Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die neue Entscheidung über die Berufungen der Parteien aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung
Die Ehe der Streitteile wurde am 18.12.1979 gemäß § 55 Abs 3 EheG geschieden, wobei ausgesprochen wurde, daß der Beklagte die Zerrüttung der Ehe allein verschuldet hat. Der Beklagte verpflichtete sich in einem am 25.8.1980 geschlossenen Vergleich, der Klägerin einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 800 S zu bezahlen.
Mit ihrer am 25.3.1985 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 4.170 S zu bezahlen. Bei Abschluß des Vergleiches sei davon ausgegangen worden, daß der Beklagte eine Pension von 7.000 S im Monat erhalte und daß sie selbst ihren Unterhalt aus den Zinsen ihres in Wertpapieren angelegten Vermögens bestreiten könne. Es sei deshalb der vom Beklagten zu bezahlende Unterhalt bloß in der Höhe des monatlichen Beitrages der für sie notwendigen Krankenversicherung vereinbart worden. Nunmehr beziehe der Beklagte eine Pension von 9.000 S im Monat, als Beitrag für die Krankenversicherung seien 1.200 S im Monat zu bezahlen, und sie sei einkommens- und vermögenslos, weil sie ihr Vermögen zur Bestreitung ihres Unterhalts habe heranziehen müssen.
Der Beklagte wendete ein, daß die Klägerin zur Zeit des Vergleichsabschlusses über ein Vermögen von 1,3 Mill.S verfügt habe, aus dem sie bei entsprechender Veranlagung in mündlsicheren Wertpapieren eine Verzinsung von 8 % bis 11,25 % hätte erzielen können. Sie könne ihren Unterhalt nach wie vor aus den Einkünften ihres Vermögens bestreiten.
Das Erstgericht erkannte den Beklagten unter Abweisung des Mehrbegehrens schuldig, der Klägerin einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 2.000 S zu bezahlen. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Bei Abschluß des Vergleiches ging der die Verhandlung leitende Richter davon aus, daß die Klägerin über ein Vermögen von 650.000 S verfüge. Tatsächlich hatte sie durch den Verkauf ihres Hauses 1,3 Mill.S eingenommen, wovon ihr im Jahr 1980 noch 950.000 S (einschließlich einer Darlehensforderung von 150.000 S) zur Verfügung standen. Zur Zeit des Vergleichsabschlusses war sie Eigentümerin von Wertpapieren im Nennbetrag von 400.000 S mit einer Verzinsung von 9,5 %. Diese Wertpapiere verkaufte sie in der Folge mit Ausnahme von Wertpapieren im Nennbetrag von 10.000 S. Sie besitzt derzeit ein Vermögen von mindestens 500.000 S, das sich auf Sparbüchern und Wertpapierkonten befindet. Daraus erzielte sie 1985 36.278,37 S und 1986 33.415,10 S an Einkünften. Sie hätte ihr Vermögen in Wertpapieren anlegen können, wodurch sie jährlich 85.500 S erzielt hätte.
Der Beklagte bezog an monatlicher Pension durchschnittlich 11.733 S im Jahr 1985 und 11.970,13 S im Jahr 1986. Die von der Klägerin zu zahlenden Krankenkassenbeiträge betragen seit 1.5.1985 360 S im Monat.
Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß sich die Verhältnisse gegenüber dem Vergleich wesentlich geändert hätten, weil sich das Nettoeinkommen des Beklagten erhöht habe, das Vermögen der Klägerin und die daraus zu erzielenden Einkünfte aber geringer geworden seien. Dies rechtfertige die Neufestsetzung des ihr zustehenden Unterhalts, der im Hinblick auf die nunmehr gegebenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien mit 2.000 S monatlich zu bemessen sei.
Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin gegen den abweisenden Teil dieses Urteils erhobenen Berufung nicht Folge und wies das Klagebegehren infolge der vom Beklagten gegen den stattgebenden Teil erhobenen Berufung zur Gänze ab. Es sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei, und stellte nach teilweiser Wiederholung der in erster Instanz durchgeführten Beweise noch folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Der Richter, der den Vergleich beurkundete, errechnete, daß der Klägerin aus dem Verkauf ihres Hauses noch etwa 600.000 bis 650.000 S zur Verfügung stehen müßten. Demgegenüber brachte die Klägerin vor, 400.000 S in festverzinslichen Wertpapieren und 150.000 S auf einem Sparkonto angelegt zu haben. Daraus erziele sie monatliche Erträge von 3.000 bis 3.500 S. Da sie für ihren Unterhalt etwa 8.000 S im Monat aufwenden müsse, sei sie genötigt, das Kapital mit monatlich 5.000 s anzugreifen. Der Klägerin war bewußt, daß sie ihren Unterhalt nicht dauernd aus ihrem Vermögen werde decken können. Sie machte sich jedoch keine Vorstellung, was sein solle, wenn ihr Vermögen aufgebraucht ist. Dies wurde mit dem Beklagten auch nicht erörtert.
Der Beklagte ging bei Abschluß des Vergleiches davon aus, daß die Klägerin ihren Unterhalt aus den Erträgnissen ihres Vermögens decken könne. Um die Unterhaltsangelegenheit endgültig zu bereinigen, erklärte er sich dennoch vergleichsweise bereit, einen Unterhaltsbetrag von 800 S monatlich zu bezahlen. Dieser Betrag entsprach etwa den Beiträgen, welche die Klägerin im Monat für die Krankenversicherung zu zahlen hatte. Absicht des Beklagten bei Abschluß des Vergleiches war, daß in Zukunft von ihm keine Erhöhung des Unterhalts verlangt werden könne. Andernfalls hätte er den Vergleich nicht abgeschlossen.
Zur rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, im Verfahren, das zum Abschluß des Vergleiches geführt habe, sei strittig gewesen, inwieweit die Klägerin ihren Unterhalt aus den Einkünften ihres Vermögens bestreiten könne. Diese Frage sei durch den Vergleich bereinigt worden. Das Vermögen der Klägerin und die hieraus zu erzielenden Erträgnisse könnten deshalb nicht als Grund für eine Erhöhung des verglichenen Unterhaltsanspruches herangezogen werden. Dies gelte auch für die Behauptung, daß die Klägerin ihr ganzes Vermögen aufgebraucht habe. Es handle sich dabei um keine nachträgliche Veränderung der Verhältnisse, sondern um einen Umstand, welcher der Klägerin bei Abschluß des Vergleiches bewußt gewesen sei. Der Beklagte habe mangels weiterer Erklärungen den Vergleich nach den Grundsätzen des § 863 ABGB so verstehen können, daß im Zusammenhang mit dem Vermögen der Klägerin eine Erhöhung des verglichenen Unterhalts nicht gefordert werden könne. Die Krankenversicherungsbeiträge seien hiefür kein Grund, weil sie sich verringert hätten. Da bei Vergleichsabschluß ein bestimmter Konnex zwischen der Höhe des Unterhalts und den Krankenversicherungsbeiträgen beabsichtigt gewesen sei, sei wegen der Verringerung der Beiträge auch die Erhöhung des Pensionseinkommens des Beklagten allein kein hinreichender Grund für eine Erhöhung seiner Unterhaltsverpflichtung. Die Rechtsfragen seien im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gelöst worden und es komme ihnen überdies keine über den Anlaßfall hinausgehende Bedeutung zu, weshalb die Revision nicht zuzulassen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht, allenfalls an das Erstgericht, zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.
Das Berufungsgericht erkannte richtig, daß für Unterhaltsvergleiche die Umstandsklausel gilt und daß der Unterhaltsanspruch daher bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu bestimmt werden kann (EFSlg 43.108, 43.715 uva). An dieser Rechtsprechung hielt und hält der Oberste Gerichtshof trotz der Kritik von Rummel (in Rummel, ABGB § 901 Rz 8 a S 991 ff) fest. Dem Berufungsgericht ist ferner darin beizupflichten, daß die Parteien infolge der Bereinigungswirkung eines Vergleiches nicht auf Umstände zurückgreifen können, die strittig waren und durch den Vergleich geklärt werden sollten (Wolff in Klang2 VI 276; 7 Ob 226/73 ua). Dies gilt aber nur für die Frage, in welchem Umfang ein Anspruch durch den Vergleich festgelegt wird, und hat keinen Einfluß darauf, ob sich die Verhältnisse wesentlich geändert haben und deshalb eine Änderung des verglichenen Anspruchs begehrt werden kann. Wenn nichts anderes vereinbart wurde, bilden den Gegenstand des Vergleiches und damit auch seiner Bereinigungswirkung nur die Verhältnisse zur Zeit des Vergleichsabschlusses. Später eintretende Änderungen der Verhältnisse können daher von der Bereinigungswirkung nicht erfaßt sein. Den Parteien des Vergleiches ist es demnach entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht verwehrt, eine wesentliche Änderung auch von solchen Umständen geltend zu machen, die bei Abschluß des Vergleiches strittig waren. Hier hindert also die Tatsache, daß durch den Vergleich auch der Streit über die Einkünfte der Klägerin bereinigt werden sollte, nicht, daß sie sich auf eine spätere Verringerung ihrer Einkünfte beruft, um eine wesentliche Änderung der Verhältnisse darzutun.
Auf eine Änderung der Unterhaltsvereinbarung bei Änderung der Verhältnisse kann allerdings verzichtet werden (EFSlg 35.242 ua), wobei dieser Verzicht gemäß § 863 ABGB auch schlüssig erklärt werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl hiezu die Übersicht bei Apathy in Schwimann, ABGB § 863 Rz 11 f) ist aber für die Annahme eines schlüssigen Verzichtes auf die Ausübung eines Rechtes ein strenger Maßstab anzulegen. Dem entspricht die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang vertretene Ansicht nicht. Es sah es nämlich für die Annahme eines schlüssigen Verzichtes als ausreichend an, daß die Klägerin zur Geltung der Umstandsklausel keine Erklärung abgab, obwohl sie mit der Verringerung ihres Vermögens und den daraus erzielten Einkünften rechnete. Zwar kommt es bei der Bedeutung des Verhaltens einer Vertragspartei nicht auf deren Absicht, sondern auf den Eindruck an, den der andere von dem Verhalten haben mußte (SZ 46/9 ua). Das Verhalten der Klägerin ließ aber durchaus die Deutung zu, daß sie sich nur für die Zeit der Deckung ihrer Unterhaltsbedürfnisse durch die Erträgnisse ihres Vermögens mit dem geringen vereinbarten Unterhaltsbetrag abfinde. Es entsprach daher nicht der Forderung des § 863 ABGB, daß (für einen objektiven Dritten) kein vernünftiger Grund gegeben sein durfte, daran zu zweifeln, daß sie auf eine Erhöhung des ihr zu zahlenden Unterhaltsbetrages verzichten wollte.
Der Oberste Gerichtshof vertrat allerdings schon die Auffassung, die Umstandsklausel sei auch ausgeschlossen, wenn beide Vertragsparteien von der Erwartung ausgegangen seien, daß die geltend gemachte Änderung eintreten werde (SZ 35/61; EFSlg 8.669; EvBl 1979/139). In dieser allgemeinen Form kann der Rechtssatz aber nicht aufrecht erhalten werden. Auch der Umstand, daß die Parteien die später geltend gemachten Änderungen schon bei Abschluß des Vertrages erwartet haben, schließt die Umstandsklausel nicht in jedem Fall, sondern nur dann und nur so weit aus, als er die Annahme eines schlüssigen Verzichtes auf die Geltendmachung der Änderungen rechtfertigt. Er ist also ebenso wie andere in Betracht kommende Umstände nach den Grundsätzen des § 863 ABGB zu beurteilen. Damit stimmen die angeführten Entscheidungen mit Ausnahme der Entscheidung EvBl 1976/139 in ihrem Ergebnis auch überein. Das in dieser Entscheidung vertretene Ergebnis, daß eine erwartete Einkommenserhöhung des Unterhaltspflichtigen und eine erwartete Bedarfsteigerung des Unterhaltsberechtigten nicht geltend gemacht werden könne, ist vereinzelt geblieben. Es widerspricht auch der Lebenserfahrung, weil in der Regel etwa mit einer Geldwertverdünnung, einer Erhöhung der Bedüfnisse von Kindern oder einer Änderung der Einkommensverhältnisse durch Pensionierung des Berechtigten oder des Verpflichteten gerechnet wird; daraus wurde sonst nie auf einen Rechtsverlust geschlossen.
Die Klägerin kann daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes eine wesentliche Verringerung ihrer Einkünfte als Grund für die Erhöhung ihres Unterhaltsanspruchs geltend machen. Die durch den Vergleich herbeigeführte Bereinigung des Streites über das damalige Vermögen der Klägerin hat allerdings zur Folge, daß bei der rechtlichen Beurteilung das dem Vergleich zugrundegelegte Vermögen mit dem gegenwärtigen Vermögen in Beziehung zu setzen ist. Da sich das Berufungsgericht entsprechend seiner abweichenden Meinung mit den Ausführungen, die in den Berufungen der Parteien zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz und zur unrichtigen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung enthalten waren, nicht auseinandersetzte und ihre Rechtsmittel insoweit nicht erledigte, ist ihm die neuerliche Entscheidung über die Berufungen aufzutragen. Der Ausspruch über den Ersatz der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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