OGH 1Ob566/89

OGH1Ob566/895.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans K*** KG, Schotterwerk-Autotransporte, Burgstall 46, 9433 St.Andrä, vertreten durch Dr. Siegfried Schüßler, Rechtsanwalt in Wolfsberg, wider die beklagte Partei Dr. Ingrid G***-J***, Steuerberaterin, Schönburgstraße 15/17, 1040 Wien, vertreten durch Dr. Walter Fleißner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung und Einwilligung in die Verbücherung einer Dienstbarkeit (Streitinteresse S 30.000) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 7. Dezember 1988, GZ 3 R 564/88-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Wolfsberg vom 27. Oktober 1987, GZ 3 C 184/86-25, abgeändert wurde, nachstehenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Partei ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 121 KG Reding, zu deren Gutsbestand u.a. das Grundstück 29/23 gehört; auf diesem Grundstück befindet sich eine Wehranlage. Östlich dieses Grundstückes liegt das im Eigentum der Beklagten stehende Grundstück 29/19 (EZ 233 KG Reding).

Die Eppensteinerstraße verläuft in Wolfsberg-Priel in Richtung Stadtmitte annähernd von Süden nach Norden. Das Grundstück 29/19 schließt im Westen an diese Straße an. Es stellt in der Natur eine nahezu ebene unbebaute Grundfläche mit einer entlang der Straße gemessenen Breite von 28 m und einer Länge (von der Straße in westlicher Richtung) von etwa 60 m dar. Im Westen und Südwesten steigt das Grundstück zum angrenzenden Grundstück 29/23 leicht an. Grenzzeichen zwischen diesen beiden Grundstücken sind nicht erkennbar. Etwa 9 m nördlich der Südgrenze des Grundstücks 29/19 finden sich im Wiesengrund in einer Breite von etwa 2,5 m Fahrspuren, die ganz offensichtlich von schwereren Fahrzeugen herrühren, in senkrechter Richtung zur Straße verlaufen und im Bereich der Südwestecke einen leichten Linksbogen beschreiben. Der durch diese Spuren gekennzeichnete Fahrstreifen ist nur im Bereich der Einmündung in die Eppensteinerstraße 3 m breit und über eine Länge von etwa 4 m in das Grundstück hinein geschottert. Der übrige Teil des Grundstücks ist als Garten- und Ackergrund genutzt. Das im Westen angrenzende Grundstück 29/23 erstreckt sich bis zu der annähernd zur Straße parallel verlaufenden Lavant, ist jedoch breiter als dieses und reicht im Süden bis zum Werkskanal der klagenden Partei. Dieses Grundstück ist festgefahrener Wiesengrund und schließt gegen den Fluß hin mit einer das Niveau des Wiesengrundes gut 1 m überragenden Betonmauer ab. Dahinter liegt eine Wehranlage, die zu einem Kraftwerk der klagenden Partei gehört. Entlang des Werkskanals sind die weiteren im Osten an das Grundstück 29/23 angrenzenden Grundstücke abgezäunt, so daß zum Grundstück 29/23 und zur Wehranlage nur über das Grundstück der Beklagten gegangen und zugefahren werden kann.

Mit Vertrag vom 22.9.1977 bzw. 25.8.1980 räumte der Rechtsvorgänger der Beklagten, Odo J***, für sich und seine Rechtsnachfolger im Besitz des Grundstückes 29/19 der Verlassenschaft nach Karl. F. L*** und deren Rechtsnachfolgern im Besitz des Grundstücks 29/23 jeweils KG Reding für immerwährende Zeiten das Recht ein, einen etwa 4 m breiten Streifen des Grundstückes 29/19 entlang der Grenze zum Grundstück 29/20 als Zugang und Zufahrt von der öffentlichen Straße zum Grundstück 29/23 und zurück zum Gehen und zum Fahren mit Fahrzeugen aller Art, soweit dies für die Reparatur-, Wartungs- und Umbauarbeiten an der näher umschriebenen Wehranlage nötig ist, jederzeit unbehindert benützen zu können. Gleichzeitig räumte er ihr das Recht auf Befestigung des Grundstreifens auf eigene Kosten ein und erteilte auch die Einwilligung zur Verbücherung dieser Dienstbarkeit, die jedoch unterblieb.

Mit Vertrag vom 29.3.1982 verkaufte Odo J*** die Liegenschaft EZ 233 KG Reding mit dem 1684 m2 großen Grundstück 29/19 der Beklagten. Das Gesuch der Beklagten um Verbücherung dieses Kaufvertrages langte am 17.9.1982 beim Bezirksgericht Wolfsberg ein. Die klagende Partei als Rechtsnachfolgerin der Verlassenschaft nach Karl F. L*** im Eigentum des Grundstücks 29/23 KG Reding begehrt 1. die Feststellung, daß ihr die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art, soweit dies für Reparatur-, Wartungs- und Umbauarbeiten an der Wehranlage auf dem Grundstück 29/23 KG Reding notwendig sei, "entlang eines an der Südgrenze des Grundstückes 29/19 verlaufenden, 4 m breiten Grundstückstreifens über das Grundstück 29/19 KG Reding" als dienendes Gut zugunsten des Grundstücks 29/23 KG Reding als herrschenden Gutes zustehe und 2. die Verurteilung der Beklagten zur Einwilligung in die Einverleibung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art über das Grundstück 29/19 KG Reding als dienendes Gut zugunsten des Grundstückes 29/23 der EZ 121 KG Reding als herrschenden Gutes bei der Liegenschaft EZ 233 KG Reding. Der 4 m breite Streifen entlang der Südgrenze des Grundstückes 29/19 sei von den Eigentümern des Grundstückes 29/23 seit mehr als 30 Jahren als Zufahrt zur Wehranlage genutzt worden, um dort Reparatur-, Wartungs- und Umbauarbeiten durchzuführen. Eine andere Zufahrtsmöglichkeit bestehe nicht. Diese Benützung sei von den Rechtsvorgängern der Beklagten geduldet worden. Es liege daher Ersitzung vor. Der Grundstückstreifen sei in der Natur ersichtlich, die Dienstbarkeit somit offenkundig und gegenüber allen Rechtsnachfolgern wirksam. Überdies habe Odo J*** als Eigentümer der EZ 233 KG Reding Lena L*** als Eigentümerin der EZ 121 KG Reding jeweils für sich und alle Rechtsnachfolger für immerwährende Zeiten das Recht eingeräumt, entlang der Grenze des Grundstücks 29/19 über einen 4 m breiten Grundstückstreifen zu gehen und mit Fahrzeugen aller Art zu fahren, soweit dies für Reparatur-, Wartungs- und Umbauarbeiten an der Wehranlage auf dem Grundstück 29/23 KG Reding notwendig sei. Odo J*** sei der Onkel der Beklagten gewesen; es wäre ihr deshalb ein Leichtes gewesen, Nachforschungen über den Bestand der Dienstbarkeit anzustellen. Die Beklagte wendete ein, sie habe das Grundstück 29/19 nach Einsicht in das Grundbuch unbelastet gekauft. Bei der Besichtigung des Grundstückes zur Zeit des Vertragsabschlusses sei nicht erkennbar gewesen, daß es von Fremden benützt werde. Erst 1984 habe sie durch Zufall erfahren, daß die klagende Partei das Nachbargrundstück erworben habe und mit Baufahrzeugen über ihr Grundstück fahre. Erst dabei habe sie erstmals von der Dienstbarkeitsvereinbarung Kenntnis erlangt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest:

In dem von der klagenden Partei durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren erworbenen Fabriksgebäude sei ursprünglich eine Farbenfabrik betrieben worden. Zu dieser habe schon in der Zwischenkriegszeit ein Turbinenkraftwerk gehört, das mit Wasser aus der Lavant über einen Werkskanal versorgt worden sei. Später sei in dem Gebäude - ab 1937 vom Eigentümer der Welser Papierfabrik - eine Holzstoff- und Pappefabrik betrieben worden. Das Wasser für das Kraftwerk sei stets mit Hilfe der schon genannten Wehranlage in den Werkskanal abgeleitet worden. In der Zeit nach dem ersten Weltkrieg sei das Wehr aus Holz gefertigt gewesen. Die notwendigen Reparaturen - vor allem den Austausch der morschen Holzteile - hätten Werksangehörige besorgt. Schon diese hätten zum Zugang zur Wehranlage teils das Grundstück 29/19, teils aber auch benachbarte Grundstücke benützt. Den Arbeitern seien für die Kontrollgänge und Instandsetzungsarbeiten jedoch bloß ein Fahrrad und ein Handkarren zur Verfügung gestanden; erst ab 1971 sei ein Traktor eingesetzt worden. Dabei seien die Arbeiter stets entlang der Südgrenze des Grundstücks 29/19 gegangen und gefahren. Mit Ausnahme der nächstfolgenden Tage hätten sich dabei keinerlei sichtbare Fahrspuren ausgebildet; zum Teil sei vor der Benützung auch um Erlaubnis gebeten worden. Die Produktion der Holzstoff- und Pappefabrik, in der 22 Arbeitskräfte beschäftigt gewesen seien, sei im Juli 1976 eingestellt worden; bis 30.4.1981 habe noch ein Bediensteter das Fabriksgebäude und das Wehr beaufsichtigt. Er sei insbesondere beauftragt gewesen, die Turbine einmal monatlich in Gang zu setzen, Kontrollgänge zum Wehr zu machen und dringend notwendige Instandsetzungsarbeiten an der Wehranlage unverzüglich durchzuführen. In diesem Zeitraum sei man viermal mit LKWs, einmal auch mit einem Bagger über den Südrand des Grundstücks 29/19 gefahren; die dabei aufgetretenen Fahrspuren seien stets wieder nach einigen Wochen verschwunden. Seit 1979 seien nur mehr dringende Reparaturen ausgeführt worden, weil man den Verkauf des Werks ins Auge gefaßt habe. Vertreter des Fabrikseigentümers hätten Kaufinteressenten das Werksgelände gezeigt und seien mit diesen auch über den Streifen an der Südgrenze des Grundstücks 29/19 gefahren. Angesichts der Produktionseinstellung habe der Werksdirektor die Gefahr erkannt, das Benützungsrecht könne in Vergessenheit geraten. Über seine Veranlassung habe der öffentliche Notar Dr. Wilhelm T*** in Wels den schon erwähnten Dienstbarkeitsvertrag verfaßt, der am 22.9.1977 vom damaligen Eigentümer des Grundstücks 29/19 unterfertigt wurde. Mit Vertrag vom 9.9. und 8.10.1981 habe Walter H*** die Fabriksliegenschaft gekauft; anläßlich einer Begehung sei ihm von seiten der Verkäuferin die Zufahrt über den Streifen an der Südgrenze des Grundstücks 29/19 gezeigt worden. Andere Zugangsmöglichkeiten hätten nicht bestanden. Walter H*** habe sogleich mit Instandsetzungsarbeiten am Wehr begonnen. Den größten Teil der Arbeiten, in deren Verlauf auch ein Bagger samt Ramme eingesetzt worden sei, habe Walter H*** im März 1983 durchführen lassen. Da ihm der Dienstbarkeitsvertrag samt Lageplan gezeigt worden war, sei stets entlang der Südgrenze des Grundstücks 29/19 gegangen und gefahren worden. der dabei benützte Grundstückstreifen sei allerdings von Walter H*** nicht befestigt worden. Anläßlich des Kaufs des Grundstücks 29/19 habe es die Beklagte in Gegenwart Odo J*** besichtigt. Zu diesem Zeitpunkt seien Spuren einer "Befahrung oder Begehung" dieses Grundstückes nicht erkennbar gewesen. Die Beklagte, die seit 1979 in Wien berufstätig sei und nur mehr gelegentlich nach Wolfsberg-Priel komme, habe im Herbst 1982 - ein näheres Datum sei nicht mehr feststellbar - gemeinsam mit ihrem Ehegatten Walter H*** aufgesucht und ihm Vorhaltungen wegen der Benützung ihres Grundstückes gemacht. Dieser habe ihr erwidert, er sei auf Grund einer Abmachung hiezu berechtigt. Bei dieser Unterredung habe die Beklagte erstmals vom Bestand des Dienstbarkeitsvertrages Kenntnis erlangt, deshalb ihren Onkel Odo J***, der 1984 verstorben sei, jedoch nicht kontaktiert.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Beklagten sei guter Glaube sowohl bei Abschluß des Erwerbsgeschäftes als auch im Zeitpunkt des Ansuchens um bücherliche Einverleibung des Kaufvertrages zuzubilligen.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes zwar S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteige und die Revision nicht zulässig sei. Der Vertrauensgrundsatz (§ 1500 ABGB) komme jenem nicht zugute, der die Abweichung des Buchstandes von der wahren Rechtslage bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen können. Fahrlässigkeit schließe den guten Glauben aus. Der Umfang der dem Erwerber einer Liegenschaft obliegenden Sorgfaltspflicht bestimme sich nach der Verkehrsübung. Im allgemeinen müsse der Erwerber die Richtigkeit des Buchstandes durch eigene Nachforschungen nicht überprüfen; dies würde den Wert des Grundbuches in Frage stellen. Anderes gelte, wenn sich jedoch aus den konkreten Umständen Bedenken gegen die Richtigkeit des Buchstandes ergebe, etwa wenn der Erwerber Wahrnehmungen mache oder doch hätte machen müssen, die darauf schließen lassen, daß die tatsächlichen Besitzverhältnisse mit dem Grundbuchstand nicht übereinstimmten. Der Erwerber müsse die Liegenschaft auch besichtigen. Ergäben sich dabei Bedenken gegen die Richtigkeit oder Vollständigkeit des Buchstandes, sei er zu Nachforschungen verpflichtet. In bezug auf Dienstbarkeiten habe das Grundbuch ganz allgemein eine geringere Aussagekraft, weil deren Verbücherung vielfach unterbleibe. Die Beklagte hätte bei einiger Aufmerksamkeit anläßlich der Besichtigung wahrnehmen können, daß man zur Wehranlage nur über das Grundstück 29/19 gelangen könne, zumal sie das Wehr auf dem Grundstück der klagenden Partei unbestrittenermaßen seit ihrer frühesten Jugend kenne, bis 1976 in unmittelbarer Nähe gewohnt und während ihres Studiums bis 1979 einmal im Monat, während der Ferien auch für längere Zeit, ihre Eltern in Wolfsberg besucht habe. Dies hätte das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen und die Beklagte zu geeigneten Nachforschungen verpflichtet. Soweit sie sich bei Besichtigung der Liegenschaft vor dem Ankauf nicht darum gekümmert habe, ob und welche Zufahrtsmöglichkeit zur Wehranlage bestehe und keine Nachforschungen angestellt habe, beruhe ihre Unkenntnis auf Fahrlässigkeit. Es komme daher auf die von der klagenden Partei bekämpften Feststellungen, v.a. über das Vorhandensein sichtbarer Fahrspuren, nicht mehr an, weshalb sich das Eingehen auf die Beweisrüge in der Berufung erübrige.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig, weil zur Frage, ob das Vertrauen des Erwerbers einer Liegenschaft auf deren Lastenfreiheit nach dem Buchstand auch dann nicht geschützt werde, wenn er sich beim Erwerb nicht erkundigte, wie ein Nachbar auf seine Liegenschaft gelangen könne, soweit überblickbar, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; sie ist auch berechtigt.

Das Gericht zweiter Instanz vertritt die Auffassung, der Beklagten hätte es bei der Besichtigung der Kaufliegenschaft auffallen müssen, daß man nur über das zu erwerbende Grundstück zu der Wehranlage der klagenden Partei gelangen könne, so daß sie nähere Erkundigungen über den Bestand einer entsprechenden Dienstbarkeit hätte einziehen müssen. Das Berufungsgericht stützt sich dabei zu Unrecht auch auf die Entscheidung SZ 57/38. In dieser führte der erkennende Senat unter Berufung auf Lehre und Rechtsprechung aus, zum Ausschluß des gutgläubigen Erwerbes eines Dritten (§ 1500 ABGB) müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, ob im Zeitpunkt der Übereignung des dienenden Grundstückes Anlagen vorhanden waren, die diesen Zweck des Dienens als offenkundig erkennen lassen. Da das Grundbuch für Dienstbarkeiten von vornherein eine geringere Aussagekraft besitze, weil diese Rechte nicht immer lückenlos verbüchert und im Nachbarschaftsverhältnis Liegenschaften vielfach seit Generationen in dem guten Glauben mitbenützt werden, daß hiezu ein Recht bestehe, sei der Erwerber einer Liegenschaft zu Nachforschungen verpflichtet, wenn sich aus den besonderen Umständen Bedenken gegen die Vollständigkeit des Grundbuches ergäben; dies sei der Fall, wenn sichtbare Anlagen auf dem Grund oder sonstige Einrichtungen oder Vorgänge, die man von dort aus bei einiger Aufmerksamkeit wahrnehmen könne, das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten ließen. Die Sorgfaltsanforderungen an den Erwerber dürften nur nicht überspannt werden, weil sonst das Grundbuch entwertet würde.

Gerade solche Anlagen, Einrichtungen oder Vorgänge waren nach den Feststellungen des Erstgerichtes für die Beklagte anläßlich der Besichtigung des Grundstückes 29/19 nicht erkennbar. Auch sonstige besondere Umstände, die es dem Besichtiger des Grundstückes geradezu aufdrängen mußten, daß der Grundnachbar seine Liegenschaft nur über das betroffene Grundstück erreichen kann und daher eine entsprechende Dienstbarkeit zu vermuten sei, sind den erstinstanzlichen Feststellungen nicht zu entnehmen. An die Besichtigung eines nahezu ebenen, unbebauten und daher überblickbaren Grundstückes sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, weil der Erwerber das Bestehen nicht verbücherter Benützungsrechte nicht geradezu vermuten muß. Die Beklagte konnte und mußte bei der Besichtigung des Grundstückes auch keineswegs die Erfordernisse der Instandhaltung oder Überwachung eines im Bereich des Nachbargrundes angelegten Wehrs berücksichtigen; es mußte ihr auch keineswegs auffallen, daß das Wehr - diesseits des Lavantflusses - nur über das Grundstück 29/19 erreichbar war. Immerhin sind nach den Feststellungen des Erstgerichtes auch andere Grundstücke benützt worden. Es hieße die Sorgfaltspflicht des Erwerbers überspannen, wenn man bei den vom Erstgericht festgestellten örtlichen Verhältnissen - also bei Fehlen von Anlagen, Einrichtungen oder wenigstens von Fahrspuren - verlangen wollte, er hätte anläßlich der Besichtigung den Bestand einer Wegedienstbarkeit zugunsten des Eigentümers des Grundstücks mit der Wehranlage bedenken und daher später, darauf hingewiesen, anerkennen müssen. Die Erreichbarkeit eines Nachbargrundstücks, an dem nie gemeinsames Eigentum bestand, muß ohne Hinweise auf dem zu erwerbenden Grundstück selbst, daß es für diese Zwecke benutzt wurde, bei Besichtigung des Grundstücks nicht in die Erwägungen eines potentiellen Käufers miteinbezogen werden. Das muß auch für die Beklagte gelten, selbst wenn sie - wie das Berufungsgericht über die erstinstanzlichen Feststellungen hinaus ohne Beweisergänzung unzulässigerweise angenommen hat - das erworbene Grundstück, dem sie bis zum Erwerb ein besonderes Interesse nicht entgegenbringen mußte, seit ihrer frühesten Jugend gekannt haben sollte.

Trotz dieser rechtlichen Erwägungen kann das erstinstanzliche Urteil nicht wiederhergestellt werden, weil die klagende Partei mit ihrer Berufung auch die entscheidungswesentlichen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes über die Beschaffenheit des Grundstückes 29/19 bei der Besichtigung durch die Beklagte, vor allem die Feststellung, daß sichtbare Fahrspuren damals nicht vorhanden gewesen seien, bekämpft hat und das Gericht zweiter Instanz die Erledigung der Beweisrüge angesichts seiner Sachbeurteilung für entbehrlich gehalten hat. Die Erledigung der Beweisrüge wird nun vom Berufungsgericht nachzuholen sein. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Rechtssache an das Gericht zweiter Instanz zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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