OGH 7Ob566/89

OGH7Ob566/8920.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als Richter in der Pflegschaftssache des mj. Michael H***-L***, geboren am 3.März 1985, infolge Revisionsrekurses des ehelichen Vaters Bruno H***-L***, Pensionist, Mattighofen, Wagenham Nr.24, vertreten durch Dr.Josef Bleierer und Dr.Sylvia Bleierer, Rechtsanwälte in Mattighofen, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgericht vom 19.Jänner 1989, GZ R 1038/88-26, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 21.Oktober 1988, GZ 1 P 27/88-17, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehe des Bruno H***-L*** mit Marianne H***-L*** wurde am 4.Mai 1988 einvernehmlich rechtskräftig geschieden. Anläßlich der Scheidung schlossen die Eheleute einen Vergleich, demzufolge die elterlichen Rechte bezüglich der drei mj. Kinder Lydia, geboren am 24. Juni 1973, Veronika, geboren am 26.April 1974 und Michael, geboren am 3.März 1985, der Mutter bleiben sollten. Bereits einige Tage nach Abschluß dieses Vergleiches hat jedoch der Vater die Zuerkennung der elterlichen Rechte bezüglich der Kinder an sich begehrt. Mit seinem Antrag hatte er bezüglich der mj. Lydia Erfolg, während bezüglich der mj. Veronika die elterlichen Rechte rechtskräftig der Mutter zuerkannt wurden. Strittig ist nur mehr der Antrag bezüglich des mj. Michael, der sich bei der Mutter befindet. Die Mutter lebt in Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann in einer ausreichenden und ordnungsgemäß gehaltenen Unterkunft in Schwanenstadt.

Die Vorinstanzen haben übereinstimmend den Antrag betreffend den mj. Michael abgewiesen, wobei sie eingehend die Verhältnisse bei den beiden Elternteilen erhoben und ausgeführt haben, daß die Vorwürfe des Vaters gegen die Mutter (Alkohol- und Nikotinmißbrauch) nicht verifiziert werden konnten. Der Verbleib des Minderjährigen bei der Mutter entspreche schon im Hinblick auf sein Alter seinem Wohl. Hiezu komme, daß sich die Eltern im Scheidungsverfahren über einen Verbleib des Minderjährigen bei der Mutter geeinigt haben. Irgendwelche Umstände, die gegen diese Einigung sprechen, seien nicht hervorgekommen. Die Mutter gehe derzeit keinem Beruf nach und könne sich voll dem Minderjährigen widmen. Selbst wenn sie aber einen Beruf annehmen müsse, käme hier nur eine Halbtagsbeschäftigung in Frage, so daß sich die Mutter dem Minderjährigen, der einen Kindergarten besucht, nach wie vor ausreichend widmen könne. Auch sonst sei für die Beaufsichtigung des Minderjährigen hinreichend Sorge getragen. Selbst im Falle annähernd gleichwertiger Betreuung des Minderjährigen bei beiden Elternteilen sei demnach schon im Hinblick auf das Alter des Minderjährigen einer Betreuung durch die Mutter der Vorzug zu gewähren. Der abgeschlossene Vergleich führe sogar dazu, daß geringfügige Vorteile beim Vater nicht den Ausschlag geben könnten.

Rechtliche Beurteilung

Da im vorliegenden Fall übereinstimmende Entscheidungen der Vorinstanzen vorliegen, wäre gemäß § 16 AußStrG ein weiteres Rechtsmittel nur wegen Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit oder offenbarer Gesetzwidrigkeit zulässig. Eine Aktenwidrigkeit wird nicht behauptet. Von einem Verfahrensverstoß vom Gewicht einer Nichtigkeit nach § 16 AußStrG könnte nur dann gesprochen werden, wenn die dem Gericht im Sinne des § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG obliegende Stoffsammlung so mangelhaft geblieben wäre, daß dadurch Grundprinzipien des Pflegschaftsverfahrens - hier das Wohl des Kindes - vollkommen außer acht gelassen worden wäre (6 Ob 588/77, 3 Ob 648/78 ua). Angeblich unvollständige Feststellungen begründen weder einen Verfahrensmangel noch eine Nichtigkeit: Sie könnten allenfalls eine unrichtige rechtliche Beurteilung bewirken, die aber kein Anfechtungsgrund im Sinne des § 16 AußStrG ist (4 Ob 524/88, 7 Ob 669/88 ua). Im vorliegenden Fall kann keine Rede von einer derart mangelhaften Stoffsammlung durch die Vorinstanzen sein, daß hiedurch das Wohl des Kindes vollkommmen außer acht gelassen worden wäre. Ob die Nichteinholung eines psychologischen Gutachtens überhaupt ein Verfahrensmangel wäre, muß nicht geprüft werden, weil im vorliegenden Verfahren kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß hiedurch eine ausreichende Prüfung des Kindeswohles ausgeschlossen worden wäre. Es gehört nicht zu den Grundprinzipien des Pflegschaftsverfahrens, daß in jedem Fall psychologische Gutachten eingeholt werden müssen. Vielmehr wird dies aber eine Ausnahme bleiben. Schließlich ist es Sache des Richters eine Entscheidung zu fällen. Dieser darf seine Ermessensentscheidung nicht de facto auf einen Sachverständigen abwälzen. Wenn daher nicht konkrete Umstände für die Einholung eines Sachverständigengutachtens sprechen, kann seine Unterlassung keine Nichtigkeit begründen.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird (JBl 1975, 547, NZ 1973 77 ua). Wenn es sich um eine Ermessensentscheidung handelt, kann offenbare Gesetzwidrigkeit schon begrifflich nicht vorliegen (NZ 1982, 142, SZ 49/76 ua). Bei einer nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles zu treffenden Regelung vermag der Vorwurf, daß nicht alle Umstände des Einzelfalles gebührend berücksichtigt worden seien, die im § 16 AußStrG angeführte Rechtsmittelvoraussetzung der offenbaren Gesetzwidrigkeit nicht herzustellen (EFSlg 14.686, 4 Ob 624/88, 4 Ob 538/88 ua).

Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der die Vorinstanzen auf die wesentlichen Umstände, nämlich auf das Kindeswohl, ausreichend Bedacht genommen haben. Sie haben auch den Umstand berücksichtigt, daß die Mutter allenfalls eine Halbtagsbeschäftigung annehmen wird, was möglicherweise eine fallweise Betrauung einer anderen Person mit der Beaufsichtigung des Kindes mit sich bringen könnte. Der Elternteil, dem die Pflege und Erziehung des Kindes übertragen wurde, muß diese nicht selbst vornehmen, sondern kann sie auch anderen Personen überlassen (EFSlg 35.982, EvBl 1978/127 ua). Daß die hiefür in Frage kommende andere Person (hier wird die Mutter des Lebensgefährten der Kindesmutter genannt) derart ungeeignet wäre, daß dies zu einer Gefährdung des Wohles des Minderjährigen führen könnte, hat das Verfahren nicht ergeben. Es wurden auch keine konkreten Umstände betreffend eine Gefährdung des Minderjährigen durch die Vorstrafe des Lebensgefährten der Mutter oder die vom Vater behauptete Neigung dieses Lebensgefährten zum Alkohol festgestellt. Haben aber die Vorinstanzen aufgrund eines ausreichenden Verfahrens unter Berücksichtigung des Wohles des Kindes eine Ermessensentscheidung gefällt, so kann der Oberste Gerichtshof aufgrund eines außerordentlichen Revisionsrekurses nicht mehr prüfen, ob allenfalls eine andere Ermessensentscheidung besser gewesen wäre. Der Revisionsrekurs erweist sich sohin als unzulässig.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte