OGH 5Ob30/89

OGH5Ob30/8923.5.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Jutta A***, medizinisch-technische Assistentin, Wien 7., Lerchenfelderstraße 63/10, vertreten durch Hannelore I***, Landessekretärin des Mieterschutzverbandes Österreichs, Wien 7., Döblergasse 2, wider die Antragsgegnerin Andrea L***, Hauseigentümerin, Wien 23., Erlaaerstraße 54, vertreten durch Dr. Gerhard Benn-Ibler, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 15. November 1988, GZ 41 R 254/88-9, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 4. November 1987, GZ 47 Msch 13/87-5, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, daß die Antragsgegnerin ihr gegenüber in der Zeit vom 1. November 1985 bis einschließlich 1. Februar 1987 durch die Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses von 3.000 S für die Hauptmietwohnung in Wien 7., Lerchenfelderstraße 63/10, das gesetzlich zulässige Zinsausmaß um 1.426,20 S monatlich überschritten habe, und die Schaffung eines Rückforderungstitels im Sinne des § 37 Abs 4 MRG. Die Wohnung falle in die Kategorie B und weise eine Nutzfläche von 86 m2 auf. Am 1.Oktober 1985 habe die Antragsgegnerin mit der Vormieterin der Wohnung Frieda L*** gegen Einräumung eines Weitergaberechtes einen wertgesicherten Hauptmietzins von 3.000 S monatlich vereinbart. Die Antragstellerin sei seit 1.November 1985 Hauptmieterin der Wohnung. Das Begehren eines monatlichen Hauptmietzinses von 3.000 S sei unzulässig, "weil es eine Umgehung des § 16 Abs 1 Z 7 MRG darstelle".

Die Antragsgegnerin beantragt die Abweisung des Antrages. Es sei zwar richtig, daß die Wohnung in die Kategorie B falle und eine Nutzfläche von 86 m2 aufweise, doch sei die Antragstellerin nicht durch den Abschluß eines neuen Mietvertrages, sondern durch Eintritt in den Mietvertrag mit der Vormieterin vom 14. April 1953 Hauptmieterin geworden. Die mit der Vormieterin am 1.Oktober 1985 abgeschlossene Hauptmietzinserhöhungsvereinbarung sei gemäß § 16 Abs 1 Z 7 MRG zulässig gewesen, die Antragstellerin habe die sich daraus ergebende Zahlungspflicht durch den Eintritt in den Mietvertrag übernommen. Bei Annahme eines nichtigen Umgehungsgeschäftes würde zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin kein Vertragsverhältnis bestehen.

Nachdem die dem Antrag stattgebende Entscheidung der Schlichtungsstelle durch die rechtzeitige Anrufung des Gerichtes seitens der Antragsgegnerin außer Kraft getreten war, wies das Erstgericht den Antrag mit Sachbeschluß ab. Es ging auf Grund der Außerstreitstellungen und der vorgelegten Urkunden von folgendem Sachverhalt aus:

Die Vormieterin Frieda L*** war seit dem 14. April 1953 Hauptmieterin der Wohnung top.Nr. 10 im Haus Wien 7., Lerchenfelderstraße 63 (Beilage 2). Mit Vertrag vom 1.Oktober 1985 wurde im Sinne des § 16 Abs 1 Z 7 MRG ab 1. Oktober 1985 ein wertgesicherter monatlicher Hauptmietzins in der Höhe von 3.000 S vereinbart. Gleichzeitig wurde vereinbart, daß der Voirmieterin bis 31. März 1986 ein einmaliges Weitergaberecht eingeräumt wird (Beilage 3). Von diesem Weitergaberecht hat die Vormieterin Gebrauch gemacht. Die Antragstellerin (die nach dem übereinstimmenden Parteienvorbringen - AS 12 - bei Abschluß der Vereinbarung Beilage 3 anwesend war) gab dem Rechtsvertreter der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 1.Oktober 1985 (Beilage 1) bekannt, daß sie von Frieda L*** die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis bezüglich der verfahrensgegenständlichen Wohnung mit 1.November 1985 übernehme und daher von diesem Zeitpunkt an rechtmäßige Hauptmieterin dieser Wohnung &ein werde. Die Antragsgegnerin nahm den Eintritt der Antragstellerin in den Mietvertrag zustimmend zur Kenntnis. Rechtlich führte das Erstgericht aus, gemäß § 16 Abs 1 Z 7 MRG könne der Vermieter mit dem Mieter, wenn das Mietverhältnis länger als ein halbes Jahr bestanden hat, einen angemessenen Mietzins vereinbaren. Eine solche Vereinbarung habe der Vermieter mit der Vormieterin durch die Vereinbarung vom 1.Oktober 1985, Beilage 3, getroffen. Der bloße Eintritt eines neuen Mieters in einen bestehenden Vertrag (Vertragsübernahme) - sei es auf Grund des Gesetzes, sei es auf Grund eines vom Willen des Vermieters unabhängig auszuübenden vertraglichen Weitergaberechtes (was hier zutreffe) - stelle ebenso wie die stillschweigende Verlängerung eines befristeten Vertrages weder den Abschluß eines Mietvertrages noch eine Mietzinsvereinbarung dar. Es blieben daher alle früher geschlossenen Vereinbarungen an sich aufrecht. Der neue Mieter könne aber alle Rechte (auch auf Mietzinsermäßigung) so weit geltend machen, als sie dem alten Mieter noch zugestanden wären. Hier habe die Antragstellerin bloß geltend gemacht, daß die Vermieterin nur berechtigt wäre, den Kategorie-B-Zins zu begehren; sie habe nicht geltend gemacht, daß der vorgeschriebene Hauptmietzins von 3.000 S monatlich nicht angemessen wäre. Die Antragstellerin sei somit durch Ausübung des Weitergaberechtes in den bestehenden Mietvertrag der Vormieterin eingetreten und daher auf Grund der mit der Vormieterin gültig getroffenen Vereinbarung gemäß § 16 Abs 1 Z 7 MRG an die vereinbarte Mietzinserhöhung gebunden. Die Frage, ob allenfalls ein Umgehungsgeschäft vorliege, sei nicht im Außerstreitverfahren, sondern ausschließlich im streitigen Verfahren zu prüfen. Im Außerstreitverfahren nach § 37 MRG sei nämlich bloß zu prüfen, ob die zwingenden gesetzlichen Bestimmungen über die Mietzinsbildung eingehalten worden seien. Hänge doch die Feststellung der Höhe des Hauptmietzinses von anderen Fragen - wie etwa von der Erfüllung der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen für das Zustandekommen oder Weiterbestehen einer gültigen Vereinbarung - ab, dann habe diese Frage im streitigen Verfahren erörtert zu werden. Die Antragstellerin sei daher an die Vereinbarung der Vormieterin zumindest vorerst gebunden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge, hob den Sachbeschluß des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück, und zwar aus nachstehenden Erwägungen:

Die Antragstellerin habe bei der Schlichtungsstelle beantragt, es möge entschieden werden, daß die Antragsgegnerin bei der Vorschreibung der monatlichen Mietzinse das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten habe, und dazu ausgeführt, daß das Begehren eines Hauptmietzinses in der Höhe von 3.000 S monatlich deswegen nicht zulässig sei, "weil es eine Umgehung des § 16 Abs 1 Z 7 MRG darstelle". Entgegen den Ausführungen des Erstgerichtes gehöre der auf Feststellung einer Überschreitung des zulässigen Zinsausmaßes gerichtete Antrag der Antragstellerin nach dem Inhalt des Antrages in das Außerstreitverfahren (§ 37 Abs 1 Z 8 MRG), in welchem Verfahren die von der Antragstellerin aufgeworfene "Umgehung des § 16 Abs 1 Z 7 MRG" als Vorfrage zu beurteilen sei. Die von der Antragstellerin behauptete "Umgehung des § 16 Abs 1 Z 7 MRG" könne im Zusammenhalt mit dem von der Antragstellerin vorgebrachten Sachverhalt nur so verstanden werden, daß die Antragstellerin damit in Wirklichkeit eine Umgehung der zwingenden Bestimmungen des § 16 Abs 2 (im konkreten Fall Z 2) MRG geltend machen wolle. Es sei daher im Außerstreitverfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG zu prüfen, ob durch die von der Antragstellerin behauptete - im vorliegenden Verfahren als Vorfrage zu prüfende - Umgehung die zwingenden gesetzlichen Bestimmungen über die Mietzinsbildung eingehalten worden seien (vgl. MietSlg 38.525).

Bedenke man, daß sich die Antragstellerin auf eine Umgehung im oben angeführten Sinn berufen habe, dann sei die vorliegende Rechtssache aber nicht spruchreif, weil das Erstgericht weder die beantragten Beweise durchgeführt noch diesbezügliche Feststellungen getroffen habe. Angesichts der Behauptungen der Antragstellerin hätte das Erstgericht konkrete Feststellungen zu treffen gehabt, damit beurteilt werden könne, ob die Vertragskonstruktion beabsichtige, nur den Zweck des Gesetzesverbotes, keinen höheren als den nach § 16 Abs 2 MRG zulässigen Zins zu vereinbaren, zu vereiteln (vgl. Krejci in Rummel, ABGB, Rz 37 zu § 879). Dazu bedürfe es insbesondere der Klärung, welche Absicht Vermieterin und Vormieterin bei Abschluß der Vereinbarung Beilage 3 gehabt haben, ob die Vormieterin tatsächlich den erhöhten Mietzins bezahlt hat, wann die Antragstellerin in das Geschäft einbezogen wurde, bzw. wie überhaupt der zeitliche Ablauf aller mit der vorliegenden Vertragskonstruktion im Zusammenhang stehender Umstände war. Im Rahmen der Prüfung des zeitlichen Ablaufes werde auch zu klären sein, ob anstelle der einvernehmlichen Auflösung des Mietverhältnisses zwischen der Altmieterin und dem Vermieter und dem Neuabschluß eines Mietverhältnisses mit der Antragstellerin die Form gewählt wurde, daß dem bisherigen Mieter ein Weitergaberecht eingeräumt wurde, wovon dieser sofort Gebrauch gemacht hat. (In diesem Zusammenhang sei darauf zu verweisen, daß sowohl die Vereinbarung Beilage 3 als auch die Bekanntgabe der Weitergabe Beilage 1 mit 1.Oktober 1985 datiert seien.) Sollte das Erstgericht auf Grund der ergänzenden Feststellungen zu dem Ergebnis gelangen, daß die Vertragskonstruktion nur den Zweck hatte, das Verbot des § 16 Abs 2 MRG zu umgehen, so müsse der Vertrag so beurteilt werden, als ob die Antragstellerin unmittelbar mit dem Vermieter kontrahiert hätte und sei daher der Vertrag in dem Umfang, als ein höherer als der gesetzlich zulässige Zins vereinbart wurde, nichtig. Der Schutzzweck der Verbotsnorm erfordere nicht die Unwirksamkeit der gesamten Vereinbarung, sondern nur jene des vom Verbot umfaßten Teiles. Dies bedeute, daß die vorliegende Vereinbarung keine ausreichende Rechtfertigung für die Vereinbarung eines angemessenen Hauptmietzinses nach § 16 Abs 1 Z 7 MRG darstelle.

Es sei daher dem Rekurs der Antragstellerin, welcher als primäre Mangelhaftigkeit auch die Nichteinvernahme der Vormieterin rüge, Folge zu geben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Fällung eines Sachbeschlusses an das Erstgericht zurückzuverweisen gewesen.

Gegen den unter Rechtskraftvorbehalt ergangenen Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, in Abänderung des angefochtenen Beschlusses den erstgerichtlichen Sachbeschluß wiederherzustellen.

Die Antragstellerin hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt. Die Antragsgegnerin macht zusammengefaßt geltend, daß sich die Antragstellerin auf eine Umgehung des § 16 Abs 2 Z 2 MRG nicht berufen habe, daß die Wirksamkeit der zwischen der Antragsgegnerin und der Vormieterin getroffenen Vereinbarung nach § 16 Abs 1 Z 7 MRG in dem gegenständlichen Außerstreitverfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG zwischen der Antragsgegnerin und der Antragstellerin nicht als Vorfrage zu prüfen sei und daß im übrigen ohnehin alle Wirksamkeitsvoraussetzungen einer derartigen Vereinbarung gegeben gewesen seien. Dem kann nicht gefolgt werden.

Dem Rekursgericht ist zunächst darin beizupflichten, daß der von der Antragstellerin erhobene Einwand der Gesetzesumgehung angesichts des vorgetragenen Sachverhaltes nur dahin verstanden werden kann, daß durch die von den Beteiligten (Antragsgegnerin, Vormieterin, Antragstellerin) gewählte Vorgangsweise (Hauptmietzinserhöhungsvereinbarung nach § 16 Abs 1 Z 7 MRG, Einräumung eines Weitergaberechtes, Eintritt der Antragstellerin in den durch die Hauptmietzinserhöhungsvereinbarung geänderten Mietvertrag auf Grund dieses Weitergaberechtes) die der Vereinbarung eines angemessenen Hauptmietzinses in einem neu abzuschließenden Hauptmietvertrag hier entgegenstehende Bestimmung des § 16 Abs 2 Z 2 MRG umgangen werden sollte.

Das Rekursgericht hat auch richtig erkannt, daß im Rahmen eines außerstreitigen Verfahrens nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG, das auf die Feststellung der Überschreitung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes abzielt, als Vorfrage zu prüfen ist, ob eine Umgehung jener Mietzinsbildungsvorschriften vorliegt, nach denen eine solche Überschreitung zu beurteilen ist (vgl. MietSlg 37.493/15, 5 Ob 90/87 ua).

Zutreffend hat das Rekursgericht schließlich auf Krejci in Rummel, ABGB, Rz 37 zu § 879 verwiesen, wonach unter Beachtung der Grenzen des Normzweckes zu entscheiden ist, ob und inwieweit ein Gesetzesverbot auch gegenüber Rechtsgeschäften gilt, die gegen das Verbot zwar nicht "dem Buchstaben des Gesetzes nach" verstoßen, im Ergebnis aber doch den Zweck des Gesetzesverbotes vereiteln (vgl. ferner Koziol-Welser8 I 138; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 185 f;

5 Ob 615/88). Gesetzesverletzung genügt, auf eine spezielle Umgehungsabsicht der Parteien kommt es nicht an (Krejci aaO Rz 40;

JBl 1988, 250; 5 Ob 508/89). Nach herrschender Ansicht ist die "umgangene Norm" (d.h. jene Norm, welche dem primär gewollten Geschäft entgegensteht) auch auf das Umgehungsgeschäft anzuwenden, wenn sonst der Normzweck vereitelt würde (Koziol-Welser8 I 138). Der Oberste Gerichtshof ist daher gleich dem Rekursgericht der Auffassung, daß die Rechtslage dann, wenn das Erstgericht auf Grund der ihm aufgetragenen ergänzenden Feststellungen zu dem Ergebnis gelangen sollte, die gewählte Vertragskonstruktion habe nur den Zweck gehabt, das Verbot des § 16 Abs 2 Z 2 MRG zu umgehen, so beurteilt werden müßte, als ob die Antragstellerin (nach Auflösung des Mietvertrages zwischen der Antragsgegnerin und der Vormieterin) unmittelbar mit der Antragsgegnerin einen neuen Mietvertrag abgeschlossen hätte; dies hätte zur Folge, daß die Hauptmietzinsvereinbarung gemäß § 16 Abs 5 MRG insoweit unwirksam wäre, als sie das gesetzlich zulässige Höchstausmaß überschritte. Der Umstand, daß bei Abschluß der Hauptmietzinserhöhungsvereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und der Vormieterin die Voraussetzungen des § 16 Abs 1 Z 7 MRG dem Buchstaben des Gesetzes nach gegeben waren, würde keine entscheidende Rolle spielen, wenn die Beteiligten ihre Vorgangsweise nur deswegen gewählt hätten, um die einer Neuvermietung der Wohnung an die Antragstellerin zu einem angemessenen Hauptmietzins entgegenstehende Bestimmung des § 16 Abs 2 Z 2 MRG zu umgehen.

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen. Eine Kostenentscheidung hatte mangels Kostenverzeichnung zu entfallen.

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