Spruch:
Der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 11.Jänner 1989, GZ 14 E Vr 2243/88-4, über den Widerruf der im Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 29.Oktober 1985, GZ 11 Vr 340/85-26, gewährten bedingten Nachsicht der mit eben diesem Urteil über Thomas S*** verhängten Freiheitsstrafe verletzt die Bestimmungen des § 494 a Abs. 1 Z 4 und Abs. 3 StPO sowie des § 53 Abs. 1 StGB und in dem sich aus § 498 StPO ergebenden Verbot, nach (wenn auch noch nicht rechtskräftiger) Beschlußfassung über eine endgültige Strafnachsicht unter Umgehung eines gegen diese Beschlußfassung zulässigen Rechtsmittelverfahrens in dieser Sache nochmals zu entscheiden. Der Beschluß wir aufgehoben.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Jugendschöffengericht vom 29.Oktober 1985, GZ 11 Vr 340/85-26, wurde Thomas S*** des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch und der Vergehen der Körperverletzung sowie des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen schuldig erkannt; über ihn wurde dafür eine Freiheitsstrafe von drei Monaten verhängt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde die Strafe für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Das Urteil erwuchs mit dem Ablauf des 4. November 1985 in Rechtskraft. Dem Rechtsbrecher wurde ein Bewährungshelfer bestellt (ON 31).
Mit dem Beschluß vom 23.Dezember 1988, ON 39, sprach das Landesgericht Klagenfurt aus, daß die über Thomas S*** verhängte Strafe endgültig nachgesehen ist (§ 43 Abs. 2 StGB). Dieser Beschluß wurde von der Staatsanwaltschaft mit Beschwerde bekämpft (ON 43) und ist noch nicht rechtskräftig.
In der Folge wurde Thomas S*** mit dem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Klagenfurt vom 11.Jänner 1989, GZ 14 E Vr 2243/88-4, wegen eines am 11. und 12.November 1988
begangenen Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen abermals zu einer (diesmal unbedingten) Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Gleichzeitig widerrief der Einzelrichter (ersichtlich unter Heranziehung des § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO) die oben angeführte bedingte Strafnachsicht, ohne im Sinne des § 494 a Abs. 3 StPO den seinerzeit bestellten Bewährungshelfer gehört zu haben (siehe hiezu Mayerhofer-Rieder2, ENr 6 zu § 495 StPO).
Rechtliche Beurteilung
Über die Verletzung dieser Anhörungsvorschrift hinaus steht der in Rechtskraft erwachsene Widerrufsbeschluß aber noch in zwei weiteren grundsätzlichen Punkten mit dem Gesetz nicht im Einklang:
So wurde die bedingte Strafnachsicht wegen einer nach der mit dem 4. November 1988 abgelaufenen Probezeit (erst) am 11. und 12.November 1988 begangenen strafbaren Handlung widerrufen, sodaß die maßgebliche prozessuale und materiellrechtliche Entscheidungsvoraussetzung nach § 494 a Abs. 1 StPO (Rückfall "vor Ablauf der Probezeit") und § 53 Abs. 1 StGB (bzw: "während der Probezeit") nicht vorlag, zumal Zeiten, die den Ablauf dieser Probezeit hinausgeschoben hätten (§ 49, letzter Satz, StGB), nicht zu ersehen sind.
Dazu tritt, daß der Widerruf der bedingten Strafnachsicht am 11. Jänner 1989 (GZ 14 E Vr 2243/88-4 des Landesgerichtes Klagenfurt) trotz der zuvor am 23.Dezember 1988 im Sinne des § 43 Abs. 2 StGB beschlossenen endgültigen Nachsicht eben dieser Strafe (GZ 11 Vr 340/85-39 des Landesgerichtes Klagenfurt) verfügt wurde. Auch wenn diese endgültige Nachsicht infolge Anfechtung durch die Staatsanwaltschaft (dort ON 43) nicht in Rechtskraft erwuchs, hindert die Bindungswirkung der Entscheidung über die endgültige Strafnachsicht eine Abänderung der beschlußmäßigen Feststellung, es sei denn, sie wäre das Ergebnis einer Anfechtung im Beschwerdeweg (§ 498 StPO); außerhalb eines solchen Rechtsmittelverfahrens (wie es hier durch die Beschwerde der Staatsanwaltschaft zu 11 Vr 340/85 des Landesgerichtes Klagenfurt ausgelöst wurde) darf ein Widerrufserkenntnis dann nicht mehr ergehen (SSt 56/18; EvBl 1989/64), weil es eben nicht angeht, den der Widerrufsentscheidung vorangegangenen Ausspruch über die endgültige Strafnachsicht durch eben diese Widerrufsentscheidung unter Umgehung des Rechtsmittelverfahrens kurzerhand zu beseitigen. Da sich die aufgezeigten Gesetzesverletzungen zum Nachteil des Beschuldigten auswirkten, war in Stattgebung der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Beschwerde spruchgemäß zu erkennen.
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