OGH 7Nd504/89

OGH7Nd504/8927.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Lorenz G***, Mittelschulprofessor, 4240 Freistadt, Brauhausstraße 10, vertreten durch Dr. Heinrich Wille, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei T*** S*** R*** (CSSR), Praha, CSSR,

wegen Unterlassung (Streitwert: 66.000 S), über den Antrag der klagenden Partei gemäß § 28 JN in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Antrag der klagenden Partei, im Sinne des § 28 JN ein österreichisches Landes- oder Kreisgericht, vorzüglich das Landesgericht Linz, als das für die vorliegende Rechtssache örtlich zuständige Gericht zu bestimmen, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Mit der vorliegenden wider die CSSR als Beklagte eingebrachten Klage begehrt der Kläger als Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ 1832 KG Freistadt, die Verurteilung der Beklagten zur sofortigen Unterlassung der Errichtung der Atomkraftwerke T*** 1 bis 4 in der Nähe von Budweis. Die Beklagte errichte auf dem in ihrem Alleineigentum stehendem Territorium in nur 50 km Entfernung von der Staatsgrenze und in einem Luftlinienabstand von der Liegenschaft des Klägers von lediglich rund 90 km ein Atomkraftwerk, ohne daß hiefür die entsprechenden behördlichen Genehmigungen - jedenfalls nicht in einer für den österreichischen Rechtsbereich wirksamen Form - erteilt worden wären. Durch die künftige Inbetriebnahme der noch dazu in einem erdbebengefährdeten Gebiet liegenden Anlage würden unweigerlich schon im Normalbetrieb, besonders aber im Störfall, Immissionen in Form von radioaktiver Strahlung und von Aerosolen wirksam werden, die im Zusammenhalt mit einer auf Grund der unweigerlichen Wärme- und Wasserdampfemmission aus den Kühltürmen zu befürchtenden Klimaveränderung das ortsübliche Ausmaß überschritten und dem Kläger die ortsübliche Nutzung seiner Liegenschaft, auf der er gerade ein Einfamilienhaus errichte, unmöglich machten oder sie doch wesentlich beeinträchtigten. Das vorbeugende Unterlassungsbegehren werde auf § 364 Abs.2 ABGB gestützt, die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichtes auf § 81 JN. Das Erstgericht wies die Klage unter Verneinung seiner örtlichen Zuständigkeit zurück; das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung.

Der Kläger stellte für diesen Fall hilfsweise den Antrag, der Oberste Gerichtshof möge gemäß § 28 JN eines der österreichischen Landes- oder Kreisgerichte, vorzüglich das Landesgericht Linz, als örtlich zuständig bestimmen.

Rechtliche Beurteilung

Die Voraussetzungen für eine Ordination liegen nicht vor. In dem gleichgelagerten Fall 6 Nd 503/89 hat der Oberste Gerichtshof folgende Entscheidung getroffen:

"Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 23. Februar 1988, 5 Nd 509/87 (JBl. 1988, 459 = EvBl. 1988/118 = RdW 1988, 165), in einem gleichgelagerten Fall ausgesprochenn hat, ist er an die rechtskräftige Verneinung der örtlichen Zuständigkeit durch die Vorinstanzen jedenfalls insoferne gebunden, als er nunmehr als Ordinationsgericht einzuschreiten, dabei aber die Frage des Vorliegens der inländischen Gerichtsbarkeit frei zu beurteilen hat. Denn auch nach § 28 JN in der Fassung der Zivilverfahrens-Novelle 1983 kommt eine Ordination nur in Betracht, wenn die inländische Gerichtsbarkeit gegeben ist. Deren ausdrückliche Erwähnung (im § 28 Abs.1 JN) entfiel nur, weil dieser Begriff in der Lehre sehr umstritten ist (669 BlgNr 15. GP, 28). Mit der Neufassung des § 28 JN sollten weder die Grenzen der inländischen Gerichtsbarkeit neu bestimmt werden, noch sollte die Voraussetzung der inländischen Gerichtsbarkeit überhaupt entfallen (Matscher in JBl. 1983, 505 ff !509 ). Der Sinn der Neuregelung war das in der Rechtsprechung zur früheren Fassung des § 28 JN vorgezeichnete Prinzip, daß trotz bejahter inländischer Gerichtsbarkeit eine Ordination nur stattfinden solle, wenn ein Bedürfnis nach Rechtsdurchsetzung im Inland bestehe (JBl. 1988, 323; 7 Nd 502/88).

Die Befugnis des Staates zur Ausübung seiner Gerichtsbarkeit im allgemeinen und im einzelnen Rechtsstreit (inländische Gerichtsbarkeit) wird von einem Teil der Lehre und Rechtsprechung schon bei Vorliegen eines inländischen Gerichtsstandes bejaht (SZ 57/143 mwH). Nach der "Indikationentheorie", welche die inländische Gerichtsbarkeit zunächst "indiziert" ansieht, wenn ein gesetzlicher Tatbestand der örtlichen Zuständigkeit erfüllt ist, ist darüber hinaus noch zu prüfen, ob die durch diesen Gerichtsstand repräsentierte Inlandsbeziehung auch insgesamt für die Bejahung des inländischen Justizbedürfnisses ausreicht (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 75 ff; Schwimann in RdW 1985, 332 ff !334 ; SZ 56/162; JBl. 1988, 386 u.a.).

Unabhängig davon, ob im vorliegenden Fall, wo die Vorinstanzen bereits übereinstimmend das Vorliegen der örtlichen Zuständigkeit des Erstgerichtes nach dem Gerichtsstand gemäß § 81 JN verneint haben, eine bejahende Anwendung dieses Gerichtsstandes als Indikation für die inländische Gerichtsbarkeit überhaupt noch in Betracht käme (wie dies aber im Fall der Entscheidung 5 Nd 509/87 im Ergebnis bejaht und von Böhm (JBl. 1988, 460 ff Punkt 3) auch als inkonsequent kritisiert wurde), erscheint hier auf den ersten Blick bereits eine ausreichende Inlandsbeziehung gegeben: Mit dem Rechtsstreit will der Kläger nämlich künftige Einwirkungen abwehren, die seiner im Inland gelegenen Liegenschaft durch die spätere Inbetriebnahme des von der Beklagten auf ihrem Staatsgebiet errichteten Atomkraftwerkes drohen. Dabei hat im Rahmen des Ordinationsverfahrens die allfällige materiellrechtliche Unschlüssigkeit der Klage (so im Falle eines auf Unterlassung des Baues der Wiederaufbereitungsanlage W*** gerichteten Begehrens gemäß § 364 Abs.2 ABGB: Oberster Gerichtshof vom 20. Dezember 1988, 2 Ob 656/87) außer Betracht zu bleiben. Wenngleich der erkennende Senat der Entscheidung 5 Nd 509/87 auch insoweit noch beitritt, als sie der im sozialistischen Rechtskreis verfochtenen Auffassung von der uneingeschränkten Staatenimmunität, die zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis nicht unterscheidet, eine klare Absage erteilt und die Errichtung eines der Elektrizitätserzeugung dienenden Atomkraftwerkes dem Bereich der letzteren zuzählt, so gelangt er doch - abweichend von ihr - zur Verneinung der inländischen Gerichtsbarkeit. Mit Böhm (aaO Punkt 4 und 7) darf nämlich bei Beurteilung dieser Frage nicht nur allein die vom Kläger besorgte und behauptete künftige Beeinträchtigung der Benutzung seiner inländischen Liegenschaft betrachtet werden, sondern auch und vor allem das von ihm mit der vorliegenden Klage angestrebte konkrete Rechtsschutzziel. Dieses richtet sich aber auf eine ausschließlich im Ausland lokalisierte Erfüllungshandlung, nämlich auf die Unterlassung der Errichtung der Atomkraftwerke T*** 1 bis 4 auf dem konkreten Standort in der CSSR. Nur dort - also auf fremdem Staatsgebiet - und nirgendwo anders, insbesondere auch nicht in Österreich, könnte dieser Unterlassungsanspruch des Klägers von der Beklagten erfüllt werden. Weder das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der T*** S*** R*** zur Regelung von Fragen gemeinsamen Interesses im Zusammenhang mit Kernanlagen vom 18. November 1982, BGBl. 1984/208, noch multilaterale Übereinkommen des Völkervertragsrechtes verpflichten aber Österreich in einem solchen Fall zur Ausübung von Gerichtsbarkeit (§ 28 Abs.1 Z 1 JN). Nach dem Völkergewohnheitsrecht gilt vielmehr der Grundsatz der territorialen Souveränität, welcher zwar aus Gründen des internationalen Umweltschutzes insoferne eingeschränkt ist, als kein Staat das Recht hat, auf das Gebiet eines anderen Staates - insbesondere des Nachbarstaates - einzuwirken oder solche Eingriffe von seinem Territorium aus zu gestatten (Moser in ÖJZ 1987, 99 und die dort unter FN 9 angeführte Literatur), doch könnte ein derartiges völkerrechtswidriges Verhalten eines Staates nur vom betroffenen Nachbarstaat, nicht aber auch von einer Privatperson desselben geltend gemacht werden (Verdross-Simma, Universelles Völkerrecht3 § 1300). Daraus folgt aber bereits, daß ein entsprechendes, von einem österreichischen Gericht ausgesprochenes Unterlassungsgebot völkerrechtswidrig in die ausländische Territorial- und Gerichtshoheit eingreifen würde. Ein derartiges Urteil könnte überdies mangels eines entsprechenden Vollstreckungsübereinkommens zwischen Österreich und der CSSR am genannten Erfüllungsort nicht vollstreckt werden. Im Gegensatz zur Meinung der Vorentscheidung 5 Nd 509/87 kommt aber auch eine Anspruchsdurchsetzung durch eine Exekutionsführung in Österreich im Wege der Verhängung von Geldstrafen oder Haft gemäß § 355 EO nicht in Betracht, weil die Eintreibung von Geldstrafen das Vorhandensein von inländischem, dem exekutiven Zugriff unterliegendem Vermögen der Beklagten zur Voraussetzung hätte. Hiefür wäre aber der Kläger behauptungs- und bescheinigungspflichtig gewesen (§ 28 Abs.2 JN). Selbst wenn exekutiv verhängte Geldstrafen auch im Inland eintreibar sein sollten, so wäre damit die Vollstreckung gemäß § 355 EO doch nur partiell durchführbar, weil das Beugemittel der Haft gegen die Repräsentanten der CSSR im Inland keinesfalls vollstreckt werden könnte. Vor allem kommt aber im vorliegenden Fall eine Exekutionsführung gemäß § 355 EO im Inland schon deshalb nicht in Betracht, weil sie zur Erzwingung eines von der Beklagten ausschließlich auf ihrem Staatsgebiet zu setzenden Verhaltens - also zur grenzüberschreitenden Willensbeugung - diente und damit selbst wiederum als ein (zumindest indirekter) Eingriff in die fremde Gerichtshoheit zu werten wäre (Böhm aa0 Punkt 5). Schließlich müßte eine Anspruchsdurchsetzung im Inland nicht zuletzt auch am Mangel eines örtlich zuständigen österreichischen Exekutionsgerichtes scheitern, weil sich die Zuständigkeit bei der Unterlassungsexekution gemäß § 355 EO nach dem Ort der Zustellung des Bewilligungsbeschlusses an den Verpflichteten richtet (Heller-Berger-Stix 320; EvBl. 1976/159; EvBl. 1979/26). Wenngleich dem Kläger die Rechtsverfolgung in der CSSR unzumutbar und offenbar auch unmöglich ist (5 Nd 509/87), so kommt nach dem bisher Gesagten selbst die von ihm angestrebte Ordination gemäß § 28 Abs.1 Z 2 JN schon deshalb nicht in Betracht, weil ein vor einem österreichischen Gericht durchgeführter Prozeß nur zur Schaffung eines praktisch wertlosen Urteilspapiers, nicht aber zur wirksamen Rechtsdurchsetzung führen könnte. Es ermangelt daher dem Kläger am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weil es nicht Sache der österreichischen Justiz sein kann, ein umfangreiches, langwieriges und kostspieliges Verfahren abzuführen, wenn fast alles dafür spricht, daß das Ergebnis nur ein wertloses Schriftstück sein kann (Böhm aaO Punkt 6; JBl. 1988, 323; 7 Nd 502/88; 5 Nd 501/89)."

Der erkennende Senat schließt sich aus den zutreffenden Gründen dieser Entscheidung an.

Dem Ordinationsantrag konnte daher kein Erfolg beschieden sein.

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