OGH 16Os3/89

OGH16Os3/8921.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.April 1989 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Walenta und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Ofner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerda T*** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22.November 1988, GZ 2 c Vr 9463/86-38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten gemäß § 285 i StPO dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt. Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die 31-jährige Gerda T*** des Verbrechens des (schweren) gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt. Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat sie vom 10.Jänner 1984 bis zum 4.November 1985 in Wien gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der E*** Ö*** S***-C*** durch Vorlage von Sammelüberweisungsaufträgen ihres Dienstgebers Dr. Reza H***-N***, auf denen sie teils nach Unterfertigung durch diesen nachträglich Überweisungen an sich bzw. Dritte eingefügt und auch teilweise die Unterschrift ihres Dienstgebers nachgemacht hatte, somit durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung falscher (und verfälschter) Urkunden zu Handlungen, nämlich zur Überweisung von Bargeldbeträgen auf ihr Konto bzw. auf Konten ihrer Gläubiger verleitet, welche Dr. Reza H***-N*** an seinem Vermögen um (insgesamt) 357.605,57 S schädigten.

Nach den wesentlichen Feststellungen des Schöffengerichtes hat die Angeklagte - die seit 3.Mai 1982 als Ordinationshilfe beim praktischen Arzt Dr. Reza H***-N*** in Wien beschäftigt war, im Laufe der Jahre aufgrund ihrer Arbeitsleistung ein immer größer werdendes Vertrauen ihres Dienstgebers, der dem bürokratischen Verwaltungsaufwand kaum gewachsen war und sich damit nur am Rande beschäftigte, genoß und daher von ihm (ua) beauftragt wurde, Sammelüberweisungsaufträge betreffend sein Konto bei der E*** Ö*** S***-C*** auszufüllen, ihm zur Unterschrift

vorzulegen und sodann zur Durchführung dem Geldinstitut zu überbringen, wobei sie diesen Aufträgen vorerst auch ordnungsgemäß nachkam - zu Beginn des Jahres 1984 beschlossen, sich im Hinblick auf ihre finanziellen Schwierigkeiten durch Fälschung der Sammelüberweisungsaufträge Bargeld auf ihr eigenes Konto überweisen zu lassen bzw. auf diese Weise Schulden an ihre Gläubiger zu bezahlen. Zu diesem Zweck fügte sie vorerst auf Sammelüberweisungsaufträgen, die Dr. H***-N*** bereits unterfertigt hatte, ohne dessen Wissen nachträglich Überweisungen an sich bzw. Dritte ein. In der Folge unterfertigte sie unter Mißbrauch ihrer Vertrauensstellung Sammelüberweisungsaufträge mit dem Namen ihres Dienstgebers und erwirkte auf diese Weise gleichfalls die Überweisung von Bargeldbeträgen auf ihr eigenes Konto bzw. auf Konten ihrer Gläubiger. Durch diese teils auf die eine, teils auf die andere Art erwirkten Überweisungen zu ihren Gunsten, die durchwegs ohne Willen und Wissen ihres Dienstgebers erfolgten, hat sie im Zeitraum vom 10.Jänner 1984 bis zum 4.November 1985 ihren Dienstgeber um insgesamt 357.605,57 S geschädigt (S 142 ff/Bd. II). Diese Feststellungen stützten die Tatrichter auf die Bekundungen des Zeugen Dr. Reza H***-N*** - dem sie vollen Glauben schenkten, sodaß sie die Verantwortung der Angeklagten, sie habe die inkriminierten Überweisungen an sie bzw. an ihre Gläubiger mit Zustimmung des Genannten vorgenommen, als widerlegt erachteten - in Verbindung mit den Aussagen der Zeugen Dr. Harald S*** und Rita K*** sowie mit dem Gutachten des beigezogenen Schriftsachverständigen Herbert P*** (S 146 ff/Bd. II).

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5, 5 a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Als Verfahrensmangel (Z 4) rügt die Beschwerdeführerin die Abweisung (S 138/Bd. II) der von ihr in der Hauptverhandlung vom 22. November 1988 gestellten Beweisanträge auf Beischaffung der Originalkrankenscheine "zum Beweis dafür, daß auf diesen Originalkrankenscheinen mit Zustimmung des Zeugen (gemeint: Dr. H***-N***) die Unterschrift von der Angeklagten nachgemacht wurde und die Feststellungen vom Sachverständigen nicht richtig sind" und auf Beiziehung eines weiteren Schriftsachverständigen "bezüglich der Unterschrift auf dem Kreditantrag zum Beweis dafür, daß die Unterschrift vom Zeugen Dr. H***-N*** stammt, durch fotoelektriksche Auswertung, weil die vom (beigezogenen) Sachverständigen angewandte Methode nicht sagen kann, wer unterschrieben hat" (S 137/Bd. II); dies jedoch zu Unrecht.

Denn zum einen ist das Erstgericht im Einklang mit den Verfahrensergebnissen (vgl. insb. S 132, 134/Bd. II) ohnedies davon ausgegangen, daß die Angeklagte (auch) diese Unterschriften in einigen Fällen tatsächlich nachgemacht hat (S 138, 150/Bd. II), wobei es aber zutreffend darauf hingewiesen hat, daß auch die Einsicht in die Originalkrankenscheine (deren Übersendung im übrigen von der Wiener Gebietskrankenkasse abgelehnt worden war; vgl. ON 36) nicht erhellen kann, ob dies mit oder ohne Zustimmung des Zeugen Dr. H***-N*** geschehen ist, sodaß aus der begehrten Beweisaufnahme eine Aufklärung über entscheidungswesentliche Tatsachen nicht zu erwarten war (vgl. § 254 Abs 1 StPO). Zum anderen wurde bei Stellung des Antrages auf Beiziehung eines weiteren Schriftsachverständigen - dessen Relevanz ausschließlich an Hand jener Gründe zu überprüfen ist, die hiefür in erster Instanz vorgebracht wurden (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 41 zu § 281 Z 4) - nicht dargetan, daß das Gutachten des beigezogenen Sachverständigen widersprüchlich oder mangelhaft ist oder Schlüsse enthält, die aus den angegebenen Vordersätzen nicht folgerichtig gezogen sind, wobei sich die Bedenken nicht durch eine nochmalige Vernehmung des Sachverständigen beseitigen lassen (§ 126 StPO); ob aber ein Gutachten ausreichend ist, bleibt als Beweisfrage der Beurteilung durch die Tatsacheninstanz vorbehalten (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 132 zu § 281 Z 4).

Durch die Abweisung der in Rede stehenden Beweisanträge wurden somit Verteidigungsrechte der Angeklagten nicht beeinträchtigt, weshalb die bezügliche Rüge versagt.

In der Mängelrüge (Z 5) behauptet die Beschwerdeführerin eine unvollständige, undeutliche, offenbar unzureichende, widersprüchliche und aktenwidrige Begründung des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen. Der Sache nach reklamiert sie mit ihren Beschwerdeausführungen allerdings insgesamt (nur) eine unvollständige und offenbar unzureichende Begründung; auch das zu Unrecht.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist das Erstgericht nicht davon ausgegangen, daß in jenen Fällen, in denen sie nach Unterfertigung der Sammelüberweisungsaufträge durch ihren Dienstgeber nachträglich weitere Überweisungen (zu ihren Gunsten) eingefügt hat, vor der Unterfertigung durch Dr. H***-N*** jeweils auch bereits die Summe der zu überweisenden Beträge eingesetzt gewesen ist. Indem die Tatrichter nämlich auch insoweit den als glaubwürdig beurteilten Bekundungen des genannten Zeugen folgten (S 149/Bd. II), der ausdrücklich angegeben hatte, daß im Zeitpunkt der Unterfertigung der Aufträge durch ihn die Summe nicht eingesetzt gewesen ist (S 419/Bd. I, verlesen in der Hauptverhandlung vom 22.November 1988; vgl. S 127/Bd. II), haben sie (lediglich) als erwiesen angenommen, daß zwar die Überweisungen eingetragen waren, nicht aber die daraus resultierende Summe der Überweisungsbeträge, als Dr. H***-N*** die Aufträge unterschrieb. Damit konnten sie aber, ohne gegen Denkgesetze zu verstoßen, (auch) davon ausgehen, daß die Angeklagte weitere Überweisungen auch nach der Unterfertigung der Überweisungsaufträge durch ihren Dienstgeber hinzufügen konnte, ohne daß hiezu eine Manipulation an einer Summeneintragung erforderlich war. Gegenteiliges kann jedenfalls weder der Tatschilderung im Urteilsspruch (S 140/Bd. II) noch den Urteilskonstatierungen zum Tathergang (S 143/Bd. II) und den sonstigen Urteilsausführungen (sh. insb. S 151/Bd. II) entnommen werden.

Damit gehen aber alle jene Beschwerdeeinwände, mit welchen dargetan werden soll, daß die Einfügung weiterer Überweisungen nach erfolgter Unterfertigung nur durch eine nachträgliche Korrektur der Summe möglich gewesen wäre, wofür das Beweisverfahren jedoch keinen Anhaltspunkt ergeben habe, nicht vom festgestellten Urteilssachverhalt aus, sodaß darauf nicht weiter einzugehen ist. Daß der Schaden, den die Angeklagte ihrem Dienstgeber durch die inkriminierten Tathandlungen zugefügt hat, insgesamt 25.000 S übersteigt, wird auch von der Beschwerde eingeräumt. Soweit in diesem Zusammenhang daher, und zwar allein unter dem Aspekt der Schuld, als eine Nichtigkeit im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO begründende Unvollständigkeit der Urteilsgründe gerügt wird, das Gericht habe jene Korrespondenz unberücksichtigt gelassen, derzufolge der Angeklagten aus der Auflösung des Dienstverhältnisses eine Forderung von 86.037,60 S gegen Dr. H***-N*** zustehe, um die der zuzurechnende Betrugsschaden zu vermindern sei, betrifft die Rüge keine für die Lösung der Schuldfrage oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes entscheidende Tatsache. Wird doch auch unter zugrundelegung des Beschwerdestandpunkts die maßgebliche Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB nF keinesfalls berührt, weil auch darnach der Schaden immer noch mehr als 270.000 S beträgt (vgl. hiezu Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 26 zu § 281 Z 5). Soweit aber das bezügliche Vorbringen subsidiär auch als Berufungsgrund releviert wird, ist darauf (erst) bei der Entscheidung über die (Straf-) Berufung der Angeklagten Bedacht zu nehmen.

Keinen formalen Begründungsmangel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO vermag die Beschwerdeführerin schließlich auch in bezug auf die Feststellung darzutun, daß sie am 29.Jänner 1986 eine vollständig ausgefüllte Erklärung (und nicht ein Blankett) unterfertigt hat. Die Beschwerde bekämpft insoweit vielmehr lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter, die denkrichtig und lebensnah begründet haben, aus welchen Erwägungen sie zu der bekämpften Konstatierung gelangt sind (S 147/Bd. II). In der Tatsachenrüge (Z 5 a) geht die Beschwerdeführerin zunächst (abermals) urteilsfremd davon aus, daß schon vor der Unterfertigung der Sammelüberweisungsaufträge durch Dr. H***-N*** jeweils auch die Summe der Überweisungsbeträge eingesetzt gewesen sei. Damit ist die Rüge insoweit schon deshalb nicht geeignet, mit dem Hinweis auf das Fehlen von Korrekturen dieser Summe erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Urteilsannahme zu erwecken, wonach die Beschwerdeführerin nach der Unterfertigung der Aufträge durch den Genannten weitere Überweisungen zu ihren Gunsten hinzugefügt hat. Derartige Bedenken werden aber auch, wie die Prüfung der Einwände an Hand der Akten ergeben hat, mit dem weiteren Vorbringen zu dem in Rede stehenden Anfechtungsgrund nicht dargetan. Denn die Beschwerdeführerin vermag weder schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen noch auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung, also intersubjektiv, erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen (vgl. NRsp 1988/204 = EvBl 1988/116 = RZ 1989/34 ua). Sie unternimmt vielmehr lediglich den Versuch, die Beweiskraft der Aussage des Zeugen Dr. H***-N***, dem der Schöffensenat Glauben schenkte, anzuzweifeln und solcherart ihrer von den Tatrichtern als unglaubwürdig abgelehnten Verantwortung doch noch zum Durchbruch zu verhelfen. Die reklamierte Urteilsnichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 5 a StPO kann darin aber nicht erblickt werden (vgl. NRsp 1988/188 = EvBl 1988/109).

Die nominell auf die Z 9 lit a und 9 lit b der zitierten Gesetzesstelle gestützte Rechtsrüge schließlich entbehrt der prozeßordnungsgemäßen Ausführung; negiert sie doch die Konstatierungen des Erstgerichtes, wonach die Beschwerdeführerin gegen den Willen und ohne Wissen des Zeugen Dr. H***-N*** Überweisungen von dessen Konto auf ihr Konto bzw. auf Konten ihrer Gläubiger (mit Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz) veranlaßte und den Genannten hiedurch an seinem Vermögen um mehr als 25.000 S schädigte (S 143, 144 sowie 151/Bd. II).

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist demnach teils offenbar unbegründet, teils nicht gesetzmäßig ausgeführt, weshalb sie - übereinstimmend mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen war. Daraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung der Angeklagten der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285 i StPO). Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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