OGH 12Os44/89

OGH12Os44/891.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Juni 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ofner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andreas E*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8.Februar 1989, GZ 7 b Vr 2/89-19, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, und des Verteidigers Dr. Böhmdorfer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 8.März 1957 geborene Andreas E*** wurde des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten "schweren Diebstahls durch Einbruch" (richtig: "Diebstahls durch Einbruch") nach §§ 127, 129 Z 1 und 15 StGB und des "Verbrechens" (richtig: Vergehens) der Verleumdung nach § 297 Abs 1, erster Fall, StGB schuldig erkannt. Darnach hat er - zusammengefaßt wiedergegeben - in Wien Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert gestohlen und zu stehlen getrachtet, und zwar anfangs November 1988 dem Prof. Peter W*** einen Videorecorder und am 29.Dezember 1988 dem Inhaber einer Trafik Bargeld, Rauchwaren und leicht verwertbare Gegenstände, wobei dieser Einbruchsversuch daran scheiterte, daß sich der verwendete Schraubenzieher verbog (I 1 und 2); weiters hat er am 31. Dezember 1988 Dieter G*** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung zumindest wegen des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z 2 StGB ausgesetzt, daß er vor der Polizei wider besseres Wissen unter Anführung von persönlichen Merkmalen, die auf Dieter G*** paßten, behauptete, er habe den vorgenannten (von ihm selbst gestohlenen) Videorecorder von einem ehemaligen Zimmergenossen im Heim für entlassene Strafgefangene erworben (II).

Rechtliche Beurteilung

Allein gegen die Schuldsprüche wegen versuchten Einbruchsdiebstahls (I 2) und wegen Verleumdung (II) richtet sich die (formell) auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Die in Ansehung des Versuchsfaktums (I 2) ausgeführte Verfahrensrüge (Z 4) entbehrt insofern einer gesetzmäßigen Darstellung, als sie nicht vom Wortlaut des abgelehnten Beweisantrages ausgeht. Denn während nach diesem der Trafikinhaber zum Beweis dafür vernommen werden sollte, daß es dem Angeklagten möglich gewesen wäre, die Tür (des Lokals) "mittels eines starken Schraubenziehers" zu öffnen (S 91), spricht die Beschwerde davon, durch den beantragten Zeugen hätte bewiesen werden können, daß der Angeklagte in der Lage gewesen wäre, die Trafik "mit seinem Werkzeug" - also dem bei ihm sichergestellten, verbogenen Schraubenzieher - aufzubringen.

Abgesehen davon aber fehlt - so das Schöffengericht zutreffend (S 91 und 106) - dem Beweisantrag die rechtliche Relevanz, weil freiwilliger Rücktritt vom Versuch im Sinne des § 16 Abs 1 StGB auch dann nicht vorliegt, wenn ein Täter sein Vorhaben in der auch nur irrtümlichen Annahme der Unüberwindbarkeit eines entgegenstehenden Hindernisses aufgibt (siehe Mayerhofer-Rieder3, § 16 StGB, ENr 6 bis 10, 13 bis 15 a, 17, 20), was vorliegend nach dem Geständnis des Angeklagten (bei der Trafik sei es "nicht gegangen", der Schraubenzieher habe sich verbogen: S 86) zutraf. Der Schuldspruch wegen Verleumdung (II) wird vom Angeklagten der Sache nach ausschließlich wegen Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO angefochten.

Einen Feststellungsmangel im Sinne dieser Gesetzesstelle erblickt der Beschwerdeführer - seinen formell allerdings auf Z 5 leg cit gestützten Ausführungen zufolge - im Unterbleiben der nach dem Akteninhalt (S 7, 39) indizierten Urteilsannahme, daß zum Zeitpunkt der polizeilichen Einvernahme des Angeklagten am 31. Dezember 1988 eine Diebstahlsanzeige (gegen unbekannte Täter) hinsichtlich des Videorecorders des Peter W*** der Behörde nicht vorlag. Indes: Der Tatbestand der Verleumdung setzt keineswegs voraus, daß eine (wissentlich) falsche Verdächtigung wegen einer bereits vorher der Behörde zur Kenntnis gelangten Straftat (bisher unbekannter Täter) geäußert wird. Auch wenn die Straftat der Behörde bisher nicht bekannt war, ja sogar, wenn sie überhaupt erdichtet ist, kann die in diesem Zusammenhang gegen eine bestimmte Person ausgesprochene Verdächtigung den Angeschuldigten der konkreten Gefahr behördlicher Verfolgung aussetzen. Genug daran, daß es nach Lage des Falles wenigstens wahrscheinlich ist, daß irgendeine Behörde den Verdächtigten verfolgen werde. Nur wenn die Wahrscheinlichkeit eines solchen Einschreitens von vornherein nicht besteht, fehlt es an der tatbildlichen (konkreten) Gefährdung (Mayerhofer-Rieder3, § 297, ENr 2, 2 a, 3, 5 bis 7). Daß auch ohne Anzeige gegen unbekannte Täter die Umstände der angeblichen Veräußerung eines Viderecorders (durch einen Bewohner eines Heimes für entlassene Strafgefangene an einen anderen) wenigstens polizeiliche Erhebungen zur Aufklärung der Herkunft dieses Geräts auch gegen den angeblichen Verkäufer wahrscheinlich machten, liegt auf der Hand und wird durch den tatsächlichen Ablauf des Geschehens belegt. Die Herbeiführung der konkreten Gefahr einer darüber hinausgehenden - intensiveren - Verfolgungsmaßnahme ist zur Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich (Mayerhofer-Rieder3, § 297 StGB, ENr 5).

Ebensowenig ist es - entgegen den weiteren (auch formell) auf Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Beschwerdeausführungen - Tatbestandsvoraussetzung der Verleumdung, daß sich die falsche Verdächtigung gegen eine namentlich bezichtigte Person richtet und sich eindeutig auf ein genau bezeichnetes Delikt bezieht: Zwar muß sich die Verleumdung gegen eine bestimmte Person richten; sollte diese Person nicht namentlich genannt sein, genügt es aber, wenn sie durch Anführung von Merkmalen derart bezeichnet wird, daß sie durch behördliche Nachforschungen in einem engeren Personenkreis bestimmbar ist (Mayerhofer-Rieder aaO, ENr 10 bis 11 a). In Ansehung der vorgeworfenen Straftat ist die Äußerung des Verdachtes nicht nur nach dem Wortlaut, sondern auch - unter Berücksichtigung aller Begleitumstände - nach ihrem Sinngehalt zu beurteilen; sie muß nicht in einer direkten Bezichtigung, sondern kann auch in einem nicht eindeutigen, mehrere Möglichkeiten offen lassenden (bewußt tatsachenwidrigen) Vorwurf bestehen, wenn nur eine dieser Möglichkeiten eine von Amts wegen zu verfolgende strafbare Handlung (oder die Verletzung einer Amts- oder Standespflicht) darstellt (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 13, 14 a, 15). Da nach den Urteilsfeststellungen die Polizei die Herkunft des Videorecorders, dessen Pfandschein im Besitz des Angeklagten vorgefunden wurde, - nach Lage des Falles zu Recht - aus einem Vermögensdelikt (siehe I 1) vermutete und Erhebungen zur Überprüfung dieses Verdachts anstellte, und der Angeklagte im Verlaufe dieser Erhebungen Dieter G*** zwar nicht unter Nennung dieses Familiennamens, wohl aber unter dem richtigen Vornamen und weiteren zur Ausforschung des Bezichtigten hinreichenden Merkmalen als den Verkäufer des Geräts bezeichnete (S 102 f, 107 f), bestehen keine Bedenken gegen die rechtliche Annahme des Erstgerichtes, G*** sei eines von ihm nicht begangenen Offizialdeliktes (gegen fremdes Vermögen) verdächtigt und hiedurch der Gefahr behördlicher Verfolgung ausgesetzt worden. Darauf, ob sich diese Gefahr verwirklicht, d.h. eine behördliche Verfolgung stattgefunden hat, kommt es für die Erfüllung des (objektiven) Tatbestandes nicht mehr an; doch liegt auch hierüber eine in ihrem Kern - ungeachtet dessen, daß die mit G*** von der Polizei aufgenommene Niederschrift keinen ausdrücklichen Hinweis auf die formelle Einvernahme des Genannten als Verdächtigen enthält (S 31) - durch die Aktenlage (S 27 unten und 29) hinreichend gedeckte Urteilsfeststellung vor (S 103 Ende des ersten Abs ). Daß die Herkunft des Videorecorders aus einem Diebstahl für die Polizei erst auf Grund des beim Widerruf der Bezichtigung gegen G*** durch den Angeklagten abgelegten Geständnisses eindeutig feststand (S 37), ist - der Ansicht des Beschwerdeführers zuwider - ohne rechtlichen Belang. Die Urteilsfeststellungen reichen auch aus, um die Verwirklichung des Tatbestands der Verleumdung in subjektiver Hinsicht anzunehmen; hat doch der Angeklagte darnach den Dieter G*** nicht nur bewußt wahrheitswidrig als Verkäufer des Videorecorders bezeichnet, sondern dabei auch mit dem im § 297 Abs 1 StGB vorausgesetzten Gefährdungsvorsatz gehandelt (S 103, 108). Die von der Richtung der polizeilichen Erhebungen abweichende unbekämpfte Beurteilung der dem Dieter G*** fälschlich vorgeworfenen Tat (wenigstens) als Vergehen der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z 2 StGB (statt als Diebstahlsvergehen nach § 127 StGB) gibt schon im Hinblick auf das Fehlen jeglicher Benachteiligung des Angeklagten keinen Anlaß zu einer amtswegigen Prüfung nach § 290 Abs 1 StPO.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Über den Angeklagten werde gemäß §§ 28 Abs 1, 129 StGB eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten verhängt. Dazu wertete das Schöffengericht als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, dessen überaus raschen Rückfall, die Tatwiederholung beim Diebstahl sowie das Zusammentreffen von "zwei Verbrechen" (richtig: eines Verbrechens mit einem Vergehen), wogegen es als mildernd das Teilgeständnis und den Umstand in Betracht zog, daß es in einem Faktum beim Versuch geblieben war.

Die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Strafherabsetzung anstrebt, ist nicht begründet.

Angesichts dessen, daß der in Frage stehende Videorecorder vom Dorotheum mit 5.000 S belehnt wurde, kann ersichtlich keine Rede davon sein, daß der verursachte Schaden "nur ein äußerst geringer" gewesen sei, was, wie der Berufungswerber meint, zusätzlich als mildernd berücksichtigt werden müßte. Die tatrichterlichen Strafzumessungsgründe bedürfen daher weder in dieser Richtung noch sonstwie einer Korrektur. Geht man von ihnen aus und legt man namentlich dem schwer getrübten Vorleben des Angeklagten und dem überaus raschen Rückfall - er war erst am 25.August 1988 aus einer wegen Vermögensdelikten verhängten einjährigen Haftstrafe entlassen worden - die gebührende Bedeutung bei, dann erweist sich die geschöpfte Unrechtsfolge bei einem (ohne Anwendung des § 39 StGB) bis zu fünf Jahren reichenden Strafsatz als keineswegs überhöht; sie ist mithin einer Reduktion nicht zugänglich.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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