OGH 14Os24/89

OGH14Os24/8912.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.April 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lässig als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter Helmut K*** und andere (hier: Gerfried L***) wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 15 StGB (aF) sowie anderer strafbarer Handlungen, AZ 6 Vr 111/86 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 5.November 1986, AZ 11 Bs 147/86 (= ON 86 des Strafaktes), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten Gerfried L*** und eines Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 5.November 1986, AZ 11 Bs 147/86 (= GZ 6 Vr 111/86-86 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis) verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 21 Abs. 1 SGG. Dieser Beschluß wird aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 5.Juni 1986, GZ 6 Vr 111/86-57, wurde Gerfried L*** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 15 StGB (aF), des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG schuldig erkannt und zu 18 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Seiner dagegen ergriffenen Berufung gab das Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom 28.Juli 1986, AZ 11 Bs 147/86 (= ON 71 des Strafaktes), Folge, setzte die Freiheitsstrafe auf ein Jahr herab und sah sie gemäß § 43 Abs. 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nach. Unter einem bestellte es mit gesondertem Beschluß dem Angeklagten einen Bewährungshelfer und erteilte ihm die Weisung, sich einer Entwöhnungsbehandlung zu unterziehen (§§ 50, 51 Abs. 1 und Abs. 3 StGB). Eine Entscheidung über die Übernahme deren Kosten durch den Bund gemäß § 21 Abs. 1 SGG traf es vorerst nicht. Nachdem Gerfried L*** eine Entwöhnungsbehandlung in der Therapiestation Erlenhof des Vereines "P*** M*** I***" in Enns - einer vom Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz auf Grund der Ermächtigung des § 22 Abs. 1 SGG durch § 2 Z 4 der Verordnung vom 14.September 1981, BGBl 1981/435, anerkannten Einrichtung zur Beratung und Betreuung von Personen im Hinblick auf Suchtgiftmißbrauch (s. Kodek Suchtgiftgesetz S 164) - in Aussicht genommen und die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn das Gericht um Entscheidung über die Übernahme der Kosten ersucht hatte (ON 81 des Strafaktes), stellte das Oberlandesgericht Linz als jenes Gericht, das die erwähnte Weisung erteilt hatte (§ 21 Abs. 2 SGG), mit Beschluß vom 5.November 1986, AZ 11 Bs 147/86 (= ON 86 des Strafaktes), nachträglich fest, daß die aus einer Unterbringung des Gerfried L*** in der genannten Drogentherapiestation entstehenden Kosten vom Bund gemäß § 21 Abs. 1 SGG nicht übernommen würden. Zur Begründung berief es sich auf eine Mitteilung der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA), Landesgeschäftsstelle Oberösterreich, wonach derzeit keine Möglichkeit bestünde, die Kosten für eine Unterbringung in der Langzeittherapiestation Erlenhof zu übernehmen, weil die dort durchgeführte Therapie nicht unter den Begriff der "Krankenbehandlung" im Sinn des § 52 Z 2 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (B-KUVG) subsumiert werden könnte. Nach Auffassung des Oberlandesgerichtes Linz lägen aber damit "mangels einer Deckung der Unterbringungskosten durch die BVA bei einem dort Versicherten die Voraussetzungen für eine Kostendeckung des Bundes nach § 21 Abs. 1 SGG im gegebenen Fall nicht vor".

Rechtliche Beurteilung

Dieser Beschluß steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Gemäß § 21 Abs. 1 SGG hat der Bund die Kosten der ärztlichen Behandlung und Überwachung nach §§ 17 bis 19 SGG sowie die Kosten der Behandlung eines Rechtsbrechers, dem im Zusammenhang mit einer Verurteilung nach diesem Bundesgesetz die Weisung erteilt worden ist, sich einer notwendigen ärztlichen Behandlung, insbesondere einer Entwöhnungsbehandlung, zu unterziehen (§ 51 Abs. 3 StGB), zu übernehmen, wenn der Rechtsbrecher nicht Anspruch auf entsprechende Leistungen auf Grund von Gesetzen der Länder oder aus einer gesetzlichen Sozialversicherung hat und durch die Verpflichtung zur Zahlung der Kosten sein Fortkommen erschwert würde. Der Bund trägt die Kosten jedoch nur bis zu dem Ausmaß, in dem die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter für die Kosten aufkäme, wenn der Rechtsbrecher in der Krankenversicherung öffentlich Bediensteter versichert wäre.

Darnach ergibt sich die (subsidiäre) Verpflichtung des Bundes zur Übernahme der Kosten notwendiger ärztlicher (ambulanter oder stationärer) Entwöhnungsbehandlung eines Rechtsbrechers, dem im Zusammenhang mit einer Verurteilung nach dem Suchtgiftgesetz eine derartige Weisung erteilt worden ist, - unter der erwähnten Voraussetzung des Fehlens anderweitiger Kostendeckung - dem Grunde nach unmittelbar und abschließend aus § 21 Abs. 1 erster Satz SGG, wobei das Gesetz nach seinem insoweit klaren Wortlaut ausschließlich auf die Notwendigkeit der im Einzelfall zu ergreifenden Maßnahmen ärztlicher Behandlung nach deren Inhalt, Umfang und Dauer abstellt. Diese hat das Gericht bei Bestimmung der vom behandelnden Arzt oder der Entwöhnungseinrichtung angesprochener Kosten ohne Bindung an andere Vorschriften, insbesondere nicht an die Bestimmungen des B-KUVG zu überprüfen und im Zweifelsfalle mit Hilfe von Sachverständigen oder anderen geeigneten Beweismitteln festzustellen. In diesem grundsätzlichen Bereich der Kostenübernahme normiert das Gesetz sohin keine weitere Determination (vgl § 46 JGG 1988 und die Vorläuferbestimmung des § 45 JGG 1961 idF BGBl 1974/425, der § 21 SGG nachgebildet wurde; ähnlich § 179 a Abs. 2 StVG).

Lediglich zur Begrenzung des Ausmaßes der vom Bund zu ersetzenden Kosten verweist § 21 Abs. 1 zweiter Satz SGG auf jene Kosten, für die die BVA aufkäme, wenn der Rechtsbrecher in der Krankenversicherung öffentlich Bediensteter versichert wäre. Darunter ist freilich nur die ziffernmäßige Höhe der Gebührensätze der BVA für jene Leistungen der Krankenbehandlung oder Anstaltspflege aus dem Versicherungsfall der Krankheit (§ 52 Z 2 B-KUVG) zu verstehen, die der als notwendig erkannten Entwöhnungsbehandlung entsprechen oder zumindest vergleichbar sind. Nachdem - wie oben dargelegt - die Kostenersatzpflicht des Bundes dem Grunde nach ausschließlich nach den Kriterien des § 21 Abs. 1 erster Satz SGG festzustellen ist, bleibt für die vom Oberlandesgericht vorgenommene Auslegung dieser Gesetzesbestimmung dahin, daß die grundsätzliche Leistungspflicht des Bundes zusätzlich noch davon abhinge, ob auch die BVA im Fall eines Versicherungsverhältnisses ihrerseits nach Maßgabe der Bestimmungen des B-KUVG zur Kostentragung verpflichtet wäre, kein Raum. Sollte also ein Gericht im Sinne der mit Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 27.Juni 1985 (JABl 28, Punkt V) ausgesprochenen Empfehlung die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter um die Bekanntgabe der sich aus den Richtlinien der BVA (fiktiv) ergebenden Kostendeckung unter Hinweis auf § 21 SGG ersuchen, hat die BVA von den vom Gericht als notwendig erachteten Behandlungsleistungen als Faktum auszugehen und lediglich über die Höhe der in Betracht kommenden Kostenersätze zu informieren, ohne auf die Frage eingehen zu müssen, ob sie selbst auch zur Übernahme dieser Kosten dem Grunde nach verpflichtet wäre, wenn ein Versicherungsverhältnis des Rechtsbrechers zu ihr bestünde. Dem Umstand, daß die Landesgeschäftsstelle Oberösterreich der BVA im vorliegenden Fall eine Leistungsverpflichtung für die (stationäre) Entwöhnungsbehandlung des Gerfried L*** zufolge ihres Standpunktes, daß insoweit der Versicherungsfall der Krankheit nicht eingetreten sei, grundsätzlich abgelehnt hätte, kommt daher - unabhängig davon, ob diese Auffassung einer sozialversicherungsrechtlichen Überprüfung standhielte oder nicht - für die Frage der Übernahme der Kosten einer notwendigen Entwöhnungsbehandlung im Sinn des § 21 Abs. 1 SGG durch den Bund keine Bedeutung zu.

Der in Rede stehende Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 5. November 1986 verstößt sohin gegen das Gesetz in der Bestimmung des § 21 Abs. 1 SGG und wirkte sich infolge der Verweigerung einer Kostenübernahme durch den Bund zum Nachteil des Verurteilten aus, weil ihm dadurch eine Entwöhnungsbehandlung, wie sie der Gesetzgeber mittellosen, entwöhnungsbedürftigen und entwöhnungswilligen Rechtsbrechern angedeihen lassen wollte (und die ihm das Gericht selbst aufgetragen hatte), faktisch unmöglich gemacht worden ist (vgl S 291, 323, 343, 353, 359, 367 des Strafaktes). In Stattgebung der vom Generalprokurator erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher der gesetzwidrige Beschluß zu kassieren. Eine Verfahrenserneuerung war allerdings nicht anzuordnen, weil die dem Gerfried L*** gewährte bedingte Strafnachsicht mittlerweile widerrufen und die Strafe verbüßt worden ist, sodaß eine weisungsgemäße Entwöhnungsbehandlung nicht mehr in Betracht kommt (ON 119, 124, 128 des Strafaktes).

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