OGH 13Os29/89

OGH13Os29/8918.5.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Mai 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer (Berichterstatter), Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Iby als Schriftführers in der Strafsache gegen Dietmar R*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengerichts vom 13.Oktober 1988, GZ. 33 Vr 150/88-10, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Kodek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines ordnungsgemäß geladenen Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Dietmar R*** ist schuldig, am 23.September 1986 in Saalfelden als Beamter des gehobenen Bodenschätzungsdienstes beim Finanzamt Zell am See mit dem Vorsatz, den Staat an seinem Recht auf Dienstleistungen für ausbezahltes Entgelt zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht zu haben, daß er den ihm zugewiesenen Hilfskräften Christian D*** und Hubert M*** im Beschäftigungsnachweis je 48 geleistete Arbeitsstunden bestätigte.

Dietmar R*** hat hiedurch das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB. begangen und wird hiefür nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 37 StGB. zu einer Geldstrafe von 180 (einhundertachtzig) Tagessätzen verurteilt. Der Tagessatz wird mit 100 S bemessen.

Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wird die Ersatzfreiheitsstrafe mit 90 (neunzig) Tagen festgesetzt. Gemäß §§ 389, 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zur Last.

Text

Gründe:

Der am 17.Juli 1959 geborene Finanzbeamte Dietmar R*** wurde von der Anklage des Verbrechens nach § 302 Abs. 1 StGB. gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen. Die Anklagebehörde hatte ihm vorgeworfen, in Saalfelden vom 9. bis 19.September 1986 als Beamter des gehobenen Bodenschätzungsdienstes beim Finanzamt Zell am See mit dem Vorsatz, den Staat an seinem konkreten Recht auf Dienstleistungen für ausbezahltes Entgelt zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht zu haben, daß er mit den ihm für Bodenproben und andere Arbeiten im Rahmen der Bodenschätzung zugewiesenen Hilfskräften Hubert M*** und Christian D*** während der Dienstzeit keine Bodenschätzungen vornahm, sondern im Auto sitzen blieb und sodann in verschiedenen Wirtshäusern zechte, in weiterer Folge aber am 23.September 1986 im Beschäftigungsnachweis den genannten Hilfskräften je 48 geleistete Arbeitsstunden bestätigte.

Das Erstgericht nahm diesen Sachverhalt im wesentlichen als erwiesen an; es stellte weiters fest, daß auf Grund der vom Angeklagten ausgestellten Bestätigung die Gemeinde Saalfelden die beiden Arbeitskräfte entlohnte und ihr der Aufwand hiefür in der Folge von der Finanzverwaltung ersetzt wurde. Der vom Erstgericht angeführte Betrag von 9.606 S ist der von der Finanzverwaltung geltend gemachte Schaden, bei dessen Berechnung erfahrungsgemäß anfallende Arbeitsstunden, die wegen Regens arbeitsfrei bleiben müssen, bereits abgezogen wurden; tatsächlich wurden den Hilfskräften um ein Drittel höhere Beträge ausbezahlt (siehe S. 24, 70). Diesen Schaden hat der Angeklagte über Aufforderung der Finanzverwaltung am 7.April 1987 gutgemacht (S. 57). Die Anzeige der Finanzlandesdirektion für Salzburg langte am 25.Juni 1987 bei der Staatsanwaltschaft ein (S. 11 d.A.).

Zum Freispruch kam das Erstgericht infolge seiner Annahme, die Ausstellung der Bestätigung sei kein Hoheitsakt gewesen, sondern eine interne Bescheinigung für die Berechnung und Auszahlung des den Hilfskräften zustehenden Lohns. Es habe sich dabei mangels erhöhter Beweisgarantie auch nicht um eine öffentliche Urkunde gehandelt. Im übrigen sei diese Bestätigung insofern nicht unrichtig, als die Hilfskräfte zur Leistung bereit waren und - nach Ansicht des Landesgerichts - einen Anspruch auf das Entgelt hatten, sodaß auch fraglich sei, ob ein Schädigungsvorsatz gegeben gewesen wäre. Eine allfällige Strafbarkeit wegen eines Vermögensdelikts (§ 153 Abs. 1 StGB.) sei wegen rechtzeitiger, vollständiger und freiwilliger tätiger Reue aufgehoben.

Den Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der sie unter Berufung auf RZ. 1978/113 (SSt. 49/38) die Auffassung vertritt, es handle sich um den bestimmungsgemäßen Einsatz amtseigener Budgetmittel, der bereits zum eigentlichen Gegenstand des Amtsbetriebs gehöre. Es sei aber auch der Schädigungsvorsatz vorgelegen, denn bei wahrheitsgetreuer Darstellung der Tatsachen wäre die Auszahlung des Lohns der Hilfskräfte jedenfalls unterblieben.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, daß der erste Teil der Anklage das Verbrechen nach § 302 Abs. 1 StGB. darin erblickte, daß der Angeklagte zwei Wochen lang nicht nur selbst müßig blieb, sondern auch die beiden ihm für Hilfstätigkeiten zugeordneten Arbeiter infolgedessen unbeschäftigt ließ, sie aber als Gesellschafter zu vielstündigen Wirtshausbesuchen heranzog. Die Loszählung von diesem Teil der Anklage blieb im Urteil unbegründet und in der Nichtigkeitsbeschwerde unbekämpft, sodaß sich ein Eingehen hierauf erübrigt (§§ 288 Abs. 2, Einleitungssatz, 290 Abs. 1, erster Satz, StPO.).

Die Verrichtungen im Vollzug der der Finanzverwaltung zugewiesenen Bodenschätzung sind ihrer Art nach Organhandlungen in der Hoheitsverwaltung: siehe Art. 10 Abs. 1 Z. 4 und Art. 13 B.-VG., §§ 1 ff F.-VG. 1948, § 1 Abs. 1 und 4 sowie §§ 4, 12, 13 und 15 BodenschätzungsG. 1970 BGBl. Nr. 233; vgl. LSK. 1977/81. Die gegenständlichen Vollzugsmaßnahmen in der Natur sollten daher der unmittelbaren Erfüllung einer Vollziehungsaufgabe des Bundes dienen, folglich handelte es sich bei den Dienstverrichtungen des Angeklagten um Amtsgeschäfte in der Bedeutung des § 302 StGB. (SSt. 49/32). Zudem muß der Beamte nicht mit Befehls- oder Zwangsgewalt ausgestattet sein, vielmehr genügen für den Begriff der Amtsgeschäfte manipulative Handlungen, wie sie der entsprechenden Beamtenkategorie zukommen (nochmals SSt. 49/32). Dazu tritt der Umstand, daß die vom Angeklagten ausgestellte Bestätigung für die Verrechnung zwischen der Gemeinde Saalfelden und der Finanzverwaltung bestimmt war, demnach einen Bestandteil des Rechnungswesens der beiden beteiligten Gebietskörperschaften bildete. Im Rechnungswesen einer Gebietskörperschaft handelnde Beamte sind aber grundsätzlich in Vollziehung der Gesetze und nicht in der Privatwirtschaftsverwaltung tätig (LSK. 1985/100); zu welchem gesetzlichen Zweck die dabei verrechneten Ausgaben gemacht werden, ist für die Verwirklichung des Tatbestands des § 302 StGB. gleichgültig (LSK. 1985/101).

Aus dem Gesagten folgt, daß hier nicht entscheidend ist, ob die beiden Arbeiter Hilfs- oder andere Dienste verrichtet haben. Entscheidend ist vielmehr, daß der Angeklagte als der die Tätigkeit der Arbeiter leitende und kontrollierende Beamte des gehobenen Bodenschätzungsdienstes im Zug von Amtsgeschäften mittels der Ausstellung eines falschen Beschäftigungsnachweises die Gemeinde Saalfelden zu einer sachlich nicht begründeten Ausgabe und den Bund zu einer ebenso unbegründeten Refundierung an die Gemeinde veranlaßt hat (vgl. SSt. 49/38: Fingierung von Überstunden durch einen Fernmelde-Bautruppführer; EvBl. 1979/60: falsche Eintragung von Krankenständen im Wachdienstbuch zwecks Vornahme von Privatarbeiten;

LSK. 1976/316: Bestätigung eines vorgetäuschten Gebührenanspruchs;

12 Os 160/86: Bestätigung unvollständiger Monatsabrechnungen eines Vollstreckers).

Der wissentliche Mißbrauch der Befugnis, im Rahmen der Leitung und Kontrolle der Arbeiter den Beschäftigungsnachweis auszustellen, ist im Kontext der Urteilsgründe angenommen (wissentliche Falschbeurkundung). Der Schädigungsvorsatz, der nur ein bedingter sein muß, ergibt sich gleichfalls aus den Urteilsfeststellungen, wonach keiner der beiden Arbeiter die vom Angeklagten bestätigten 48 Arbeitsstunden (das ist jeweils mehr als eine Wochenarbeitszeit) geleistet hat und wobei die Zahl der erfahrungsgemäß anfallenden Regenstunden (siehe deren Abzug bei der Schadensberechnung) jedenfalls erheblich geringer ist. Schließlich ist anzumerken, daß die Höhe des Schadens vom Vorsatz des Täters nicht umfaßt zu sein braucht.

Daß letztendlich die Ansicht des Untergerichts, es habe sich um Zeiten entlohnungspflichtiger Arbeitsbereitschaft gehandelt, unrichtig ist, folgt zunächst aus der aktenkundigen Schadensabrechnung. Sodann: § 1155 ABGB. betrifft den Lohnanspruch der Hilfskräfte, der für eine notwendig mit Arbeitsbereitschaft verbrachte Zeit zugestanden wäre, nicht aber eine mittels einer falschen Bestätigung über in Wahrheit nicht geleistete Arbeiten herbeigeführte Auszahlung. Dabei kann nicht übersehen werden, daß § 1155 ABGB. eine Vorteilsausgleichung dergestalt vorsieht, daß sich der Dienstnehmer anrechnen lassen muß, was er infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat (etwa dadurch, daß er sich zum Verweilen im Wirtshaus bereit fand, statt die Dauer seiner Entbehrlichkeit zu erfragen und sich währenddessen nach Möglichkeit anderweitig zu verdingen). Eben diese Möglichkeit einer überprüfbaren Vorteilsanrechnung wurde aber mit Hilfe des mißbräuchlich ausgestellten Beschäftigungsnachweises von vornherein ausgeschaltet (vgl. Krejci in Rummel II S. 1730 Rz. 1 "Ursachen der Nichtbeschäftigung", S. 1731 Rz. 4). Darnach werden sowohl die Schädigung als auch der - notwendig situationsgebundene - potentielle Vorsatzrahmen des Täters (§ 302 StGB.) durch eine Überlegung gemäß § 1155 ABGB. um eine zusätzliche Dimension erweitert.

Es war daher der zutreffend begründeten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft - gegen den Antrag der Generalprokuratur - Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und auf der Grundlage der in erster Instanz getroffenen Feststellungen gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. im Umfang der Anfechtung sogleich auf Schuldspruch zu erkennen.

Bei der Strafbemessung waren erschwerend kein Umstand, mildernd hingegen die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten, die Schadensgutmachung gegenüber der Republik Österreich sowie das reumütige und der Wahrheitsfindung dienende Geständnis. Angesichts der erstmaligen strafgerichtlich zu ahndenden Verfehlung des Angeklagten, deren finanziellen Folgen dieser rasch beseitigt hat, war an Stelle einer Freiheitsstrafe eine entsprechende Geldstrafe zu verhängen (§ 37 Abs. 1 StGB.). Die Tagessatzzahl entspricht dem Verschulden des Angeklagten. Die Höhe des Tagessatzes ergibt sich aus den persönlichen Verhältnissen (Sorgepflicht für Gattin und zwei Kinder) und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (monatlich knapp über 10.000 S Einkommen) des Angeklagten.

Die Ersatzfreiheitsstrafe errechnet sich nach § 19 Abs. 3 StGB.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte