OGH 9ObA119/89

OGH9ObA119/8919.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing. Walter Holzer und Dr. Manfred Mögele als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Hermann M***, Techniker, Wien 9, Porzellangasse 43, vertreten durch Dr. Alfred Richter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Erhard B***, Patentanwalt, Wien 23, Schwarzwaldgasse 28, vertreten durch Dr. Rudolf Jahn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausstellung eines Dienstzeugnisses, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. November 1987, GZ 31 Ra 108/87-79, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 15. April 1987, GZ 5 Cga 5001/86-64, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen

Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Beklagte stellte dem Kläger am 18. April 1975 folgendes Zeugnis aus:

"ZEUGNIS

Ich bestätige hiermit, daß Herr Hermann M***, geboren am 16. Juli 1935, wohnhaft Wien 1090, Porzellangasse 43, in der Zeit vom 24. November 1969 bis 30. April 1972 und vom 2. Juni 1972 bis 26. Februar 1975 in meiner Kanzlei als technischer Sachbearbeiter beschäftigt war."

Mit der am 2. Mai 1975 erhobenen Klage begehrte der Kläger vom Beklagten unter anderem die Ausstellung eines Dienstzeugnisses mit folgendem Inhalt:

"D***

Hermann M***, geboren am 16. 7. 1935, wohnhaft in Wien 1090, Porzellangasse 43, war in der Zeit vom 24. 11. 69 bis 30. 4. 72 und vom 2. 6. 72 bis 26. 2. 75 in der Kanzlei vom Patentanwalt Dr. Erhard B***, Wien 1070, Siebensterngasse 39 beschäftigt. Er hat in der Zeit über 1350 Bearbeitungen durchgeführt, und zwar vorwiegend Bescheidserledigungen, 108 Übersetzungen englischer und französischer Patentanmeldungen, 45 Anmeldungsausarbeitungen, 15 Einsprüche gegen Patentanmeldungen, 18 Einspruchserwiderungen und 2 Beschwerdeeinreden. Daneben führte M*** die erforderlichen Besprechungen mit Klienten und Prüfern durch, erledigte zahlreiche Patentrecherchen und fertigte Patentzeichnungen an. M*** legte weiters ein Sachregister über die nach dem Kriege im Patentblatt abgedruckten patentrechtlichen Entscheidungen an.

Sein Arbeitsgebiet reichte vom Maschinen- und Apparatebau bis zur Elektronik und Metallurgie. Seine besondere Aufgabe war bereits von Anfang an die Umarbeitung erfolglos oder unsachgemäß vorbereiteter Kanzleiakten, wobei er auch gegenüber ausländischen Patentanwälten seine ungewöhnliche Auffassung durchsetzte, nötigenfalls mit mathematischen Argumenten. M*** hatte bei seiner Arbeit völlig freie Hand und überprüfte auch die Reinschriften seiner Erledigungen selbst. Von ihm übersetzte oder neu ausgearbeitete Patentanmeldungen führten bei gegebener Neuheit ohne weitere Bearbeitung unmittelbar zur Bekanntmachung. Als ihm einmal ein harmloser Fehler unterlief, kamen alle Sachbearbeiter zusammen; als seine Arbeit einmal dem Mandanten mißfiel, wurde dessen Vertretung niedergelegt; als M*** sich einen Polsterstuhl wünschte, wurde dieser ordnungshalber sofort angeschafft.

Wien, am: Der Patentanwalt:"

Aus Anlaß der Entmündigung des Klägers sprach das Arbeitsgericht Wien mit Beschluß vom 29. November 1976 aus, daß das Verfahren unterbrochen sei. Mit Beschluß vom 6. Juni 1983 wurde die Entmündigung aufgehoben.

Mittlerweile stellte der Beklagte dem Kläger am 17. Mai 1979 ein Dienstzeugnis mit folgendem Inhalt aus:

"ZEUGNIS

Ich bestätige hiemit, daß Herr Hermann M***, geboren am 16. Juli 1935, wohnhaft 1090 Wien Porzellangasse 43, in der Zeit vom 24. November 1969 bis 30. April 1972 und vom 2. Juni 1972 bis 26. Februar 1975 in meiner Kanzlei als technischer Sachbearbeiter beschäftigt war.

Er war während dieser Zeit mit der Übersetzung von Anmeldungsunterlagen aus der englischen und französischen Sprache sowie mit der Erledigung von Bescheiden und mit der Ausarbeitung von Neuanmeldungen beschäftigt und hat seine Arbeiten zu meiner vollen Zufriedenheit erledigt.

Herr M*** verfügt neben guten Englisch- und Französischkenntnissen über ein gutes Verständnis für die technische Materie, das ihm bei seiner Arbeit zustatten kam.

Ich wünsche Herrn M*** das Beste für seinen weiteren Lebensweg."

Mit Schriftsatz vom 17. März 1986, ON 49, beantragte der Kläger die Fortsetzung des Verfahrens bezüglich des Dienstzeugnisses und formulierte das Klagebegehren wie folgt:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei ein Dienstzeugnis über eine rechtliche Dienstdauer von 24. 11. 69 bis 30. 5. 75 und folgende Diensttätigkeiten auszustellen:

Bescheidserledigungen, Übersetzungen englischer und französischer Patentanmeldungen, Anmeldungsausarbeitungen, Einsprüche gegen Patentanmeldungen, Einspruchserwiderungen, Beschwerdeeinreden, diesbezügliche Korrespondenz und Prüferbesprechungen sowie Patentrecherchen."

Das Arbeitsgericht Wien wies diesen Fortsetzungsantrag zurück. Mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 27. Februar 1987, ON 61, wurde über Rekurs des Klägers dieser Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht (nunmehr Arbeits- und Sozialgericht Wien) die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.

In der Tagsatzung vom 15. April 1987, in der der Kläger unvertreten war, führte die Beklagtenvertreterin unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Fortsetzungsantrag ("Beklagtenvertreter bringt nunmehr zu dem Inhalt der Fortsetzung vor:") aus, daß am 17. Mai 1979 eine Ergänzung zum früheren Dienstzeugnis ausgestellt worden sei. Darüber hinaus sei der Anspruch wegen nicht gehöriger Fortsetzung verjährt. Der Kläger brachte vor, er brauche ein vollständiges Zeugnis, das Zeugnis vom 17. Mai 1979 werte er als Teilanerkenntnis. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Anspruch auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses wegen nicht gehöriger Fortsetzung der Klage verjährt sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil, wobei es aussprach, daß der Wert des Streitgegenstandes 30.000 S nicht übersteige und die Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Anspruch des Klägers zwar nicht verjährt, aber das Klagebegehren dennoch unberechtigt sei. Das vom Beklagten am 17. Mai 1979 ausgestellte Dienstzeugnis decke sich hinsichtlich der Dienstzeit mit dem ursprünglichen Begehren und entspreche auch den Anforderungen des § 39 AngG. Wenn es dem Kläger dennoch nicht gelungen sei, eine Arbeit zu finden, sei dies nicht auf das Dienstzeugnis zurückzuführen. Auf die im Fortsetzungsantrag vom 17. März 1986 vorgenommene Klageausdehnung hinsichtlich der Dauer des Dienstverhältnisses sei nicht Bedacht zu nehmen, weil der Kläger in der Tagsatzung vom 15. April 1987 hiezu nichts vorgebracht und den Schriftsatz nicht vorgetragen habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Mit Beschluß vom 25. Jänner 1989 hat der Oberste Gerichtshof dem Beklagten freigestellt, eine Revisionsbeantwortung zu erstatten; von dieser Möglichkeit hat der Beklagte nicht Gebrauch gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig.

Erheblich im Sinne des 46 Abs 2 Z 1 ASGG kann auch eine vom Berufungsgericht gelöste Frage des Verfahrensrechtes sein. Zur Frage, welche Bedeutung angesichts der im § 39 Abs 2 Z 1 ASGG verankerten besonderen Pflicht, eine nicht qualifiziert vertretene Partei auch zur Vornahme der sich anbietenden Prozeßhandlungen anzuleiten, dem Umstand zukommt, daß ein wesentliches Vorbringen enthaltender Schriftsatz der unvertretenen Partei nicht vorgetragen wurde, hat der Oberste Gerichtshof bisher noch nicht Stellung genommen.

Die Revision ist auch berechtigt.

In der Tagsatzung vom 15. April 1987, in der der Kläger unvertreten war, wurde über den Fortsetzungsantrag des Klägers verhandelt. Dieser Antrag wurde damit ungeachtet des Umstandes, daß das Erstgericht unter Verletzung seiner im § 39 Abs 2 Z 1 ASGG normierten besonderen Anleitungspflicht den Kläger nicht zu einem mündlichen Vortrag dieses Schriftsatzes anleitete, Gegenstand der mündlichen Erörterung. Der Formalstandpunkt des Berufungsgerichtes, der Fortsetzungsantrag sei mangels mündlichen Vortrages gemäß § 177 ZPO nicht Verfahrensgegenstand geworden, wird daher vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt.

Zu Recht wendet sich der Kläger auch gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, seinem Begehren sei mit dem Zeugnis vom 17. Mai 1979 ohnehin entsprochen worden. In diesem Zeugnis wird der Tätigkeitsbereich des Klägers als technischer Sachbearbeiter nicht etwa durch nur beispielsweise Nennung von Tätigkeiten, sondern im Wege einer taxativen Aufzählung beschrieben. Diese Beschreibung entspricht weder dem ursprünglichen Klagebegehren, AS 3, noch dem Begehren laut Fortsetzungsantrag ON 49; bei Anführung des Tätigkeitsbereiches des Klägers sind im Zeugnis insbesondere nicht die vom Kläger sowohl in der Klage als auch im Fortsetzungsantrag genannten Einsprüche gegen Patentanmeldungen, Anspruchserwiderungen, Beschwerdeeinreden, Prüferbesprechungen und Recherchen angeführt. Da bisher nicht erörtert wurde, ob die vom Kläger während seines Arbeitsverhältnisses tatsächlich durchgeführten Tätigkeiten mit der im Zeugnis vom 17. Mai 1979 getroffenen erschöpfenden Aufzählung ausreichend beschrieben wurden oder ob der Kläger darüber hinaus die im Fortsetzungsantrag ON 49 genannten weiteren Tätigkeiten verrichtet hat, ist das Verfahren ergänzungsbedürftig. Allerdings wäre in jedem Fall nur der tatsächliche und nicht - wie vom Kläger angestrebt - ein fiktiver Verwendungszeitraum zu bestätigen. Endete daher das Arbeitsverhältnis des Klägers am 30. April 1972 durch Kündigung und wurde er sodann vom Beklagten mit 2. Juni 1972 wieder angestrebt, ist das erstmals im Fortsetzungsantrag ON 49 gestellte Begehren, auch den Zeitraum vom 30. April 1972 bis 2. Juni 1972 als Beschäftigungszeit zu bestätigen, unberechtigt; endete das Arbeitsverhältnis am 26. Februar 1975 durch Entlassung, dann wäre auch für den Fall, daß sie nicht gerechtfertigt gewesen sein sollte, dieser Zeitpunkt als Ende des Beschäftigungsverhältnisses im Dienstzeugnis anzugeben (vgl. Martinek-Schwarz AngG6 713 f, wonach Zeiten, für die dem Arbeitnehmer Anspruch auf Kündigungsentschädigung zustand, nicht aufzunehmen sind). Da beide Vorinstanzen, ausgehend jeweils von einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht - was die vom Erstgericht unrichtig gelöste Frage der Verjährung betrifft, ist gemäß § 48 ASGG auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen - die Frage, welche der im Fortsetzungsantrag, nicht aber im Dienstzeugnis vom 17. Mai 1979 angeführten Tätigkeiten der Kläger in den Diensten des Beklagten tatsächlich verrichtet hat, weder erörtert noch dazu Feststellungen getroffen haben, ist eine Erörterung dieser Frage in erster Instanz erforderlich. Der Revision war daher Folge zu geben und die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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