OGH 10ObS119/89

OGH10ObS119/8918.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Kellner als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Manfred Dafert (AG) und Alfred Klair (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Juliana P***, 8402 Klein-Weitendorf 129, vertreten durch Dr.Friedrich Kern, Rechtsanwalt in Wildon, wider die beklagte Partei P*** DER A***, 1092 Wien, Roßauer

Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12.Jänner 1989, GZ 7 Rs 190/88-51, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 1.Juli 1988, GZ 36 Cgs 77/88-46, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das Begehren der am 27.Juli 1941 geborenen Klägerin auf Zuerkennung einer Invaliditätspension ab 1.Februar 1986 ab. Es stellte im wesentlichen fest, daß die Klägerin keinen Beruf erlernt hat und in verschiedenen Hilfsarbeitertätigkeiten, sowie zuletzt von 1979 bis Ende 1985 als Raumpflegerin tätig war und seit Jänner 1986 arbeitslos ist. Die Klägerin kann noch leichte Arbeiten wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen vorwiegend in geschlossenen Räumen verrichten. Die Arbeiten müssen in wechselndem Rhytmus nach jeweils eineinhalb bis zwei Stunden zwischen Stehen, Gehen und Sitzen möglich sein, wobei beim Wechsel vom Sitzen zum Gehen oder vom Sitzen zum Stehen keine besonderen Pausen eingehalten werden müssen. Voraussetzung für dieses Leistungskalkül ist, daß die Klägerin tagsüber einen Kompressionsverband tragen kann. Dieser kann in Form eines Fischerverbandes, Gummistrumpfes, Stützstrumpfes oder einer elastischen Binde angelegt werden. Bei Überempfindlichkeit gegen Gummibestandteile ist der Klägerin das Tragen einer Stützstrumpfhose aus Baumwolle zumutbar. Bei dem Leiden der Klägerin (chronisch venöse Insuffizienz, anlagebedingte Varikositäten, chronisch rezidivierende Phlebitis, Stauungsdermatose) ist eine Ruhigstellung absolut kontraindiziert. Ein Krankenstand bringt keine Besserung der Situation mit sich und ist auch nicht erforderlich. Die bisherigen Krankenstände haben keinen Einfluß auf die Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit der Klägerin. Arbeiten in Kälte und Nässe scheiden ebenso aus wie solche, die mit ständigem Stiegensteigen verbunden sind oder Arbeiten an laufenden Maschinen, in fixierter Körperhandlung und im Verband.

Der Klägerin ist die zuletzt ausgeübte Tätigkeit einer Raumpflegerin nicht mehr möglich, sie kann jedoch die (im einzelnen beschriebene) Tätigkeit einer Garderobefrau oder auch einer Billeteurin noch verrichten.

Da die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch verweisbar sei, liege Invalidität nach § 255 Abs. 3 ASVG nicht vor. Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin keine Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und billigte die Feststellungen des Erstgerichtes ebenso wie dessen rechtliche Beurteilung.

Rechtliche Beurteilung

Der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision der Klägerin kommt keine Berechtigung zu.

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens werden nur schon in der Berufung geltend gemachte Mängel des Verfahrens erster Instanz gerügt, deren Vorliegen schon das Berufungsgericht verneint hat. Solche angebliche Mängel können mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden (SSV-NF 1/32). Die Frage, ob ein eingeholtes Sachverständigengutachten die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen rechtfertigt, gehört ebenso wie jene, ob ein Sachverständigengutachten erschöpfend ist, in das Gebiet der Beweiswürdigung. Wenn daher die Vorinstanzen den Ausführungen des dermatologischen Gutachtens, das weder gegen zwingende Denkgesetze noch gegen jene des sprachlichen Ausdruckes verstößt gefolgt sind, kann dies in der Revision ebensowenig bekämpft werden, wie das den Feststellungen zugrundegelegte berufskundliche Gutachten. Die Ausführungen, das dermatologische Gutachten sei ebenso unrichtig wie jenes des berufskundlichen Gutachters, weil die Tätigkeit einer Garderobefrau nicht dem Leistungskalkül der Klägerin entspreche, sind daher nicht der Rechtsrüge zuzuordnen, sondern stellen eine Bekämpfung der irrevisiblen Beweiswürdigung dar. Da jedenfalls feststeht, daß die Klägerin die Tätigkeit einer Garderobefrau noch ausüben kann, waren detaillierte Feststellungen auch über die Anforderungen, die an eine Billeteurin gestellt werden, ganz abgesehen davon, daß diese allgemein bekannt sind und daher ein berufskundliches Gutachten hierüber entbehrlich erscheint, nicht mehr erforderlich. Es trifft zwar zu, daß vorhersehbare häufige und lang andauernde Krankenstände einen Ausschluß vom allgemeinen Arbeitsmarkt bedeuten können, die Revisionswerberin übersieht jedoch, daß nach den Feststellungen nicht nur eine Ruhigstellung mit Bettruhe kontraindiziert ist, sondern ein Krankenstand ganz allgemein keine Verbesserung der Situation mit sich bringt und auch nicht erforderlich ist.

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt aber ist die Klägerin nicht als invalide im Sinne des § 255 Abs. 3 ASVG anzusehen, weil sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch mit ihrem eingeschränkten Leistungskalkül noch verweisbar ist.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.

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