OGH 5Ob557/88 (5Ob558/88)

OGH5Ob557/88 (5Ob558/88)18.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei Leopold P***, Angestellter,

Kremesberg 15, 2563 Pottenstein, vertreten durch Dr. Gernot Hain, Dr. Joachim Wagner und Dr. Martin Schober, Rechtsanwälte in Wr. Neustadt, wider die beklagte und widerklagende Partei Komm.Rat Anton F***, Kaufmann, Kroißberggasse 22, 1230 Wien, vertreten durch Dr. Christa Heller, Dr. Wolfgang Pitzal und Dr. Hannelore Pitzal, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung der Auflösung eines Pachtverhältnisses (C 109/86 ) und Räumung sowie Bezahlung von 2.353,90 S s.A. (C 113/86 ) infolge Rekurses der beklagten und widerklagenden Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wr. Neustadt als Berufungsgerichtes vom 2. März 1988, GZ R 495/87-23, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Pottenstein vom 28. August 1987, GZ C 109/86 -16, infolge Berufung beider Teile ua hinsichtlich der Feststellungsklage (C 109/86 - nunmehr 2 C 21/88) unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rekursbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Mit Pachtvertrag vom 25. Juni 1981 pachtete der Kläger ab dem 1. Juli 1981 vom Beklagten dessen Liegenschaft EZ 179 KG Pottenstein mit dem Haus K-Nr. 179 und Garten- sowie Waldgrundstücken mit allen darauf befindlichen Gebäuden und dem Inventar zu Wohnzwecken sowie zur Errichtung eines Pferdegestütes auf unbestimmte Zeit unkündbar bis 30. Juni 1996 um den wertgesicherten Pachtzins von monatlich 15.000 S zuzüglich Umsatzsteuer. Nach diesem Pachtvertrag sollte der Verpächter die sofortige Auflösung des Pachtverhältnisses begehren können, wenn der Pächter mit drei aufeinander folgenden Pachtzinsraten ganz oder teilweise im Rückstand ist oder das Pachtobjekt gröblich beschädigt, sich beharrlich weigert, die ihm auf Grund des Vertrages obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen oder vom Vertragsobjekt vertragswidrigen Gebrauch macht und erfolglos mit eingeschriebenem Brief unter Setzung einer Nachfrist von 14 Tagen zur Erfüllung seiner Vertragspflichten aufgefordert wurde. Der Pächter hingegen sollte zur sofortigen Auflösung des Pachtverhältnisses berechtigt sein, wenn der Verpächter die ihm obliegenden Verpflichtungen nicht erfüllt oder das Pachtobjekt durch höhere Gewalt zum bedungenen Gebrauch nicht genutzt werden kann. Der Verpächter stimmte zu, daß der Pächter an baulichen Veränderungen den Umbau des Stalles für die Pferdehaltung, die Errichtung von Koppelzäunen, einer Scheune und eines Reitviereckes beabsichtigt, und übernahm es, dem Pächter die getätigten Investitionen mit dem Anschaffungswert abzüglich eines Fünfzehntels je begonnenem Pachtjahr zu ersetzen, wenn der Pächter berechtigt das Vertragsverhältnis auflöst. Die Ablöse getätigter Investitionen sollte jedoch entfallen, wenn der Verpächter berechtigterweise das Pachtverhältnis zur Auflösung gebracht hat. Der Verpächter übernahm unter anderem die Verpflichtung, für die klaglose Strom- und Wasserversorgung in den bei Pachtbeginn bereits installierten Räumlichkeiten bzw. an den bereits installierten Orten "im für die im Umfang des Pachtverhältnisses ausgeübte Nutzung des Pachtobjektes notwendigem Umfang" Sorge zu tragen. Die Kosten des Strom- und Wasserbezuges sollte der Pächter tragen.

Mit der am 11. November 1986 erhobenen Klage (C 109/86 , nunmehr 2 C 21/88) begehrte Leopold P*** die Feststellung, daß das auf dem Pachtvertrag vom 25. Juni 1981 beruhende Pachtverhältnis zwischen ihm und dem Beklagten aufgelöst sei und die von ihm vorgenommene vorzeitige Auflösung des Pachtverhältnisses aus wichtigem Grund berechtigterweise erklärt worden sei. Er habe das Pachtverhältnis mit Schreiben vom 31. Oktober 1986 aus wichtigem Grunde mit sofortiger Wirkung aufgelöst, weil der Beklagte die ihm nach dem Vertrag obliegende Verpflichtung nicht erfüllt habe, für die klaglose Strom- und Wasserversorgung in den bei Pachtbeginn bereits installierten Räumlichkeiten bzw. an den bereits installierten Orten im für die im Umfang des Pachtverhältnisses ausgeübte Nutzung des Pachtobjektes notwendigen Umfang Sorge zu tragen. Wegen dieses Verhaltens des Beklagten und der Folgen für den Anspruch auf Ersatz der Investitionskosten habe der Kläger ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung, daß seine Auflösungserklärung berechtigt erfolgt sei und zur Auflösung des Pachtverhältnisses geführt habe.

Nach Zustellung dieser Klage an den Beklagten erhob dieser am 17. November 1986 Widerklage, in der er vom Kläger und Widerbeklagten (in der Folge Kläger genannt) 1.) die Räumung der verpachtet gewesenen Liegenschaft und 2.) die Zahlung von Wasserkosten in der Höhe von 2.353,09 S s.A. begehrte. Die ihm vom Kläger am 31. Oktober 1986 erklärte Auflösung des Pachtverhältnisses aus wichtigen Gründen sei unwirksam, weil der behauptete Auflösungsgrund nicht gegeben sei. Er, Beklagter und Widerkläger (in der Folge Beklagter genannt), begehre jedoch wegen vertragswidrigen Gebrauches und gröblicher Beschädigung des Bestandgegenstandes sowie der Weigerung des Klägers, den vertragswidrigen Gebrauch zu unterlassen, die Auflösung des Pachtverhältnisses.

Beide Teile beantragten wechselseitig die Abweisung des Klagebegehrens des Gegners, weil die geltend gemachten Auflösungsgründe nicht gegeben seien. Das Zahlungsbegehren des Beklagten bestehe nicht zu Recht, weil es überhöht und durch Aufrechnung mit Ersatzforderungen des Klägers in der Höhe von 14.825,76 S abzudecken sei.

Das Erstgericht stellte nach der mit Beschluß vom 13. Jänner 1987 (ON 4 dA) erfolgten Verbindung der beiden Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung fest, daß das Pachtverhältnis infolge der vom Kläger berechtigterweise aus wichtigem Grund erklärten Auflösung vor Ablauf der Bestandzeit aufgelöst sei (Punkt 1. des Spruches); es erkannte den Kläger schuldig, den Pachtgegenstand von seinen Fahrnissen geräumt dem Beklagten zu übergeben (ohne Festsetzung einer Leistungsfrist) (Punkt 2. des Spruches); weiters sprach es aus, daß die Forderung des Beklagten von 2.353,09 S zu Recht bestehe, die aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderungen des Klägers bis zur Höhe dieses Betrages ebenfalls zu Recht bestünden und das Zahlungsbegehren daher abgewiesen werde (Punkt 3. des Spruches).

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß der Beklagte für eine klaglose Wasserversorgung nicht gesorgt habe und daher seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht zur Gänze nachgekommen sei. Das Feststellungsinteresse sei wegen der Frage des Fortbestandes des Rechtsverhältnisses und der damit im Zusammenhang stehenden Investitionsablöse zu bejahen. Das Obsiegen des Klägers mit seinem Feststellungsbegehren führe zwingend dazu, daß das Räumungsbegehren des Beklagten berechtigt sei, weil dem Kläger jeder Titel zur Fortbenützung des Bestandobjektes fehle. Er habe dieses daher unabhängig von dem im vorliegenden Fall allerdings zu verneinenden Recht des Beklagten auf vorzeitige Aufhebung des Vertrages, weil das durch die Auflösungserklärung des Klägers beendete Vertragsverhältnis nicht ein zweites Mal aufgelöst werden könne, zu räumen.

Hinsichtlich des Zahlungsbegehrens führte das Erstgericht aus, daß das im Pachtvertrag vereinbarte Kompensationsverbot nicht zum Tragen komme, weil dieses nur den Pachtschilling betreffe. Eine vorprozessuale Aufrechnung nach § 1438 ABGB sei mangels Liquidität nicht zustande gekommen. Da die Einwendung aber als prozessuale Aufrechnungseinrede zu verstehen sei und für diese die Liquidität keine materiellrechtliche Aufrechnungsvoraussetzung sei, sei im Hinblick auf die die zu Recht bestehende Klagsforderung übersteigende Gegenforderung spruchgemäß zu entscheiden gewesen. Das Gericht zweiter Instanz verwarf die Berufung der klagenden Partei, soweit sie Nichtigkeit geltend machte, gab im übrigen den Berufungen beider Parteien Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück, wobei es aussprach, daß das durch den Kläger eingeleitete Verfahren erst nach eingetretener Rechtskraft der Berufungsentscheidung fortzusetzen sei und der Wert des Streitgegenstandes in diesem Verfahren 15.000 S, aber nicht 300.000 S übersteigt.

Zu der das vom Rechtskraftvorbehalt allein erfaßte Urteil über die Klage betreffenden Frage des Feststellungsinteresses führte das Berufungsgericht im wesentlichen folgendes aus:

Der Beklagte habe den vom Kläger herangezogenen Grund zur vorzeitigen Auflösung des Bestandverhältnisses bestritten, gehe daher von einem aufrechten Pachtverhältnis aus und übe - wie etwa seine auf § 1118 ABGB gestützte Räumungsklage zeige - seine Rechte als Verpächter aus. Im Falle einer Rechtsberühmung sei aber eine negative Feststellungsklage immer dann zulässig, wenn - wie im vorliegenden Fall - Zweifel am Bestehen des behaupteten Rechtes vorlägen. Ihr Zweck sei darin gelegen, einen für beide Teile nachteiligen Schwebezustand zu beenden, die allfällige Rechtsanmaßung als Ursache der Rechtsunsicherheit abzuwehren und den Gegner zu zwingen, dieses Recht zu beweisen oder aufzugeben (SZ 26/116; MietSlg. 26.497 ua). Das Feststellungsinteresse sei daher zu bejahen, weil durch die Klarstellung der Dauer des Bestandverhältnisses künftige Rechtsstreitigkeiten darüber verhindert werden könnten.

Die Aufhebung des über die in den verbundenen Rechtssachen gestellten Klagebegehren ergangenen Urteils durch das Berufungsgericht erfolgte wegen nicht hinlänglicher Klärung der Sachlage durch das Erstgericht.

Den lediglich das Verfahren über die Klage betreffenden Ausspruch über den Rechtskraftvorbehalt begründete das Berufungsgericht damit, daß eine eindeutige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob und gegebenenfalls aus welchen Gründen der Mieter nach Auflösung des Bestandvertrages zur Erhebung einer negativen Feststellungsklage berechtigt sei, und dieser Frage auch für die Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 ZPO zukomme; gemäß § 519 Abs 2 ZPO sei der Rechtskraftvorbehalt daher auszusprechen gewesen, weil darüber hinaus nicht schon nach § 528 Abs 1 ZPO der Rekurs unstatthaft sei. Gegen diesen Aufhebungsbeschluß des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der als Revisionsrekurs bezeichnete Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles in seinem Punkte 2. und die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des Feststellungsbegehrens (Punkt 1. des Urteiles des Erstgerichtes) abzuändern; hilfsweise wird die "Rückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz" beantragt.

Der Kläger beantragte in seiner Rechtsmittelgegenschrift, dem "Revisionsrekurs" keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist unzulässig.

Ein Rechtskraftvorbehalt nach § 519 Abs 1 Z 3 ZPO darf gemäß § 519 Abs 2 ZPO nur dann ausgesprochen werden, wenn der Rekurs nicht schon gemäß § 528 Abs 1 ZPO unzulässig ist, aber die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 ZPO vorliegen. Da hier der Streitwert der Berufungsentscheidung 300.000 S nicht übersteigt, wäre der Rechtskraftvorbehalt nur bei Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig. Ein ohne die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 ZPO und des § 519 Abs 2 ZPO ausgesprochener Rechtskraftvorbehalt bindet den Obersten Gerichtshof nur bezüglich der Höhe einer zulässigen Wertfeststellung des Berufungsgerichtes; im übrigen kann der Oberste Gerichtshof den Rekurs trotz Rechtskraftvorbehalts wegen des Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen für diesen zurückweisen (§ 528 Abs 2 ZPO) (Fasching, Lehrbuch, Rz 1982).

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß das rechtliche Interesse an der Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtes immer dann gegeben ist, wenn der Beklagte ein solches Recht oder Rechtsverhältnis ernstlich behauptet (vgl. MietSlg. 29.618, 37.746 ua) oder für sich in Anspruch nimmt (sogenannte "Berühmung"; MietSlg. 36.764), dadurch die Rechtsstellung des Klägers gefährdet wird und die begehrte Feststellung das zur Beseitigung dieser Gefährdung geeignete Mittel darstellt. Die negative Feststellungsklage hat den Zweck, einen für beide Teile nachteiligen Schwebezustand zu beenden, die Anmaßung als Ursache der Rechtsunsicherheit abzuwehren und den Gegner zu zwingen, das angemaßte Recht zu beweisen oder aufzugeben (vgl. MietSlg. 36.764 samt Hinweis auf Lehre und weitere Rechtsprechung;

38.768 ua). Die Möglichkeit einer Leistungsklage schließt eine Feststellungsklage nur dann aus, wenn das mögliche Leistungsbegehren all das bietet, was mit dem Feststellungsbegehren angestrebt wird (vgl. Fasching III 69; Fasching, Lehrbuch, Rz 1101; MietSlg. 38.768 ua). Daß eine Feststellungsklage unter diesen Voraussetzungen auch in Fällen zulässig ist, in welchen Bestandverhältnisse durch eine einseitige empfangsbedürftige Erklärung aufgehoben wurden, wurde vom Obersten Gerichtshof bereits in Ansehung der Aufhebung des Bestandvertrages nach § 1112 ABGB (MietSlg. 34.242, 34.730/31) und § 1118 ABGB (MietSlg. 7928/52 und 34.256, 34.730/31) ausgesprochen. Da in den Wirkungen der vorzeitigen Auflösung von Dauerschuldverhältnissen durch den Bestandgeber nach § 1118 ABGB und durch den Bestandnehmer nach § 1117 ABGB rechtlich kein Unterschied besteht (vgl. Würth in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 1117 und Rz 6 zu § 1118 sowie Binder in Schwimann, ABGB, IV/2 Rz 11 zu § 1117 und Rz 44 zu § 1118 je samt Rechtsprechungshinweis), kann nicht gesagt werden, daß die Entscheidung des Berufungsgerichtes von der Lösung einer Rechtsfrage des Verfahrensrechtes abhängig wäre, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung deshalb zukäme, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen wäre oder eine solche Rechtsprechung fehlte oder uneinheitlich sei. Das Berufungsgericht hätte daher den Rechtskraftvorbehalt nicht aussprechen dürfen (§ 519 Abs 2 ZPO).

Der Rekurs erweist sich somit wegen Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen für den Rechtskraftvorbehalt als unzulässig, weshalb er zurückgewiesen werden mußte.

Insoweit sich der Rekurswerber in seinem Rechtsmittel durch die Aufhebung der Entscheidung des Erstgerichtes über das Räumungsbegehren beschwert erachtet, übersieht er, daß es sich dabei um eines der von ihm in der Widerklage gestellten Begehren handelt, also um die Entscheidung in einem Verfahren, auf das sich der Rechtskraftvorbehalt überhaupt nicht bezog. Mangels Ausspruches eines Rechtskraftvorbehaltes für das Verfahren über die Widerklage erweist sich der Rekurs auch insoweit als unzulässig. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO, zumal der Kläger zumindest zum Teil auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat.

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