OGH 6Ob600/89

OGH6Ob600/8931.5.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisiongericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Martin L***, Schlosser, geboren am 31. Mai 1933 in Schönbirk, wohnhaft in St. Georgen, Obereching 191, vertreten durch Dr. Jürgen Hinterwirth, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Rosina L***, im Haushalt, geboren 7. Oktober 1935 in Biber, wohnhaft in St. Georgen, Obereching 191, vertreten durch Dr. Gerhard Holzinger, Rechtsanwalt in Braunau am Inn, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 1. März 1989, GZ 21 b R 1/89-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Oberndorf bei Salzburg vom 25. Oktober 1988, GZ C 2/87 -20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise stattgegeben. Das angefochtene Urteil wird derart abgeändert, daß der Verschuldensausspruch im Urteil erster Instanz zu lauten hat:

"Beide Teile trifft ein Verschulden. Das Verschulden des Klägers überwiegt."

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die Hälfte der mit S 36.299,10 bestimmten Anwaltskosten aller drei Instanzen (darin enthalten an Umsatzsteuer S 3.845,60) sowie drei Viertel der Barauslagen von S 2.600,-- (das sind S 1.950,--), daher insgesamt S 20.099,55 binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 28. Juli 1956 haben der damals 23 Jahre alte KLäger und die damals im 21. Lebensjahr gestandene Beklagte die Ehe geschlossen. Durch diese Eheschließung wurde ein drei Wochen zuvor geborener Sohn legitimiert. Während der Ehe gebar die Beklagte vier weitere Kinder, die alle inzwischen bereits volljährig geworden sind. Die eheliche Lebensgemeinschaft der Streitteile ist im Sinne ihrer Vereinbarung vom 22.Oktober 1984 seit Ende Oktober 1984 aufgehoben. Beide Streitteile erachten nunmehr übereinstimmend ihre Ehe als unheilbar zerrüttet.

Mit dem am 3. April 1987 klageweise erhobenen Scheidungsbegehren strebte der Kläger eine Scheidung aus dem Verschulden der Beklagten an. Als schwere Eheverfehlungen der Beklagten machte er dabei geltend: Sie sei seit Jahren streitsüchtig, sei ihm lieblos und abweisend begegnet und habe ihn wiederholt gröblichst beschimpft. Seit 1980 habe die Beklagte, wie der Kläger im Dezember 1980 erfahren habe, mit dem Mann eines befreundeten Ehepaares ehewidrige, wenn nicht gar ehebrecherische Beziehungen unterhalten. Die Beklagte widersetzte sich ungeachtet der auch von ihr angenommenen unheilbaren Zerrüttung der Ehe aus pensionsrechtlichen Erwägungen der vom Kläger angestrebten (Verschuldens-)Scheidung. Sie bestritt sämtliche ihr angelasteten Eheverfehlungen, vor allem jeden ehewidrigen Umgang. Hilfsweise stellte die Beklagte einen Mitschuldantrag, wobei sie ausdrücklich die Feststellung eines überwiegenden Verschuldens des Klägers beantragte. Dazu lastete sie dem Kläger die ihr von diesem vorgeworfene streitsüchtige, lieblose, abweisende Begegnung mit gröblichen Beschimpfungen sowie schikanöse Störungen seit ihrer Rückkehr in das gemeinschaftliche Haus, vor allem aber eine anläßlich eines Kuraufenthaltes im August/September 1984 aufgenommene ehewidrige Beziehung zu einer ihr gegenüber mehr als zehn Jahre jüngeren Frau an, mit der der Kläger seit der Vereinbarung getrennter Wohnungsnahme der Ehegatten in Lebensgemeinschaft lebe.

Das Prozeßgericht erster Instanz sprach im Sinne des Klagebegehrens sowie in teilweiser Stattgebung des Mitschuldantrages die Scheidung der Ehe aus dem gleichteiligen Verschulden beider Streitteile aus.

Das nur von der Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Dabei übernahm es die erstrichterlichen Feststellungen. Aus diesen ist hervorzuheben:

Aus verschiedenen, nicht mehr feststellbaren Anlässen war es zwischen den Streitteilen bereits in den Jahren vor ihrer Trennung oft zu schweren Auseinandersetzungen gekommen. Das Vorbringen des Klägers über eine fortgesetzt streitsüchtige, von sich aus lieblose und abweisende Begegnung seitens der Beklagten nahm das Gericht nicht als erwiesen an.

Die Streitteile waren jahrelang mit einem anderen Ehepaar befreundet. Ab dem Frühjahr 1984 unterhielt die Beklagte, wie schon drei bis vier Jahre zuvor, zu dem zu ihr gleichaltrigen Mann des befreundeten Paares (einem Postbediensteten im Zustelldienst) fortgesetzt über eine bloße Freundschaft hinausgehende Beziehungen, über die auch in der Nachbarschaft und im Bekanntenkreis auf Grund der Beobachtungen wiederholten Beisammenseins gesprochen wurde. Bei ihrem Zusammentreffen tauschte die Beklagte mit dem Mann des befreundeten Ehepaares Zärtlichkeiten. Der Kläger erhielt von diesem Umgang seiner Frau um die Jahreswende 1986/87 (ihm glaubhaft erscheinende) Nachricht.

Der Kläger lernte anläßlich seines Kuraufenthaltes vom 13.August bis 6.September 1984 eine damals 38 Jahre alte Frau kennen. Zu dieser blieb er auch nach dem Ende der Kur in ständigem Kontakt. Auf sein Ersuchen nahm diese damals in Wien wohnhafte (verheiratete) Frau Ende September 1984 in der Nähe des Wohnortes der Streitteile Unterkunft. Ende September 1984 brachte der Kläger eine Scheidungsklage ein. In dem darüber abgeführten Rechtsstreit vereinbarten die Streitteile am 17.Oktober 1984 Ruhen des Verfahrens. Am 22.Oktober 1984 vereinbarten sie durch ihre Prozeßbevollmächtigten die sofortige Aufhebung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft. Wenige Tage später zog die Beklagte im Sinne dieser Abrede aus dem gemeinsamen Eigenheim fort. Seit 22.Oktober 1984 lebt der Kläger dort mit der Frau, die er während seines Kuraufenthaltes kennen gelernt hatte, in Lebensgemeinschaft. Anfangs Mai 1985 kehrte die Beklagte in das gemeinsame Eigenheim zurück, nahm aber getrennt vom Kläger und seiner Lebensgefährtin, die die Parterreräume bewohnen, im Obergeschoß Wohnung. Seither kam es zwischen den Streitteilen mehrfach zu Auseinandersetzungen über den Besitzstand, die auch in einem gerichtlichen Besitzstörungsverfahren ausgetragen wurden.

Durch die festgestellten beiderseitigen Verhaltensweisen ist (wechselseitig) der Wille beider Streitteile zur Fortsetzung ihrer ehelichen Gemeinschaft (endgültig) gebrochen worden. Das Prozeßgericht erster Instanz hatte nicht nur die festgestellte ehewidrige Beziehung der Beklagten als Verletzung der ehelichen Treue, sondern ebenso die in der Folge zur Lebensgemeinschaft entwickelte Beziehung des Klägers zu einer Kurbekanntschaft als schwere und für die unheilbar gewordene Ehezerrüttung ursächliche Eheverfehlungen gewertet. Einen augenfälligen Unterschied der festgestellten beiderseitigen Verfehlungen für die Ehezerrüttung, der die Bedeutung des Verschuldens der Beklagten gegenüber jenem des Klägers eindeutig in den Hintergrund treten ließe, hatte das Prozeßgericht erster Instanz nicht angenommen.

Das Berufungsgericht teilte die erstrichterliche rechtliche Beurteilung. Dabei entgegnete es auf die Ausführungen der Beklagten, daß sich der Kläger zu einer Zeit einer anderen Frau zugewendet habe, als er von den der Beklagten angelasteten Beziehungen noch nichts gewußt und diese deshalb auch nicht als ehezerstörend empfunden habe: Maßgebender Zeitpunkt für den Umstand, Eheverfehlungen des anderen als ehezerstörend zu empfinden, sei der der Klagserhebung. Ehewidrige Beziehungen eines Ehegatten entfalteten ihre zerstörende Wirkung nicht nur dadurch, daß sie den anderen empörten, sondern auch dadurch, daß sie beim untreuen Ehegatten die eheliche Gesinnung beeinträchtigten, was sich in einer Verminderung des Ehewillens beider Partner niederschlagen könnte. Die Beklagte habe den ihr oblegenen Beweis nicht erbracht, daß der Kläger ihr Verhalten nicht als ehezerstörend empfunden hätte. Die Beklagte ficht das bestätigende Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit einem auf Klagsabweisung und hilfsweise auf Änderung des Verschuldensausspruches im Sinne der Feststellung eines überwiegenden Verschuldens des Klägers zielenden Abänderungsantrag an.

Der Kläger strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Das Klagerecht des Mannes ist nach den erstrichterlichen Feststellungen (insbesondere der im drittletzten Absatz der Urteilsbegründung) nicht ernstlich in Zweifel zu ziehen. Das Vorhandensein einer bestimmten Empfindung ist eine Tatfrage. Die Beweislast dafür, daß ein ehewidriges Verhalten vom anderen Ehepartner nicht als ehezerstörend empfunden worden sei, trifft den sich ehewidrig verhaltenden Eheteil. Der Beklagten ist der ihr oblegene Beweis nicht nur nicht gelungen, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, sie hat diesen Beweis in erster Instanz nicht einmal angetreten.

In der Verschuldensabwägung vermag das Revisionsgericht allerdings der Beurteilung der Vorinstanzen nicht beizutreten. Nach den zugrunde zu legenden Feststellungen war das eheliche Einvernehmen bereits seit Jahren wegen häufiger heftiger Auseindersetzungen, die keinem der beiden Streitteilen einseitig zum Verschulden zugerechnet werden können, belastet. Der wiederholte ehewidrige Umgang der Beklagten mit dem Mann eines befreundeten Ehepaares muß zwar für die Vertiefung der bereits als vorhanden anzunehmenden Ehezerrüttung als ursächlich angesehen werden, aber nicht gerade als auslösend für die Zerrüttung. Der Art nach lag in den ehewidrigen Zusammenkünften der Beklagten zwar ein schwerer Treuverstoß, aber doch keine völlige Abwendung vom langjährigen Ehepartner. Eine solche ist aber dem Gesamtverhalten des Klägers in seiner Zielsetzung schon vor der letztlich vereinbarten Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu entnehmen. Dies wiegt augenfällig schwerer als das festgestellte Fehlverhalten der Beklagten.

In teilweiser Stattgebung der Revision war der Verschuldensausspruch im Sinne einer Feststellung des Überwiegens des Verschuldens des Klägers abzuändern.

Danach hat der Kläger der Beklagten die Hälfte ihrer Prozeßkosten aller drei Instanzen zu ersetzen, von den Barauslagen allerdings gemäß § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO drei Viertel.

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