OGH 5Ob564/89

OGH5Ob564/8923.5.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dipl.Kfm. Christiane N***, Pfeilgasse 8/29, 1080 Wien, 2. Rudolf K***, Hans Gatter Platz 3, 9500 Villach, 3. Margit N***, Schikanedergasse 11, 1040 Wien, 4. Sylvia N***, Hauptstraße 134, 1140 Wien, 5. Gertrude E***, Hochedlingergasse 1, 1020 Wien, 6. Silvia V***, Hauptstraße 134, 1140 Wien, 7. Dr.Wilfried N***, Hauptstraße 134, 1140 Wien, und 8. Helene W***, Trattnerhof 2, 1010 Wien, alle Liegenschaftsmiteigentümer und vertreten durch Dr.Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei protokollierte Firma Astrid S*** & CO, Trattnerhof 2, 1010 Wien, vertreten durch Dr.Paul Doralt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung eines Mietgegenstandes, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 24.Jänner 1989, GZ 48 R 476/88-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 22.Jänner 1988, GZ 48 C 557/87x-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.241,72 (darin S 1.873,62 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagenden Miteigentümer der Liegenschaft mit dem Haus Trattnerhof 2 in 1010 Wien verfügen über die Mehrheit der Anteile. Die beklagte Partei hat als am 8.Jänner 1974 begonnene und am 22. Mai 1974 ins Handelsregister beim Handelsgericht Wien zu A 20498 eingetragene Kommanditgesellschaft mit der persönlich haftenden Gesellschafterin Astrid S*** und dem Kommanditisten Ladislaus S*** am 6.Mai 1976 von den Eigentümern der Liegenschaft das im Haus Trattnerhof 2, 1010 Wien, gelegene Gassengeschäftslokal Nr 3 zum Betrieb des Handels mit Kindermodeartikel und Zubehör auf unbestimmte Zeit gegen den wertgesichert zu entrichtenden Hauptmietzins von S 7.000,-- zuzüglich der Betriebskosten gemietet. Noch 1976 trat der Kommanditist Ladislaus S*** aus der Gesellschaft aus und Ing.Peter P*** trat als Kommanditist in die Gesellschaft ein.

Auf Grund der Eintragung in das Handelsregister vom 8.Mai 1987, daß die Komplementärin Astrid S*** und der Kommanditist Ing.Peter P*** aus der Gesellschaft ausgetreten und in diese die persönlich haftenden Gesellschafter Maria S***, Friedrich S*** und Rosemarie S*** eingetreten sind, womit die Kommanditgesellschaft nunmehr zur offenen Handelsgesellschaft wurde, begehrte der Hausverwalter ab dem 1.August 1987 die Erhöhung des vertraglich vereinbarten Mietzinses von monatlich S 15.853,39 auf den als angemessen iSd § 16 Abs 1 Z 1 MRG erachteten Hauptmietzins von S 50.000,-- zuzüglich der anteiligen Betriebskosten und laufenden öffentlichen Abgaben.

Die beklagte Hauptmieterin bezahlte nur den vereinbarten Mietzins.

Die nunmehrigen offenen Gesellschafter der beklagten Handelsgesellschaft, deren Unternehmen unter der bisherigen Firma Astrid S*** & CO im Mietgegenstand fortgeführt wird, sind auch Gesellschafter der im Handelsregister zu A 11.435 eingetragenen offenen Handelsgesellschaft mit der Firma Kindermoden "Mary" Inh. Maria S*** & Sohn Einzelhandel, die am 1.Jänner 1978 begonnen hat und an zahlreichen Betriebsstätten im Raum Wien den Kleinhandel mit Kindermodeartikeln betreibt.

Mit der am 6.Oktober 1987 der beklagten Hauptmieterin zugestellten Räumungsklage erklärte die Mehrheit der Vermieter nach § 1118 ABGB die Aufhebung des Bestandvertrages wegen groben Zahlungsverzuges, weil auf den für August und September 1987 fällig gewordenen Mietzins nur ein Bruchteil bezahlt worden sei. Es sei Parteiwille gewesen, das im Mietgegenstand betriebene Unternehmen zu veräußern. Nur zur Umgehung der mit der Unternehmensveräußerung verbundenen Rechtsfolge nach § 12 Abs 3 MRG sei statt des gewollten Kaufgeschäftes eine Gesellschaftsbeteiligung erfolgt, um den Vermietern die Möglichkeit zu nehmen, die Anhebung des Hauptmietzinses auf den angemessenen Betrag zu begehren. Es liege ein "Scheingeschäft" vor, die Gesellschafter der beklagten Partei führten ihre Geschäfte mit dem Unternehmenskennzeichen "Mary" und unter der Firma Kindermoden "Mary" Inh. Maria S*** & Sohn Einzelhandel.

Die beklagte Partei beantragte, das Räumungsbegehren abzuweisen. Der vereinbarte Mietzins sei rechtzeitig bezahlt worden. Das Verlangen der Vermieter nach Erhöhung des Hauptmietzinses auf den Monatsbetrag von S 50.000,-- sei unberechtigt, weil der Wechsel der Gesellschafter der beklagten Gesellschaft nicht den Tatbestand nach § 12 Abs 3 MRG erfülle. Die Gesellschaft sei weiter Hauptmieterin und führe ihr seit jeher im Mietgegenstand betriebenes Unternehmen unverändert weiter.

Das Erstgericht wies das auf Räumung des Geschäftslokals gerichtete Klagebegehren ab. Auf der Grundlage des eingangs dargestellten Sachverhaltes kam das Erstgericht zu dem Ergebnis der rechtlichen Beurteilung, auch der Wechsel aller Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft berühre ihre Mieterstellung nicht und führe nicht zur Anwendbarkeit des § 12 Abs 3 MRG. Wäre aber das Unternehmen von der beklagten Partei an die offene Handelsgesellschaft Kindermoden "Mary" Inh. Maria S*** & Sohn Einzelhandel veräußert worden, so hätte die Erwerberin mit dem Unternehmen auch das Mietrecht erhalten. In diesem Fall könnte aber nicht vom bisherigen Hauptmieter ein höherer Hauptmietzins begehrt werden sondern nur vom Erwerber, so daß in jedem Fall das Räumungsbegehren unberechtigt sei.

Das Berufungsgericht bestätigte und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Es teilte die Rechtsansicht, daß eine Mietzinsanhebung nach § 12 Abs 3 MRG jedenfalls dann nicht erfolgen könne, wenn es zu keinem Wechsel in der Person des Hauptmieters komme. In den Fällen der bloßen Auswechslung auch aller Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft, an die vermietet wurde, bleibe die Identität des Hauptmieters bestehen. Der Vermieter sei nicht berechtigt, vom bisherigen Hauptmieter die Bezahlung eines angehobenen Hauptmietzinses zu begehren. Der auf § 1118 Fall 2 ABGB gestützte Räumungsanspruch bestehe nicht, weil die beklagte Partei den fälligen geschuldeten Mietzins entrichtet habe und eine Verpflichtung zur Leistung des darüber hinaus von den Vermietern geforderten Betrages nicht vorlag.

Mit ihrer Revision aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache streben die Kläger die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen und die Stattgebung des Räumungsbegehrens und hilfsweise die Aufhebung und den Auftrag zu neuer Entscheidung nach Verfahrensergänzung an.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach der mit der Zielsetzung, die früher umstrittene Abtretung von Geschäftsraummieten einer sachgerechten Lösung zuzuführen (RV 425 BlgNR 15.GP, 38) und das Entstehen "gespalteter Mietverhältnisse" (vgl Fenyves in Korinek-Krejci HBzMRG 312 ff) bei Unternehmensveräußerung zu vermeiden (Frotz-Hügel, ÖStZ 1982, 142 f; MietSlg 36.279/12 ua), mit dem 1.Jänner 1982 neu geschaffenen Regelung des § 12 Abs 3 MRG gehen die Hauptmietrechte an einer Geschäftsräumlichkeit im Falle der Veräußerung des darin betriebenen Unternehmens auf den Erwerber über, der das erworbene Unternehmen im Mietgegenstand weiterführt. Die Veräußerung bewirkt den Eintritt des Erwerbers des Unternehmens in das Mietverhältnis über die Geschäftsräume, in denen das Unternehmen betrieben wird (Würth in Rummel, ABGB, Rz 7 zu § 12 MRG). Als Ausgleich für die gegen den Willen des Vermieters eintretende Aufdrängung eines neuen Vertragspartners kann der Vermieter vom neuen Hauptmieter die Erhöhung eines geringeren Hauptmietzinses auf den nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG angemessenen Betrag fordern und ist damit in der Hauptmietzinsbildung nicht schlechter gestellt, als wäre der Mietvertrag mit dem Unternehmensveräußerer beendet und neu vermietet worden und die Höhe des Hauptmietzinses zulässig bis zu dem für den Mietgegenstand nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen Betrag vereinbart (Würth aaO; Frotz-Hügel; ÖStZ 1982, 144; Zingher in ÖJZ 1982, 113; MietSlg 37.281; MietSlg 37.282/34 ua).

Die Berechtigung des Vermieters, von seinem neuen Hauptmieter einen angehobenen Hauptmietzins fordern zu dürfen, setzt also geradezu voraus, daß es zu einer Auswechslung seines Vertragspartners tatsächlich gekommen ist. Das Begehren ist gegen den neuen Hauptmieter zu richten, der infolge des Erwerbes und der Fortführung des im Mietgegenstand betriebenen Unternehmens in das Bestandverhältnis anstelle des früheren Mieters eingetreten ist. Es entspricht der jedenfalls herrschenden Ansicht, daß Personengesellschaften des Handelsrechtes zwar nicht selbst Rechtspersönlichkeit besitzen, jedoch nach § 124 Abs 1 HGB (offene Handelsgesellschaft) und § 161 Abs 2 HGB (Kommanditgesellschaft) unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und geklagt werden können und daher ein solches Ausmaß von Selbständigkeit besitzen, daß sie im Rechtsverkehr wie juristische Personen auftreten können (GesRZ 1972, 50). Die Mietrechte der Gesellschaft werden durch einen Wechsel ihrer Gesellschafter nicht berührt (HS I/39; HS I/72 ua). Auch der gleichzeitige Wechsel aller Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft ändert nichts an der Identität der Gesellschaft, weil die Rechtsträger des Gesellschaftsvermögens die jeweiligen Gesellschafter zur gesamten Hand sind (Lindinger, Miet-, Gebühren- und Gesellschaftsrechtliches zum Totalwechsel der Gesellschafter einer Personengesellschaft, WBl 1989, 113 mwN; WBl 1988, 119; WBl 1988, 310).

Der zur Entscheidung berufene 5.Senat hat bereits die Ansicht vertreten, daß auch bei einem Wechsel aller Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft, an die Räumlichkeiten zur geschäftlichen Betätigung vermietet wurden, ebensowenig eine Unternehmensveräußerung vorliegt wie bei der Änderung der Gesellschaftsform einer offenen Handelsgesellschaft in eine Kommanditgesellschaft oder umgekehrt (5 Ob 161/86 in Ofner, Der Veräußerungstatbestand des § 12 Abs 3 MRG; WoBl 1989, 10; WBl 1988, 310 mit kritischer Anmerkung von Ofner). An dieser herrschenden Auffassung (Novotny, Der Einfluß von Änderungen im Gesellschaftsverhältnis auf die Geschäftsraummiete, GesRZ 1986, 19; zusammenfassend Ofner, WoBl 1989, 12; auch Lindinger, WBl 1989, 113 f; RdW 1987, 408 ua) wird festgehalten: Wurde der Mietvertrag - wie hier - mit einer Personenhandelsgesellschaft geschlossen, bleibt eine gesellschaftsrechtliche Veränderung, sei es in der Rechtsform (KG - OHG) sei es in der Person der Gesellschafter bedeutungslos, weil diese Veränderungen nicht den Übergang des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens auf einen Erwerber iSd § 12 Abs 3 MRG bedeuten, vielmehr die Personenhandelsgesellschaft weiter der Hauptmieter bleibt. Dies wurde schon in WBl 1988, 310 mit aller Deutlichkeit betont. Die von Ofner (WBl 1988, 311) geäußerten Zweifel an der Richtigkeit verkennen, daß der Wechsel der Gesellschafter auch der Personenhandelsgesellschaft eben an der Identität der Gesellschaft als Vertragspartner des Vermieters nichts ändert (Lindinger, WBl 1989, 113).

Die Kläger sind selbst davon ausgegangen, daß ihnen nicht ein neuer Hauptmieter aufgedrängt wurde, sondern daß die beklagte Personenhandelsgesellschaft, an die das Geschäftslokal im Jahr 1976 in Bestand gegeben wurde, weiter die Hauptmietrechte besitzt. Damit können sie aber schon mangels Austausch ihres Vertragspartners keine Ansprüche auf Anhebung des Hauptmietzinses erheben, weil eine Unternehmensveräußerung nach § 12 Abs 3 MRG nicht vorliegt. Soweit sie aber in der Revision meinen, die beklagte Gesellschaft habe den ihr nach § 12 Abs 3 MRG unschädlichen Gesellschafterwechsel gewählt, statt ihr Unternehmen an eine andere Personenhandelsgesellschaft, an der die selben offenen Gesellschafter beteiligt sind, zu veräußern, ist ihnen zu erwidern:

Grundsätzlich ist es nicht unerlaubt, in eine bestehende Gesellschaft, die Hauptmietrechte besitzt, einzutreten. Es steht daher eine solche Vertragsgestaltung zu. Niemand ist verpflichtet, ein Rechtsgeschäft so zu gestalten, daß ein Dritter daraus einen Vorteil zieht. Eine Ausweitung des im § 12 Abs 3 MRG verankerten Gedankens, dem Vermieter als Ausgleich für die Aufdrängung eines neuen Vertragspartners eine Anhebung bis zur Höhe des bei Neuvermietung zulässigen Hauptmietzinses zu gewähren, durch Zulassung der Anhebung auch dann, wenn zwar nicht ein Eintritt in die Hauptmietrechte des bisherigen Hauptmieters erfolgt, aber die Gesellschafter der Gesellschaft, deren Hauptmietrechte aufrecht bleiben, wechseln, ist weder nach dem Wortlaut des Gesetzes noch nach den Materialien denkbar. Das von den Revisionswerbern vorgetragene Argument, ihr Haftungsfond könne geschmälert sein, versagt schon deshalb, weil eine Anhebung des Hauptmietzinses wohl nicht das geeignete Mittel ist, allenfalls eintretende Zahlungsschwierigkeiten der Hauptmieterin auszugleichen, worauf die beklagte Partei völlig zutreffend hinweist.

Es fehlt daher jede Rechtsgrundlage für das Verlangen der Vermieter, ihre Hauptmieterin habe wegen des Wechsels der Gesellschafter (und allenfalls der Ausweitung ihrer Haftung als offene Gesellschafter) einen den vertraglich bedungenen (frei vereinbarten und wertgesicherten) Hauptmietzins übersteigenden einseitig erhöhten Hauptmietzins zu entrichten und wegen ihrer Weigerung zur Zahlung den Mietgegenstand zu räumen. Daß die Hauptmieterin durch die personelle Verbindung ihrer Gesellschafter in die Lage versetzt wird, ihre Geschäftstätigkeit auszuweiten oder sich der Vorteile der Geschäftskette der anderen Gesellschaft zu bedienen, rechtfertigt sicher nicht die einseitige Anhebung des Hauptmietzinses, weil dies nicht anders zu sehen ist, als wenn der Geschäftsraummieter sonst seinen Unternehmensumfang auszuweiten versteht.

Völlig zutreffend haben die Vorinstanzen die Aufhebungserklärung der Vermieter als ohne gesetzliche Grundlage abgegeben erkannt und das Räumungsbegehren abgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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