, Leichtsinn oder Streitsucht den ursprünglichen, im Lauf des Verfahrens abgedeckten Mietzinsrückstand auflaufen habe lassen, kein grobes Verschulden treffe. Er habe zwar bald nach Konkurseröffnung Geld für die Bezahlung der Mietzinsrückstände, nicht aber der weiteren laufenden Mietzinse zur Verfügung gehabt. Da aber gegen die Konkurseröffnung ein erfolgversprechender Rekurs der Gemeinschuldnerin erhoben worden sei, der vorerst auch Erfolg gehabt habe, habe er infolge dieses Schwebezustandes vorerst keine Zahlungen geleistet. Schließlich habe er den gesamten Mietzinsrückstand, nachdem ihm von dritter Seite die Mittel zur Verfügung gestellt worden seien, beglichen. Aus den laufenden Betriebseinnahmen des seit der Konkurseröffnung im Jahr 1987 eingeschränkt geführten Betriebes wären die laufenden Mietzinszahlungen nicht möglich gewesen. Auf Grund des Tatbestandes der Konkurseröffnung sei evident, daß die Mietzinszahlungen des Beklagten infolge schlechter wirtschaftlicher Lage vorerst unterblieben seien.
Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichts gerichteten Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, daß von einem groben Verschulden gesprochen werden müßte, wenn der Mieter die Mietzinszahlung von (künftigen) Spenden Dritter abhängig machen würde. Im konkreten Fall liege der Sachverhalt aber anders. Die Bedenken, die den Beklagten vorerst von einer Abdeckung des Rückstands abgehalten hätten, nämlich einerseits der Schwebezustand durch die erfolgreiche Bekämpfung der Konkurseröffnung und andererseits die Vermeidung der Hintansetzung der Interessen anderer Gläubiger, ließen zunächst den Vorwurf, er habe die Interessen des Vermieters aus Rechthaberei, Willkür, Leichtsinn oder Streitsucht verletzt, nicht berechtigt erscheinen. Die erfolgte, von dritter Seite finanzierte Abdeckung der laufenden Mieten, wobei der Beklagte diese Mittel bestimmungsgemäß verwendet habe, sei von einem Abhängigmachen der Zinszahlung von künftigen Spenden wohl zu unterscheiden. Die künftige Aufbringung von Mietzinsen sei nicht Gegenstand der Verschuldensprüfung in diesem Verfahren.
Auf Grund der hier gegebenen besonderen Fallgestaltung habe das Erstgericht den Vorwurf groben Verschuldens des Beklagten am zunächst eingetretenen, schließlich aber zur Gänze abgedeckten Mietzinsrückstand zu Recht verneint.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin. Sie bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Der Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision der Klägerin keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß ein grobes Verschulden im Sinne des § 33 Abs 2 MRG ein besonderes Maß an Sorglosigkeit voraussetzt, sodaß der Vorwurf berechtigt erscheint, der Mieter habe die Interessen des Vermieters aus Rechthaberei, Willkür, Leichtsinn oder Streitsucht verletzt (MietSlg 30.474/12; MietSlg 34.498; MietSlg 38.504 ua). Im Fall häufiger Rückstände trotz Mahnung kann nur ausnahmsweise nach den Besonderheiten des Einzelfalls eine sonst naheliegende grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden (MietSlg 20.525; MietSlg 38.504 ua). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen liegen aber solche besondere Umstände hier zweifelsfrei vor.
Die bereits vor der Konkurseröffnung aufgelaufenen Mietzinsrückstände der Gemeinschuldnerin waren nach den Feststellungen der Vorinstanzen auf unregelmäßige Einnahmen zurückzuführen und wurden von der Klägerin auf Grund ihres guten Verhältnisses zur Gemeinschuldnerin toleriert. Dem Beklagten als Masseverwalter muß nicht nur ein gewisser zeitlicher Spielraum zugebilligt werden, um ihm die Beurteilung zu ermöglichen, ob die Fortsetzung des Bestandverhältnisses zweckmäßig erscheint oder nicht. Er war nach den getroffenen Feststellungen zunächst nicht in der Lage, aus den Geschäftseingängen die laufenden Mietzinse zu bezahlen, und hat dann die gesamten bestehenden Mietzinsrückstände ohne wesentlichen Verzug beglichen, nachdem ihm dies durch Zahlungen von dritter Seite ermöglicht worden war.
Wenn unter diesen Umständen die Vorinstanzen im Sinne des § 33 Abs 2 und Abs 3 MRG weder der Gemeinschuldnerin noch dem Beklagten ein grobes Verschulden am Zahlungsrückstand im Sinne obiger Rechtsausführungen angelastet haben und damit zur Abweisung des Räumungsbegehrens der Klägerin kamen, ist darin im Hinblick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles eine unrichtige rechtliche Beurteilung nicht zu erkennen.
Der Revision der Klägerin muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)