OGH 13Os40/89

OGH13Os40/8927.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.April 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lässig als Schriftführers in der Strafsache gegen Günther U*** und andere wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 ff. und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Günther U*** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft Wien gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 10.November 1988, GZ 8 a Vr 10.442/87-70, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten gemäß § 285 i StPO dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Der am 30.August 1954 geborene beschäftigungslose Günther U*** wurde des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 130 zweiter Satz (zu ergänzen: sowie 15) StGB (A) gleichwie des Verbrechens des (schweren und) gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z. 1, Abs 2, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er gewerbsmäßig in verschiedenen Orten Österreichs allein im Jahr 1987 in 29 Fällen Einbruchsdiebstähle in Kraftfahrzeuge begangen (A I 1 a bis z, aa bis cc), in 2 Fällen versucht (A I 2 a, b) und in einem Fall einen Diebstahl aus einem nicht versperrten Kraftfahrzeug verübt (A I 1 dd),

in Gesellschaft mit Rudolf T*** im Jahr 1984 zwei Einbruchsdiebstähle in Personenkraftwagen (A II 1 a, c), einen Diebstahl aus einem nicht versperrten Kraftfahrzeug (A II 1 b) sowie zwei versuchte Einbruchsdiebstähle in Autos (A II 2 a, b) verübt und im Jahr 1987 in 20 Fällen allein (B 1 a bis t) sowie in 11 Fällen in Gesellschaft mit Anna U*** (B 2 a bis k) und in 9 Fällen mit Rudolf T*** (B 3 a bis i) dadurch, daß er auf bei den Einbruchsdiebstählen erbeuteten Scheckformularen Schecksummen einsetzte, die Unterschrift der Kontoinhaber nachmachte und die Schecks zur Einlösung vorlegte, verschiedene Geschäftsleute zur Ausfolgung von Waren und Bargeld verleitet, wodurch Geldinstitute einen 25.000 S übersteigenden Schaden erlitten.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil ficht Günther U*** mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs 1 Z. 3, 9 lit a und 10 StPO an.

Den erstgenannten Nichtigkeitsgrund (Z. 3) erblickt der Angeklagte darin, daß in bezug auf die Fakten B 1 s, B 2 i, j, B 3 c, f und h dem Urteil nicht zu entnehmen sei, welcher Tat der Beschwerdeführer schuldig befunden worden ist, sodaß diese nicht individualisiert sei; im Faktum B 1 s fehlten sowohl die Bezeichnung der Bank, deren Angestellte getäuscht worden seien, als auch der Geschädigte, in den Fakten B 2 i und j seien die Personen, denen die Waren mit den gefälschten Schecks herausgelockt wurden, nicht erkennbar und bei den Fakten B 3 c, f und h fehlten die unausgeforschten Personen, die getäuscht worden seien ebenso wie die Bezeichnung der herausgelockten Gegenstände.

Gemäß § 260 Abs 1 Z. 1 StPO hat das (kondemnierende) Strafurteil bei sonstiger Nichtigkeit auszusprechen, welcher Tat der Angeklagte schuldig befunden worden ist. Die Bezeichnung der Tat dient der Individualisierung; dadurch soll verhindert werden, daß - dem Grundsatz der materiellen Rechtskraft (ne bis in idem) gemäß - wegen derselben Tat gegen denselben Täter ein zweites Urteil ergeht: "Individualisierung" (§ 260 Abs 1 Z. 1 StPO) bedeutet sonach verwechslungsfreie Bezeichnung.

Sind die Geschädigten oder Getäuschten einer strafbaren Handlung gegen fremdes Vermögen nicht mehr feststellbar, so führt dies nicht zwangsläufig zu einer mangelnden Individualisierung der Tat (vgl. Mayerhofer-Rieder2, ENr. 32 zu § 260 StPO). Vorliegend sind bei sämtlichen, von der Beschwerde angeführten Fakten Tatzeit, Tatort und Schadenshöhe bekannt, sodaß ausreichende Tatbeschreibungsmerkmale vorhanden sind, die einer Doppelverurteilung entgegenwirken.

In der Rechtsrüge (Z. 9 lit a) behauptet der Nichtigkeitswerber der Sache nach Feststellungsmängel, weil dem Urteil nicht zu entnehmen sei, ob er Gegenstände mit Handels- oder Vermögenswert gestohlen habe; es sei nur von Gegenständen mit nicht mehr feststellbarem Wert die Rede. Diese Rüge läßt eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen, weil sie nicht den tatsächlichen Urteilsinhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht. In den namentlich angeführten Fakten A I 1 g, h und i sind nämlich als Diebsbeute ein schwarzer Diplomatenkoffer mit einer Geldbörse, ein blauer Seesack mit einem Handtuch und ein Blasbalg sowie eine graue Kunststofftasche mit Putzsprays und einem Handscheinwerfer, sonach Gegenstände mit Handels- und Vermögenswert angeführt, was vom Rechtsmittelwerber übergangen wird. Daß im Faktum A I 2 a das Diebstahlsopfer nicht angeführt wäre, ist aktenwidrig; eine Diebsbeute bei diesem Faktum festzustellen war überflüssig, weil es sich dabei um einen Diebstahlsversuch handelt, bei welchem die Täter keine Beute vorfanden (S. 422/IV), was von der Beschwerde negiert wird. Ein (von der Nichtigkeitsbeschwerde bemängeltes) Faktum A I 2 c ist im angefochtenen Urteil nicht enthalten.

Der Beschwerdeführer unterstellt dem Erstgericht weiters, die gestohlenen unausgefüllten Scheckhefte hätten nicht als Objekte des Diebstahls beurteilt werden dürfen; damit meint er der Sache nach, daß (nicht ausgefüllte) Scheckformulare zu Unrecht als Diebsbeute angenommen worden seien. In keinem der Diebstahlsfakten hat das Schöffengericht den Nichtigkeitswerber des Diebstahls von unausgefüllten Scheckformularen schuldig erkannt, wohl aber von Scheckheften und Schecketuis aus Leder, Kunststoff etc. (vgl. A I 1 j, u, w, bb) und im übrigen stets in Verbindung mit anderen Beutestücken. Auch hier verlassen die Rechtsmittelausführungen den Boden der Urteilskonstatierungen. Sonach kann auch keine Rede davon sein, daß das Erstgericht die "Fälle mit den Schecks" sowohl als Diebstahl als auch als Betrug durch Urkundenfälschung gewertet hat, worin der Rechtsmittelwerber zu Unrecht den Nichtigkeitsgrund nach Z. 10 erblickt. Letztlich bemängelt der Beschwerdeführer in der Subsumtionsrüge (Z. 10), von gewerbsmäßiger Tatbegehung könne deshalb nicht gesprochen werden, weil er auch gearbeitet und nur dann, wenn ihm eine Arbeitsmöglichkeit fehlte, die Straftaten begangen habe; von vorgefaßter Absicht, sich eine fortlaufende Einnahme durch wiederholte Begehung verschaffen zu wollen, könne keine Rede sein. Dabei übergeht der Beschwerdeführer neuerlich den tatsächlichen Urteilsinhalt und zwar:

1. "Günther U*** führte in weiterer Folge bis etwa April 1987 verschiedenste Gelegenheitsarbeiten durch und finanzierte mit dem hieraus gewonnenen Verdienst seinen Unterhalt. Danach entschloß er sich, seinen Unterhalt fortan aus Bargeld und der Verwertung von Gegenständen zu finanzieren, die er aus zu diesem Zweck aufgebrochene PKW's wegzunehmen beabsichtigte. Dieser Absicht gemäß brach er im Zeitraum vom 5.April 1987 bis 16.Juli 1987 die im Spruch einzeln angeführten, insgesamt 28" (richtig 29) "PKW's auf und nahm aus diesen die gleichfalls im Spruch angeführten Bargeldbeträge und Gegenstände an sich" (S. 419/II).

2. "Ebenso wie Günther U*** hinsichtlich der oben erörterten PKW-Einbrüche hatten der Erst- und die Zweitangeklagte bei den in wechselseitigem Einverständnis vorgenommenen Präsentationen falscher Schecks von Anfang an darauf abgezielt, durch weitere Wiederholung dieser Tathandlungen fortlaufende Geldmittel zu verschaffen, mit denen sie ihren Unterhalt zu bestreiten trachteten" (S. 421/II).

3. "Bei den im Jahre 1984 verübten PKW-Einbrüchen und Scheckeinlösungen hatte es der Angeklagte Günther U*** jeweils von Anfang an darauf angelegt, diese Vorgangsweisen auch in Zukunft zu wiederholen, um hiedurch zu seiner Lebensführung nötige fortlaufende Einnahmen zu verschaffen" (S. 422/II).

Aus den Urteilszitaten folgt, daß die Subsumtionsrüge nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Sitzung teils gemäß § 285 d Abs 1 Z. 2 StPO als offenbar unbegründet, teils jedoch gemäß § 285 d Abs 1 Z. 1 StPO iVm § 285 a Z. 2 StPO als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt, zurückzuweisen.

Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, daß das Schöffengericht die Strafe des Angeklagten Günther U*** zu Unrecht nach dem ersten Strafsatz des § 148 StGB bemaß, weil ein Schuldspruch auch nach § 130 zweiter Satz StGB erging. Dieser, Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z. 11 StPO begründende Mangel des Strafausspruchs wurde von der Anklagebehörde, die eine Nichtigkeitsbeschwerde nicht ergriffen hat, nicht bekämpft.

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