OGH 15Os49/89

OGH15Os49/896.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Juni 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Maurer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Walter L*** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 199 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Neufelden vom 15.März 1988, GZ U 178/85-9, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den Beschluß des Bezirksgerichtes Neufelden vom 15. März 1988, GZ U 178/85-9, wurde das Gesetz in der Bestimmung des § 53 Abs. 1 erster Satz StGB (nF) verletzt.

Dieser Beschluß wird aufgehoben und der Antrag des Bezirksanwaltes auf Widerruf der bedingten Nachsicht der über Walter L*** mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Neufelden vom 31. Jänner 1986, GZ U 178/85-4, verhängten Freiheitsstrafe abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem seit 4.Februar 1986 rechtskräftigen Urteil des Bezirksgerichtes Neufelden vom 31.Jänner 1986, GZ U 178/85-4, wurde Walter L*** des (in der Zeit vom 23.Dezember 1984 bis 31. Dezember 1985 verübten) Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Wochen verurteilt, die gemäß § 43 Abs. 1 StGB (alt) unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Mit dem seit 2.Februar 1988 rechtskräftigen Urteil des Bezirksgerichtes Neufelden vom 29.Jänner 1988, GZ U 61/87-7, wurde Walter L*** neuerlich des - nunmehr in der Zeit vom 1.Jänner bis 30. Juni 1987, vom 1. bis 30.August 1987, vom 1. bis 31.Oktober 1987 und vom 1.Dezember 1987 bis 28.Jänner 1988 begangenen - Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Wochen verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Wegen der zuletzt genannten, innerhalb der zweijährigen Probezeit verübten strafbaren Handlung beantragte der Bezirksanwalt am 29.Februar 1988 den Widerruf der bedingten Strafnachsicht. Nach Vernehmung des Verurteilten entsprach das Bezirksgericht Neufelden diesem Antrag mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluß vom 15. März 1988, GZ U 178/85-9, der jedoch mit dem Gesetz nicht im Einklang steht.

Zur Zeit der Beschlußfassung stand nämlich bereits die durch das StRÄG 1987 (BGBl 1987/605) geänderte Fassung des § 53 Abs. 1 StGB in Kraft (Art XIX Abs. 1 StRÄG 1987). Darnach hat das Gericht im Falle der Verurteilung eines Rechtsbrechers wegen einer während der Probezeit begangenen strafbaren Handlung die bedingte Strafnachsicht nur dann zu widerrufen und die Strafe vollziehen zu lassen, wenn dies in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung zusätzlich zu dieser geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

Das Bezirksgericht Neufelden legte jedoch seiner Widerrufsentscheidung, wie sich aus deren Begründung, namentlich der darin enthaltenen Wiedergabe jenes (vermeintlich noch in Geltung gestandenen) Gesetzestextes, auf den sich die Entscheidung stützt, eindeutig ergibt, § 53 Abs. 1 StGB in der nicht mehr wirksam gewesenen Fassung zugrunde, wonach im Falle einer neuerlichen Verurteilung grundsätzlich die bedingte Strafnachsicht zu widerrufen sowie die Strafe zu vollziehen und von einem Widerruf nur dann abzusehen war, wenn aus besonderen Gründen anzunehmen war, daß der Rechtsbrecher trotz der abermaligen Verfehlung in Zukunft keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. Das Bezirksgericht ging bei seiner Entscheidung davon aus, daß Gründe der letztgenannten Art vom Verurteilten nicht dargetan worden und auch nicht vorhanden seien.

Rechtsrichtig hätte das Bezirksgericht aber nach der neuen Rechtslage nur dann einen Widerruf aussprechen dürfen, wenn dies in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung zusätzlich zu dieser geboten erschienen wäre, um den Verurteilten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Diese Frage wurde vom Gericht - zum Nachteil des Verurteilten - überhaupt nicht geprüft.

Es war daher in Stattgebung der von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde die aufgezeigte Gesetzesverletzung festzustellen; gemäß § 292 letzter Satz StPO war der bekämpfte Beschluß aufzuheben.

Da zum Zeitpunkt dieser Kassation die Widerrufsfrist des § 56 zweiter Halbsatz StGB auch unter Bedacht auf § 49 StGB - wovon sich der Oberste Gerichtshof durch Einsicht in eine vom Oberlandesgericht Linz zu 11 Ns 181/89 eingeholten Strafregisterauskunft vom 24. März 1989 überzeugt hat - bereits abgelaufen und demnach nunmehr ein Widerruf keinesfalls mehr möglich ist (vgl EvBl 1987/189, ÖJZ-LSK 1978/243 ua), konnte der Oberste Gerichtshof ferner - insoweit abweichend vom Antrag der Generalprokuratur - sogleich in der Sache selbst erkennen sowie demgemäß den Widerrufsantrag des Bezirksanwaltes abweisen. Die - mit der Abweisung eines Widerrufsantrags nicht notwendigerweise verbundene - Beschlußfassung nach § 43 Abs. 2 StGB fällt in die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Neufelden

(idS 13 Os 180/77 nv ua).

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