OGH 11Os18/89

OGH11Os18/8921.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.März 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Iby als Schriftführer in der Strafsache gegen Paul Roland P*** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1, 143, zweiter und dritter Fall, StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 5.Dezember 1988, GZ 20 x Vr 6.912/88-48, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, und des Verteidigers Dr. Groh, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird, soweit sie das Strafausmaß betrifft, Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 41 StGB auf 4 (vier) Jahre herabgesetzt. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16.Februar 1970 geborene, zuletzt beschäftigungslose Paul Roland P*** auf Grund des einstimmigen Wahrspruches der Geschwornen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1, 143, zweiter und dritter Fall, StGB und des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 17.Juli 1988 in Wien

1./ dadurch, daß er Isa K*** ein Messer vor die Kehle hielt, weiters durch die sinngemäße Äußerung, dieser solle sein Geld herausgeben, wobei er mit dem Messer wiederholt gegen den Oberkörper des Genannten einstach, sohin mit Gewalt gegen eine Person versucht zu haben, Isa K*** eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld, mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz abzunötigen, wobei er den Raub unter Verwendung des angeführten Messers, somit einer Waffe, verübte und wobei er durch die ausgeübte Gewalt Isa K*** eine Stichwunde im Bereich der linken Schulterhöhe, im Bereich des Halsansatzes, eine Schnittwunde in der linken oberen Brustkorbhälfte, eine Schnittwunde an der Rückseite des linken Oberarmes, eine Stichwunde an der Vorderseite des linken Oberarmes, sowie Schnittwunden an den Innenflächen beider Hände und des dritten bis fünften Fingers der linken Hand und des ersten bis vierten Fingers der rechten Hand unter kompletter Durchtrennung der langen Beugesehne des rechten Zeigefingers, des speichenwärts gelegenen Gefäßnervenbündels sowie des ellenwärts gerichteten Gefäßnervenbündels des linken Kleinfingers sowie unter teilweiser Durchtrennung der langen Beugesehne des linken Mittelfingers und des kurzen Hohlhandmuskels, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, demnach eine im Sinn des § 84 Abs. 1 StGB schwere Verletzung zufügte; 2./ ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, ohne Einwilligung der Berechtigten Christine P*** (allenfalls ohne Einwilligung des Gatten der Christine P***) in Gebrauch genommen zu haben, indem er sich im Anschluß an die oben angeführte Tat ans Steuer des Taxis W 41.390 setzte und damit von der Fugbachstraße in die Nordbahnstraße fuhr.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 8 und 13 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der in keinem Anfechtungspunkt Berechtigung zukommt.

Unbegründet ist der den Schuldspruch wegen versuchten schweren Raubes betreffende Einwand einer unrichtigen Rechtsbelehrung (Z 8), den der Beschwerdeführer auf das Fehlen einer Erläuterung des "tatbildmäßig erforderlichen Umstandes des Abnötigens" stützt. Wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt, ist der Begriff des "Abnötigens" dem allgemeinen Sprachgebrauch entnommen und jedermann verständlich; nach Lage des Falles bedurfte es schon aus diesem Grund keiner weiteren Erläuterung (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO2, EGr 27 ff zu § 345 Z 8), zumal in der Rechtsbelehrung ausgeführt ist, daß die angewendete Gewalt (oder Drohung) nicht zu einer Überwältigung führen muß, sondern daß eine Beugung des Widerstandswillens des Opfers, das infolgedessen "die Gegenstände entweder selbst herausgibt oder sich wegnehmen läßt" (S 4 der Rechtsbelehrung), genügt. Denn damit wird hinreichend deutlich dargetan, daß eine Sache im Sinn des § 142 Abs. 1 StGB abnötigt, wer das Opfer mit einem der in dieser Gesetzesstelle angeführten Mittel zwingt, den Gegenstand (hier das mitgeführte Geld) herauszugeben. Der Sache nach wurden die Geschwornen über den Begriff des Abnötigens demnach nicht im Unklaren gelassen, sodaß von einer zur "Beirrung der Geschwornen" geeigneten Rechtsbelehrung, die eine "korrekte Überprüfung und Beurteilung" des inkriminierten Raubvorwurfes unmöglich gemacht habe, entgegen dem Beschwerdevorbringen keine Rede sein kann.

Das die Nichtanrechnung der Vorhaftzeit vom 7.Oktober 1988, 12.00 Uhr, bis 14.Oktober 1988, 8.50 Uhr, behauptende Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund nach dem § 345 Abs. 1 Z 13 StPO verkennt die durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 geänderte Rechtslage, derzufolge die rechtsirrige Nichtanrechnung einer Vorhaft im Rechtsmittelverfahren nur als Berufungsgrund geltend gemacht werden kann (§§ 283 Abs. 2; siehe aber auch § 400 Abs. 2 StPO nF). Der zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde war sohin ein Erfolg zu versagen.

Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen zweier Straftaten, die einschlägigen Vorstrafen und die mehrfache (zweifache) Qualifikation beim schweren Raub, als mildernd demgegenüber die Tatbegehung vor Vollendung des 21. Lebensjahres, den Umstand, daß es teilweise beim Versuch blieb, das Geständnis zum Schuldspruchfaktum 2, den Alkoholeinfluß und die Minderbegabung. Mit seiner Berufung strebt Paul Roland P*** die Herabsetzung der Freiheitsstrafe im Weg der außerordentlichen Strafmilderung an. Darüber hinaus wird auch noch auf das Vorbringen im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde zur Anwendung des § 38 StGB einzugehen sein. Der Berufung kommt teilweise Berechtigung zu.

Die Strafzumessungsgründe der ersten Instanz bedürfen insoferne der Ergänzung, als dem Angeklagten auch der rasche Rückfall als erschwerend zur Last fällt, dagegen als mildernd das Teilgeständnis zum Urteilsfaktum 1 (S 365 dA) zugute zu halten ist. Überdies kommt dem vom Erstgericht herangezogenen Milderungsgrund der Tatbegehung vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres besondere Bedeutung deshalb zu, weil der Angeklagte die beiden Straftaten nur wenige Monate nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres verübte. Die Würdigung der solcherart vervollständigten Strafzumessungsgründe ergibt, daß die Milderungsumstände die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Zudem besteht im Hinblick auf das Alter des Angeklagten und sein noch nicht allzu sehr belastetes Vorleben begründete Aussicht, er werde auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen. Damit liegen aber die Voraussetzungen für die begehrte außerordentliche Strafmilderung vor: Eine Herabsetzung der vom Geschwornengericht zuerkannten Freiheitsstrafe auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß wird dem Unrechts- und Schuldgehalt der Verfehlungen gerecht. Insoweit war daher der Berufung Folge zu geben.

Soweit der Rechtsmittelwerber die Nichtanrechnung der schon an früherer Stelle näher bezeichneten Vorhaftzeit rügt, ist ihm zu entgegnen, daß diese Vorhaft dem Vollzug einer anderen Freiheitsstrafe (Jugendgerichtshof Wien, AZ 24 U 286/87; siehe S 157, 161, 165 dA) diente.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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