Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten
des Rechtsmittelverfahrens zur Last;
II. über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 3. November 1988, GZ 20 j Vr 3.768/88-51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u ß
gefaßt:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Gründe:
Auf Grund des (einhelligen) Wahrspruches der Geschwornen wurde der am 28.Jänner 1960 geborene Gottfried K*** des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1, 143, erster Satz, zweiter Fall, StGB schuldig erkannt, weil er am 4.Februar 1988 in Wien dem Johann T*** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe, indem er eine Pistole gegen ihn richtete und zu ihm sagte: "Das ist ein Überfall, Geld her, ich brauch das Geld!", Bargeld mit dem Vorsatz abzunötigen versucht hatte, sich unrechtmäßig zu bereichern.
Gottfried K*** bekämpft dieses Urteil mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 8 und 10 a des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich in keinem Anfechtungspunkt als begründet erweist.
Rechtliche Beurteilung
Zu § 345 Abs. 1 Z 5 und 10 a StPO:
In der Hauptverhandlung beantragte der Verteidiger (wörtlich) "die Feststellung der Witterungsverhältnisse vom 4.Februar 1988 von der meteorologischen Station zum Beweis dafür, welche Witterungsverhältnisse am 4.Februar 1988 geherrscht haben, weil die Aussagen der beiden Zeugen T*** und D*** gerade im Punkt der Erkennbarkeit wesentliche Unterschiede aufweisen" (S 251 dA). Die Abweisung dieses Antrages - die der Schwurgerichtshof auf den Mangel der Rekonstruierbarkeit der konkreten Sichtverhältnisse gründete - erging schon deshalb zu Recht, weil seinem Wortlaut und Sinngehalt nach die Aufnahme
eines - unzulässigen - Erkundungsbeweises begehrt wurde. Davon abgesehen besteht über die Möglichkeit, den Täter zur Tatzeit und am Tatort hinreichend genau zu sehen, zwischen den erwähnten Zeugenaussagen, dem Beweisantrag und den Beschwerdeausführungen zuwider kein Widerspruch. Denn beiden Aussagen zufolge reichten die Sichtverhältnisse hiefür jedenfalls aus (S 225 bis 227, 235 dA). Dem steht kein anderes - die Witterungsverhältnisse betreffendes (und nur darauf bezog sich der Beweisantrag) - Verfahrensergebnis entgegen.
Daß dem Zeugen T*** (im Gegensatz zum Zeugen Adolf D***, vgl. S 231 f) anläßlich der Vernehmung in der Hauptverhandlung das Lichtbild (vgl. S 29 und 109), auf dem ua auch der Beschwerdeführer abgebildet ist, vorgewiesen wurde, bevor man ihn danach fragte, ob er eine der im Raum (Verhandlungssaal) anwesenden Personen als Täter erkenne (S 221 dA), trifft zwar zu, doch widersetzte sich der Beschwerdeführer diesem Vorgang nicht, weshalb es schon an den Formalvoraussetzungen einer Verfahrensrüge nach dem § 345 Abs. 1 Z 5 StPO fehlt: Dieser Nichtigkeitsgrund kann von einem Angeklagten nur dann geltend gemacht werden, wenn in der Hauptverhandlung durch Übergehen seines Antrages oder durch ein gegen seinen Antrag oder gegen seinen Widerspruch gefälltes Zwischenerkenntnis ein Verteidigungsrecht verletzt wurde.
Der erwähnte Vorgang ist zudem auch unter dem Gesichtspunkt einer Nichtigkeit nach dem § 345 Abs. 1 Z 10 a StPO im Zusammenhang mit dem Grundsatz der amtswegigen Wahrheitserforschung (§ 3 StPO) ohne Bedeutung, hatte doch der Zeuge T*** den Angeklagten nicht nur bei der Gegenüberstellung in der Hauptverhandlung - diesfalls insbesondere auch an der Stimme - (S 221 f dA), sondern schon bei Wahlkonfrontationen vor der Sicherheitsbehörde und vor dem Untersuchungsrichter (S 25 bis 29, 86 iVm S 251 dA) als Täter erkannt. Die im gegebenen Zusammenhang sowohl in der Mängel- als auch in der Tatsachenrüge aufgestellte Behauptung, T*** hätte im Verlauf der Voruntersuchung eine andere Person als Täter identifiziert, ist nicht aktengetreu. Nach dem Inhalt der Polizeierhebungen (auf die sich die Beschwerde bezieht) hatte T*** am 5.Februar 1988, noch vor der Ausforschung des Angeklagten, bei der Einsichtnahme in die Lichtbildersammlung des Büros für Erkennungsdienst, Kriminaltechnik und Fahndung der Polizeidirektion Wien einen gewissen Manfred R*** - der für die Tatverübung tatsächlich ausscheidet - bloß als dem Täter "ähnlich" bezeichnet (S 73, 75 dA). Von einer Identifizierung dieser Person als Täter kann daher keine Rede sein.
Gegen die wiederholten Agnoszierungen des Angeklagten durch T*** bestehen dem Akteninhalt nach ebensowenig Bedenken wie gegen jene durch den Zeugen D***, mag dieser Zeuge den Angeklagten (erstmals schon) am 13.April 1988 (S 107, 109 dA) und in der Hauptverhandlung am 3.November 1988 (S 232 dA) auch nur anhand eines Lichtbildes - indes ebenso eindeutig wie T*** - als Täter erkannt haben.
Den Beschwerdeausführungen zuwider ist der Aussage des Zeugen T*** in der Hauptverhandlung nicht zu entnehmen, daß Blut des Täters auf dessen Haube getropft wäre. Tatsächlich waren (dem gerichtsmedizinischen Befund zufolge) an der am Tatort sichergestellten Wollmütze Blutspuren nicht vorhanden (S 91 ff, 247 ff dA). Die vom Zeugen in der Voruntersuchung geäußerte bloße Vermutung von Blutspuren an der Mütze (S 86 dA), vermag keine erheblichen Bedenken an der Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen hervorzurufen. Auch mit dem Hinweis auf den Gegensatz zwischen der Bestimmung der Blutgruppe AB, allenfalls B an den an der Wollmütze haftenden Haaren und der Blutgruppe O, die der Angeklagte hat (S 167 bis 171, 247, 249 dA), sowie darauf, daß nach der Aussage des Zeugen T*** die Tatwaffe "etwas anders" ausgesehen haben soll als die beim Angeklagten sichergestellten beiden Gaspistolen (S 27 dA), zeigt die Beschwerde keine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung der Geschwornen auf. Der Widerspruch ist in unbedenklicher Weise erklärbar, wenn - wie die Geschwornen ersichtlich argumentiert hatten (vgl. deren Niederschrift) - die Mütze auch von einer anderen Person, vom Angeklagten aber nur kurzfristig getragen worden war (vgl. S 171, 247 dA). Zum anderen ist angesichts der unzweideutigen Agnoszierung des Angeklagten auf Grund seiner Stimme, seiner Frisur und seines gesamten Aussehens durch den Zeugen T*** (S 222 dA) die Frage der Identität der Tatwaffe mit einer der beiden sichergestellten Waffen von nicht ausschlaggebender Bedeutung. Somit schlagen Verfahrens- und Tatsachenrüge fehl.
Zu § 345 Abs. 1 Z 8 StPO:
Aus diesem Nichtigkeitsgrund bemängelt der Beschwerdeführer, daß die Geschwornen nicht über den Grundsatz "in dubio pro reo" belehrt worden seien.
Auch dieser Einwand versagt.
Gemäß dem § 321 Abs. 2 StPO hat die den Geschwornen schriftlich zu erteilende Rechtsbelehrung - bei mehreren Fragen für jede Frage gesondert - eine Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf welche die Haupt- oder Eventualfrage gerichtet ist, sowie eine Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes zu enthalten und das Verhältnis der (mehreren) Fragen zueinander sowie die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage klarzulegen.
Demnach hat sich die schriftliche Rechtsbelehrung nicht auf Beweisgrundsätze zu erstrecken und somit auch keinen Hinweis auf den sogenannten Zweifelsgrundsatz zu enthalten (Mayerhofer-Rieder2 ENr. 45 zu § 258 StPO).
Aus den dargelegten Erwägungen war die Nichtigkeitsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verhängte über Gottfried K*** nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren.
Bei der Strafbemessung wertete es die einschlägige Vorstrafe wegen Raubes sowie den raschen Rückfall nach der bedingten Entlassung aus dieser Strafe als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber den Umstand, daß es beim Versuch blieb, als mildernd. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe im Weg der außerordentlichen Strafmilderung an. Die Berufung ist nicht berechtigt.
Das Erstgericht stellte die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig fest und würdigte sie auch zutreffend. Die Art und Weise der vom Angeklagten zu verantwortenden Rechtsgutbeeinträchtigung läßt die Annahme eines atypischen, besonders gelagerten Falles, bei welchem die Unterschreitung der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens im Wege der Anwendung des § 41 StGB vertretbar erschiene, nicht zu. Umstände, die eine derartige Maßnahme rechtfertigen könnten, wurden im Rechtsmittel auch nicht dargestellt.
Der Berufung konnte daher gleichfalls kein Erfolg beschieden sein.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Das Schöffengericht widerrief zugleich (§ 494 a Abs. 1 StPO) mit der Verurteilung des Angeklagten dessen bedingte Entlassung aus dem Vollzug der mit dem Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 7.Juni 1982, GZ 20 j Vr 190/82-32, verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren. Der dagegen vom Angeklagten erhobenen Beschwerde kommt keine Berechtigung zu, weil es angesichts der Wirkungslosigkeit der mehrjährigen Vorstrafe sowie des Gewichtes der neuerlichen Verurteilung innerhalb der dem Angeklagten zuletzt gewährten Probezeit geboten ist, auch den Rest der früheren Strafe zu vollziehen, um Gottfried K*** von weiteren strafbaren Handlungen wirkungsvoll abzuhalten (§ 53 Abs. 1 StGB).
Es war daher über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Widerrufsbeschluß spruchgemäß (II) zu beschließen.
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