OGH 7Ob554/89

OGH7Ob554/896.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gebrüder H*** Gesellschaft mbH & Co KG, Großraming 170, vertreten durch Dr. Walter Lanner, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagten Parteien 1. A*** B*** mbH, Wals, Alte

Bundesstraße 10, und 2. G. H*** & Söhne, Baugesellschaft mbH, Salzburg Bergerbräuhofstraße 27, vertreten durch Dr. Peter Raits u. a., Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 435.010,50 s.A., infolge Rekurses sämtlicher Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 19. Dezember 1988, GZ 1 R 171/88-37, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 8. April 1988, 9 Cg 449/85-31, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Keinem der Rekurse wird Folge gegeben.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Beklagten haben sich zu der "Arbeitsgemeinschaft Windischgarsten" zwecks Errichtung der Pyhrn-Autobahn zusammengeschlossen und in dieser Eigenschaft der Klägerin, als Subunternehmerin, Bauarbeiten (Abtragungen und Schüttungen) übertragen. In ihrem Anbot hatte die Klägerin ursprünglich für den Abbau von leichtem bis schwerem Boden ein Entgelt von 20 S/m3 und für die Abtragung leichten und schweren Felsens 36 S/m3 verlangt. Nach Verhandlungen einigte man sich auf einen Mischpreis von 31,50 S/m3 für beide Positionen.

Mit der Behauptung, die Einigung auf einen Mischpreis sei nur durch einen von den Beklagten veranlaßten Irrtum der Klägerin zustande gekommen, es habe sich herausgestellt, daß in Wahrheit überhaupt kein leichtes bis schweres Material abzutragen gewesen sei, verlangt die Klägerin die Zahlung eines Differenzbetrages von 435.010,50 S s.A.

Die Beklagten wendeten ein, bei Abschluß der Vereinbarung sei beiden Teilen bekannt gewesen, daß die ursprünglich nur grob angenommenen Mengen der beiden Materialarten in der Praxis wesentlich voneinander differieren könnten. Dementsprechend sei vereinbart worden, daß auch wesentliche Abweichungen nicht zu einer Änderung der Vereinbarung führen.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen, wobei es von folgenden wesentlichen Feststellungen ausging:

Die im Anbot der Klägerin enthaltenen Massen an abzutragendem Material stammten aus Angaben der Beklagten. Diese hatte die Kubaturen aus den geologischen Längs- und Querprofilen der Pyhrn-Autobahn Aktiengesellschaft ermittelt. Daraus konnten anhand der Profile 1 Mio m3 Abtrag von leichten bis schweren Fels und 400.000 m3 offener Abtrag errechnet werden. Die Pyhrn-Autobahn AG hatte Suchschlitze angelegt, aufgrund derer die geologischen Längs- und Querprofile erstellt worden waren. Sie hatte jedoch nicht bekanntgegeben, wo diese Schlitze gegraben worden waren und zu welchem Ergebnis man dabei gekommen war. Die Beklagten haben keine Suchschlitze angelegt. Der Mischpreis war von den Beklagten vorgeschlagen worden, wobei diese den Vorschlag damit begründeten, daß es Schwierigkeiten bei der Feststellung bereiten könnte, was offener Abtrag und was leichter Fels sei. Die Ermittlung des Mischpreises erfolgte derart, daß jeweils die Anzahl der Kubikmeter des abzutragenden Materials und die Preise für die Gesamtkubikmeter zusammengerechnet wurden. Die Summe des Preises wurde durch die Summe der Kubikmeter dividiert. Daraus ergab sich der gerundete Mischpreis von 31,50 S/m3. Zu dieser Einigung kam es, weil nicht festgestellt werden konnte, wieviel Felsabtrag und wieviel offener Abtrag zu bewältigen war. Eine Garantieerklärung über die tatsächliche Abtragmenge wurde von den Beklagten nicht abgegeben. Aufgrund der mündlichen Vereinbarung verfaßten die Beklagten das Auftragschreiben vom 20. Juni 1983, in dessen Punkt 10 festgehalten wurde, daß Massenminderungen und Massenmehrungen zu keiner Änderung der Einheitspreise führen sollen. In den allgemeinen Bedingungen für Professionistenleistungen der VIBÖ, die Auftragsgrundlage waren, ist im Punkt 4 b zweiter Absatz enthalten, daß sich die im Leistungsverzeichnis angeführten Ausmaße und Mengen im Zuge der Ausführungen verändern oder bei einzelnen Positionen auch ganz entfallen können, ohne daß sich dadurch die Einheitspreise verändern oder der Auftragnehmer sonstige Nachforderungen stellen könne. Der Klägerin waren bei Abschluß des Vertrages die Örtlichkeit und das Gelände bekannt, weil sie bereits vor diesem Auftrag, zusammen mit einer anderen Firma, ein Anbot für Erdbewegungsarbeiten erstellt hatte.

Rechtliche Beurteilung

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, den Beklagten könne eine listige Irreführung nicht vorgeworfen werden. Da auch eine Garantie über bestimmte Abbaumengen nicht vorliege und die Vereinbarung eines Mischpreises z r Vermeidung späterer Differenzen erfolgt sei, könne die Klägerin nicht nachträglich einen höheren Preis verlangen.

Das Berufungsgericht hat die erstgerichtliche Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben. Ausgehend von den von ihm übernommenen erstrichterlichen Feststellungen verneinte es ebenfalls eine listige Irreführung der Klägerin durch die Beklagten. Die Klägerin hätte sich allerdings über die einzelnen Abbaumengen in einem Irrtum befunden, der durch die Beklagten veranlaßt worden sei. Es spiele hiebei keine Rolle, daß die Beklagten an der Veranlassung dieses Irrtums kein Verschulden treffe. Maßgeblich für die Anfechtbarkeit des Vertrages durch die Klägerin sei jedoch, daß es sich um einen wesentlichen Irrtum gehandelt habe. Ein solcher sei bei nur relativ geringfügigen Abweichungen zu verneinen, weil gerade diese Unsicherheiten durch den Mischpreis ausgeschaltet werden sollten. Sollte dagegen die Behauptung der Klägerin, nur etwa 1 % des gesamten Abtrages habe aus leichtem bis schwerem Boden bestanden, während Kalkulationsgrundlage ein Anteil von beinahe 30 % gewesen sei, richtig sein, müsse man von einem wesentlichen Irrtum ausgehen. Diesbezüglich könne die Klägerin gemäß § 872 ABGB Vertragsanpassung jedoch nur dann verlangen, wenn feststünde, daß beide Vertragspartner den Vertrag ohne Irrtum ebenfalls, wenngleich mit einem anderen Inhalt nämlich einen entsprechend höheren Preis pro Kubikmeter, geschlossen hätten. Dazu sei in erster Linie der hypothetische Wille beider Parteien und, wenn auf diese Weise kein Ergebnis erzielt werden könne, die Verkehrsanschauung maßgeblich. Den Parteien solle jedoch durch die Vertragsanpassung kein neuer Vertrag aufgezwungen werden, den sie nie abgeschlossen hätten. Grundsätzlich sei hiefür zwar die Klägerin beweispflichtig, doch könne sie hiebei in einen Beweisnotstand kommen, weil ihr die vor allem auf wirtschaftlicher und kaufmännischer Grundlage beruhenden Überlegungen der Beklagten nicht bekannt sein können. Es werde daher Sache der Beklagten sein, Tatsachen zu behaupten und erforderlichenfalls auch zu beweisen, aus denen sich ein zuverlässiger Schluß ableiten lasse, daß sie auch bei Kenntnis des Ausmaßes des tatsächlichen Abtrags den Werkvertrag zu keinem höheren als dem vereinbarten Mischpreis abgeschlossen hätten. In dieser Richtung sei das Verfahren ebenso erörterungsbedürftig, wie bezüglich des Ausmaßes und des Umfanges der einzelnen Arten des Abbaumaterials.

Ein Verzicht auf die Irrtumsanfechtung könne im vorliegenden Fall nicht angenommen werden, weil die festgestellte Regelung des Vertrages keineswegs den einwandfreien Schluß zulasse, daß die Klägerin auch bei groben Abweichungen von den angenommenen Abbaumaterialmengen eine Korrektur des Vertrages nicht ins Auge fassen wollte.

Die von den Streitteilen gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobenen Rekurse sind nicht gerechtfertigt.

A) Zum Rekurs der Klägerin:

Die Klägerin hält die Sache auch im Sinne der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes für entscheidungsreif, weil schon jetzt feststehe, daß die Beklagte auch bei Kenntnis des richtigen Ausmaßes des Abbruchmaterials zu einem Preis von 20 bzw 36 S/m3 abgeschlossen hätte. Derartiges ist aber den vorinstanzlichen Feststellungen nicht zu entnehmen. Vielmehr hat das Erstgericht mit Billigung des Berufungsgerichtes festgestellt, daß die Klägerin derartige Preise zwar vorgeschlagen hat, daß es aber zu einer Auftragserteilung zu diesen Preisen nicht gekommen ist (S 140 d.A.). Die Ablehnung des diesbezüglichen Anbotes der Klägerin durch die Beklagten war daher Voraussetzung für die spätere Einigung über einen Mischpreis. Daß man bei der Errechnung des Mischpreises die erwähnten Detailpreise als Kalkulationsgrundlagen herangezogen hat, läßt keinen zwingenden Schluß darauf zu, daß die Beklagten bei einem von dem angenommenen abweichenden Sachverhalt bereit gewesen wären, eine Vereinbarung unter Zugrundelegung der von der Klägerin vorher vorgeschlagenen Detailpreise abzuschließen. Mit Recht hat demnach das Berufungsgericht diese Frage als noch erörterungsbedürftig bezeichnet.

Entgegen den Ausführungen des Rekurses der Klägerin steht auch nicht fest, welches Ausmaß die einzelnen Abbaumaterialien erreicht haben. Es liegt lediglich eine Behauptung der Klägerin zu diesem Punkt vor. Die Beklagten haben das Klagebegehren grundsätzlich bestritten. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, daß sie die Behauptungen der Klägerin über das Ausmaß der einzelnen Abbaumaterialien zugestanden haben. Vielmehr ist auch diese Frage noch zu klären. Dem Berufungsgericht ist hiebei zuzubilligen, daß schon in diesem Punkte ein umfangreicheres Beweisverfahren zu erwarten ist, weshalb die Zurückverweisung an die erste Instanz schon wegen dieser Frage nicht unberechtigt erscheint. Hiezu kommt, daß, wie bereits dargelegt wurde, die Frage über den hypothetischen Parteiwillen mit den Parteien bisher nicht erörtert wurde, so daß hier überhaupt keine Verfahrensergebnisse, ja nicht einmal ausreichende Behauptungen der Parteien im Verfahren erster Instanz vorliegen.

Der Rekurs der Klägerin ist daher aus den aufgezeigten Erwägungen nicht gerechtfertigt.

B) Zum Rekurs der Beklagten:

Auf den letzten Absatz dieses Rekurses war schon deshalb nicht einzugehen, weil dazu entsprechende Behauptungen im Verfahren erster Instanz nicht aufgestellt worden sind. Mangels Feststellungen über die tatsächliche Menge des Abbaumaterials und darüber, wofür bisher Zahlungen geleistet worden sind, kann keineswegs davon ausgegangen werden, daß der begehrte Betrag auf Leistungen entfällt, die auf jeden Fall bereits hinreichend abgegolten worden sind. Auf die Erörterung der Frage, ob es sich um einen Kalkulationsirrtum handelt oder nicht, war nach der richtigen Ansicht des Berufungsgerichtes deshalb nicht einzugehen, weil der sogenannte Kalkulationsirrtum in der Regel nicht die rechtsgeschäftliche Erklärung selbst, sondern nur Umstände, die diesem vorausgegangen sind, und damit nur den Beweggrund betrifft. Wenn jedoch die Kalkulation als solche zum Inhalt des Geschäftes gemacht wird, was eine Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen und ein Einvernehmen darüber voraussetzt, daß das Geschäft zu diesen Bedingungen auf der Basis dieser Kalkulation erfolge, so handelt es sich bei einem solchen Irrtum nicht um einen bloßen Motivirrtum (RZ 1987, 21, EvBl 1983/100 ua).

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin in ihrem Anbot die Preise für die einzelnen Arten von Abbaumaterialien genau aufgeschlüsselt. Dieses Anbot war Gegenstand der Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien. Es war beiden Parteien klar, daß bei der Errechnung des endgültigen Preises die im Anbot der Klägerin enthaltenen Preise eine erhebliche Rolle spielen. Die Beklagten haben auch nicht etwa diese Preise als grundsätzlich unbeachtlich erklärt, sondern ihr Verlangen auf Festsetzung eines Mischpreises mit allfälligen Beweisschwierigkeiten bezüglich der Zuordnung des Abbaumaterials zu den einzelnen Materialarten begründet. Es war daher für beide Parteien klar, daß die dem Anbot der Klägerin zugrundegelegten Preise, die natürlich eine Kalkulationsgrundlage waren, eine wesentliche Grundlage für die Errechnung des vereinbarten Preises sein sollten. Der vereinbarte Preis ist demnach unter Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen der Klägerin zustandegekommen. Ferner waren Grundlage für die Errechnung des Mischpreises die von den Beklagten genannten Mengen der einzelnen Abbaumaterialien. Diese Mengen stellten ebenfalls Kalkulationsgrundlagen dar, jedoch solche, die von der Beklagten offengelegt worden waren und deren Menge die Klägerin klar erkennbar als Grundlage akzeptiert hat. Mit Recht ist daher das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß ein allfälliger Irrtum der Klägerin über die Art des Abbruchmaterials kein bloßer Motivirrtum wäre.

Nicht bestritten ist, daß die geschätzten Mengen der einzelnen Abbaumaterialarten bei den Vertragsverhandlungen eine wesentliche Rolle im Hinblick auf den zu errechnenden Mischpreis gespielt haben. Diese Mengen wurden nämlich als einer der mathematischen Faktoren für die Ermittlung dieses Preises herangezogen. Die Mengen waren aber von den Beklagten genannt worden. Sollte demnach der Mischpreis nur unter irrtümlicher Annahme der Richtigkeit der von den Beklagten genannten Mengen der einzelnen Abbaumaterialien zustande gekommen sein, so wäre der diesbezügliche Irrtum durch die Beklagten veranlaßt worden. Daß es bei der Anfechtbarkeit nach § 871 ABGB wegen eines vom Vertragspartner veranlaßten Irrtums auf ein Verschulden nicht ankommt, weshalb diesbezügliche Feststellungen entbehrlich sind, hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Lehre und Judikatur (siehe die zitierten Belegstellen) richtig erkannt.

Mit Recht tritt keine der Parteien den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes bezüglich die Beachtlichkeit eines allfälligen Irrtums entgegen. Natürlich kann die Vereinbarung zwischen den Parteien nur dahin verstanden werden, daß ein gewisser Unsicherheitsfaktor verblieb, weshalb nicht allzu große Abweichungen von der Schätzung keinen beachtlichen Irrtum darstellen können. Beachtlich wäre der Irrtum allerdings dann, wenn die Abweichung so groß wäre, daß man eine Zustimmung der Klägerin ausschließen könnte, falls sie die Möglichkeit einer Abweichung in diesem Ausmaß in Betracht gezogen hätte.

Ein Verzicht auf die Irrtumsanfechtung könnte lediglich mit jener Vertragsbestimmung begründet werden, derzufolge eine Massenminderung und Massenmehrung zu keiner Änderung der Einheitspreise führen solle. Für sich allein kann diese Bestimmung aber nur dahin verstanden werden, daß nicht außergewöhnliche Änderungen und Schwankungen keine Rolle spielen sollten. Keinesfalls ist eine Auslegung dahin gerechtfertigt, daß keinesfalls zu erwartende Schwankungen ebenfalls unbeachtlich wären. Zwar enthällt einer diesbezüglichen Passus die von den Vorinstanzen festgestellte Bestimmung der VIBÖ, doch muß hier beachtet werden, daß diese Bestimmung von den Vertragsparteien gar nicht selbst formuliert worden ist, vielmehr aus allgemeinen Vertragsbedingungen stammt. Im Zusammenhang mit den Umständen, die zu der Einigung über einen Mischpreis geführt haben, nämlich vor allem mit der beiderseits dargelegten Kalkulationsgrundlage, wird man auch diese allgemeine Vertragsbedingung nur einschränkend dahin auslegen können, daß nach den Verhandlungsgrundlagen von den Parteien keinesfalls in Betracht gezogene außergewöhnliche Abweichungen von der vorerwähnten Vertragsbestimmung nicht umfaßt waren. Dafür spricht auch die Aufnahme der für diesen Vertrag individuell formulierte Bestimmung über die Unbeachtlichkeit von Schwankungen, weil bei streng wörtlicher Zugrundelegung der in den VIBÖ enthaltenen Bestimmung diese Zusatzbestimmung entbehrlich gewesen wäre. Letztere ist daher als Einschränkung der allgemeinen Vertragsbedingungen aufzufassen. Mit Recht hat also das Berufungsgericht das Verfahren bezüglich der Abweichungen von den Kalkulationsgrundlagen für ergänzungsbedürftig erachtet und die Rechtsansicht vertreten, daß außergewöhnliche Abweichungen grundsätzlich zu einer Berechtigung der Irrtumsanfechtung der Klägerin führen würden.

Die Grundsätze für die Möglichkeit einer Vertragsanpassung nach § 872 ABGB auch bei wesentlichem Irrtum hat das Berufungsgericht, ebenfalls in Übereinstimmung mit Lehre und Judikatur, richtig dargelegt. Nicht uneingeschränkt kann allerdings seinen Ausführungen betreffend die Beweispflicht gefolgt werden. Es ist nämlich davon auszugehen, daß den Parteien ein uneingeschränktes Wahlrecht zwischen Anfechtung des Vertrages und der vom Gesetz nur bei unwesentlichem Irrtum vorgesehenen Vertragskorrektur nicht eingeräumt wird (SZ 45/38). Die Irrtumsregeln haben ja den Zweck, jenen Zustand herbeizuführen, der bei irrtumsfreiem Handeln bestünde. Könnte der Irrende bei wesentlichem Irrtum den Vertrag stets aufrecht erhalten, dessen Inhalt aber beliebig verändern, so würde seinem Partner ein Vertrag aufgezwungen, den dieser nicht geschlossen hätte und damit in die privatautonome Willensgestaltung der Parteien eingegriffen (SZ 48/112). Die Vertragsanpassung ist in einem solchen Fall nur möglich, wenn der Gegner bei Kenntnis der wahren Lage den Vertrag zu anderen Bedingungen abgeschlossen hätte, wenn durch die Anpassung wesentliche Interessen des Partners nicht beeinträchtigt werden (Rummel Rz 7 zu § 872).

Es ist nun richtig, daß in den beiden vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen (SZ 53/108 und SZ 59/126) auf die für den Aufechtenden bestehenden Beweisschwierigkeiten verwiesen und daraus eine gewisse Umkehr der Beweislast abgeleitet worden ist. Die Entscheidung SZ 59/126 kann hier jedoch außer Betracht bleiben, weil sie (ebenso wie Rummel Rz 7 und 8 zu § 870) von der listigen Irreführung ausgeht. Hiebei wurde der auch in der Literatur herausgearbeitete Grundsatz aufgezeigt, der Betrüger sei grundsätzlich nicht schutzwürdig. Es müsse daher vermieden werden, daß er durch die bloße Verneinung seiner Bereitschaft, zu gerechten Bedingungen abzuschließen, die Früchte seines Betruges behält. Bei der listigen Irreführung verfolgt der Irreführende die Absicht der Benachteiligung seines Partners. Eine solche Absicht wird aber von der Rechtsordnung nicht als berechtigt anerkannt. Demnach hat sie bei der Frage der Vertragsanpassung gänzlich außer Betracht zu bleiben. Es ist daher gerechtfertigt, den listig Irreführenden auch gegen seinen Willen zur Ausführung eines Vertrages des rechtlich gebilligten Inhaltes zu zwingen, wenn die Rückgängigmachung des Vertrages ohne Benachteiligung des Anfechtenden nicht mehr möglich ist. Diese Erwägungen können aber zu Lasten eines redlichen Vertragspartners, der ohne eigenes Verschulden den Irrtum eines anderen veranlaßt hat, nicht gelten. In einem solchen Fall wird man daher im allgemeinen von der grundsätzlichen Regelung, daß derjenige, der eine Vertragsanpassung anstrebt, sämtliche hiefür erforderlichen Voraussetzungen zu beweisen hat, ausgehen müssen. Zu diesen Voraussetzungen gehört auch der Beweis dafür, daß der Gegner auch zu den vom Vertrag abweichenden Bedingungen abgeschlossen hätte. Nicht verkannt darf allerdings werden, daß auch in einem solchen Fall Beweisschwierigkeiten zu unbilligen Härten für den Kläger führen können. Dem trägt die zweite vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung (SZ 53/108) Rechnung. Diese Entscheidung beinhaltete allerdings insoferne einen Spezialfall, als es sich dort um eine Ware mit verkehrsüblichem Preis (Wohnung bestimmter Art und Ausstattung) handelte. In solchen Fällen wird man tatsächlich von der allgemeinen Lebenserfahrung ausgehen können, daß in der Regel marktorientierte verkehrsübliche Entgelte verlangt und versprochen werden, also von der Annahme, daß dies beide Parteien auch im Fall der Aufklärung des der Klägerin unterlaufenen Irrtums gewollt hätten und auch der Beklagte in diesem Fall vertragswillig gewesen wäre. Nur wenn ein Fall mit solchen konkreten Voraussetzungen vorläge, könnte man zu der Umkehr der Beweislast gelangen. Wäre also der Abschluß des Vertrages zu bestimmten, dem richtigen Sachverhalt Rechnung tragenden Bedingungen, der Regelfall, so wäre es Sache des Beklagten darzutun und zu beweisen, daß er aus bestimmten, vom Gesetz gebilligten Gründen zu diesen Bedingungen nicht abgeschlossen hätte. Diesfalls beriefe sich nämlich der Beklagte auf eine Ausnahme von der Regel. Dies führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, wonach von der Klägerin zu beweisen wäre, daß in den beteiligten Kreisen im Regelfall Verträge der angestrebten Art zu bestimmten marktorientierten verkehrsüblichen Entgelten abgeschlossen werden. Nur wenn der Klägerin ein derartiger Beweis gelingt, könnte man den Beklagten die Pflicht zur Erbringung des Gegenbeweises dahin auferlegen, daß und warum sie auch bei Aufklärung des Irrtums einen Vertrag zu vom Mischpreis abweichenden Preisen mit der Klägerin keinesfalls abgeschlossen hätten.

Auch in der erwähnten Frage erweist sich demnach der Ergänzungsauftrag des Berufungsgerichtes als richtig, wobei allerdings auf die oben gemachten Abweichungen betreffend die rechtliche Beweispflicht Bedacht zu nehmen sein wird. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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