OGH 11Os12/89

OGH11Os12/8921.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.März 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Iby als Schriftführer in der Strafsache gegen Heribert K*** wegen des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach dem § 288 Abs. 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 10.Oktober 1988, GZ 11 Vr 1.541/87-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt bzw. den Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (Schuldspruchfakten 1 d und 2 sowie Freispruch) unberührt bleibt, im Schuldspruch zu den Fakten 1 a, b, c, e und f des Urteilssatzes (einschließlich der rechtlichen Beurteilung der Faktengruppe 1) sowie demgemäß im Strafausspruch und im Adhäsionserkenntnis aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 5.Juli 1955 geborene Verkaufsleiter Heribert K*** des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach dem § 288 Abs. 2 StGB und des Vergehens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 und Abs. 2, erster Deliktsfall, StGB schuldig erkannt. Zu den weiteren Anklagevorwürfen eines schweren Betruges und einer Urkundenunterdrückung erging ein - in Rechtskraft erwachsener - Freispruch.

Als Veruntreuung liegt Heribert K*** zur Last, sich in Graz ihm anvertraute Geldbeträge mit Bereicherungsvorsatz zugeeignet zu haben, und zwar

a) am 7.Juni 1984 einen für den Verkauf von 150 Stück Netzschals von der Firma S*** erhaltenen Betrag von 5.400 S,

b) am 5.Oktober 1984 einen für den Verkauf von Lederbekleidung von der Firma S*** erhaltenen Anzahlungsbetrag von 83.462 S,

c) am 10.Oktober 1984 einen für den Verkauf von Jeanswaren von der Firma S*** kassierten Geldbetrag von 18.192,12 S,

d) im Herbst 1984 zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt einen von Berechtigten der Firma H*** zwecks Übermittlung an die Firma W*** übergebenen Geldbetrag von 7.900 S,

e) am 3.Juli 1984 einen für den Verkauf von Waren von der Firma W*** kassierten Betrag von 19.152 S und

f) am 17.Dezember 1984 einen für den Verkauf von Bauernkalendern von Berechtigten des Betriebsrates des Landeskrankenhauses Graz übergebenen Geldbetrag von 15.498 S.

Nur den Schuldspruch wegen der Veruntreuungsfakten a, b, c sowie e und f bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Überdies ficht er den Strafausspruch mit Berufung an.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.

Den Verfahrensmangel erblickt der Beschwerdeführer insbesondere in der Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Vernehmung des Dieter E*** als Zeugen, und zwar zum Beweis dafür, "daß Gerhard G*** seit Beginn der Unternehmensgründung von I***-A*** davon in Kenntnis gesetzt war, daß über das Vermögen des Angeklagten das Isolvenzverfahren anhängig war und zum Beweis dafür, daß zwischen den Gesellschaftern eine 50 %-ige Beteiligung vereinbart war", ferner auf ergänzende Einvernahme des Zeugen Gerhard G*** mit dem Auftrag zur Vorlage der Buchhaltungsunterlagen für den Zeitraum des Bestandes der Firma I***-A***, mindestens aber bis zum Ausscheiden des Angeklagten und auf Beiziehung eines Buchsachverständigen zum Beweis dafür, "daß zumindest die laut Anklageschrift veruntreuten Gelder von der Firma I***-A*** als Spesenauslagen des Angeklagten verbucht, somit als Spesenersatz des Angeklagten anerkannt, jedoch nicht ausbezahlt wurden, da die Auszahlung laut buchmäßigem Kassen- bzw. Bankkontenstand nicht möglich war, und zum Beweis dafür, daß selbst bei einem Beteiligungsverhältnis von 80 % zu 20 % dem Angeklagten aus dem Gesellschaftsverhältnis eine Gewinnbeteiligung von mehreren hunderttausend Schilling zustand, wobei insbesondere für Herbst 1983 bis zum 5.März 1984 ein Gesellschaftsverhältnis von 50 % zu 50 % zu berücksichtigen ist", darüber hinaus aber auch zum Beweis dafür, "daß es sich bei dem Konto Nr. 157-56.853 der (des) ÖCI um ein Firmenkonto von I***-A*** handelte und daher die dort erwähnten Bewegungen nicht private Vermögensangelegenheiten des Angeklagten betrafen" (S 355 dA).

Darüber erkannte das Schöffengericht nur insoweit, als es den Antrag auf Vernehmung des Zeugen Dieter E*** "wegen rechtlicher Irrelevanz" abwies (S 356 dA). Die übrigen Beweisanbote blieben ohne formelle Beschlußfassung unerledigt. Auch in den Urteilsgründen begnügte sich das Erstgericht mit einem Hinweis auf die ablehnende, im Hauptverhandlungsprotokoll beurkundete Entscheidung (S 370 dA). Zutreffend erachtet sich der Beschwerdeführer durch dieses Vorgehen des erkennenden Gerichtes in seinen Verteidigungsrechten beschwert.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß dem § 238 StPO hat der Gerichtshof über im Laufe der Hauptverhandlung gestellte Beweisanträge (denen er nicht stattzugeben befindet) sofort zu entscheiden (Abs. 1) und die Gründe für sein Erkenntnis im Protokoll ersichtlich zu machen (Abs. 2). Die letztgenannte Prozeßvorschrift verfolgt unter anderem den Zweck, der Rechtsmittelinstanz im Fall der Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO jene Erwägungen zur Kenntnis zu bringen, von denen der Gerichtshof erster Instanz ausging, und ihr solcherart die Prüfung zu ermöglichen, ob im Zwischenerkenntnis Verfahrensgrundsätze unrichtig angewendet wurden und welchen Einfluß die etwaige Formverletzung auf die Entscheidung übte oder üben konnte. Eine Begründung - wie hier - "wegen rechtlicher Irrelevanz" gibt der Rechtsmittelinstanz hiefür ebensowenig eine Grundlage wie das Unterbleiben einer begründeten Ablehnung überhaupt. Es ist daher schon deshalb nicht unzweifelhaft erkennbar, daß im vorliegenden Fall die Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 281 Abs. 3 StPO).

Überdies ist bei der gegebenen Sachlage und bei Berücksichtigung der für die Entscheidung in der Hauptsache angeführten Gründe die Annahme nicht von der Hand zu weisen, daß das Schöffengericht die wahre Zielrichtung der angebotenen Beweisführung verkannte, durch welche die Unglaubwürdigkeit der vom Schöffensenat als Feststellungsgrundlage herangezogenen Aussage des Zeugen Gerhard G*** (S 369 dA) in wesentlichen Punkten (besonders auch zu der vom Angeklagten behaupteten Ermächtigung, vereinnahmte Geldbeträge zur Abdeckung persönlich zustehender Forderungen verwenden zu können) dargetan werden sollte. Die Relevanz des Beweisthemas zum wahren Charakter des beim Ö*** C***-I*** eröffneten

Kontos Nr. 157-56.853 ergibt sich schon aus der Urteilsannahme, daß zumindest zwei der inkriminierten Geldtransaktionen in Form von Gutschriften auf dieses Konto vor sich gingen (S 365 f dA). Aus all dem folgt, daß die bekämpfte Entscheidung mit der geltend gemachten formellen Nichtigkeit behaftet ist. Da sich sohin zeigt, daß die Anordnung einer neuen

Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war über die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß dem § 285 e StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung spruchgemäß zu erkennen. Die (Straf-)Berufung war zurückzuweisen, weil innerhalb der (gemäß dem § 294 Abs. 1 StPO maßgeblichen) Frist des § 284 StPO neben der Nichtigkeitsbeschwerde bloß eine - im Rechtsmittelverfahren gegen das Urteil eines Schöffengerichtes unzulässige - Schuldberufung angemeldet wurde (ON 34 dA). Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht die besondere Problematik von Malversationen eines Sozietärs im Rahmen des Geschäftsbetriebes einer (Erwerbs-)Gesellschaft bürgerlichen Rechtes in den Kreis seiner Überlegungen miteinzubeziehen haben (s. dazu ua SSt. 51/28 = JBl. 1981, 105 = EvBl. 1981/78). In diesem Zusammenhang wird insbesondere zu bedenken sein, daß "Anvertrauen" im Sinn des § 133 Abs. 1 StGB das Übertragen des Alleingewahrsams an einer Sache (Gut) an einen anderen mit Rückstellungs- oder Verwendungsverpflichtung bedeutet. Somit muß der Täter einer Veruntreuung die ihm anvertraute Sache auf Grund eines Rechtsgeschäftes oder eines vertragsähnlichen Verhältnisses in seine alleinige Verfügungsgewalt mit der Verpflichtung erlangt haben, diese Verfügungsgewalt entsprechend der vereinbarten Rückstellungs- oder Verwendungspflicht nur im Sinn des Gewaltgebers zu gebrauchen, wobei die Sache wirtschaftlich gesehen weiterhin zum Vermögen des Übergebers gehört (vgl. Leukauf-Steininger, StGB2 RN 4 zu § 133 StGB).

Im vorliegenden Fall bedurfte es - wie im angefochtenen Urteil festgestellt wurde - nach der Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag vom 5.März 1984 zur Übernahme von Kundenzahlungen der Kenntnis und Zustimmung beider Gesellschafter (s. S 17 und 364 dA). Sollten die vom Schuldspruch zu Pkt. 1 erfaßten Inkassi des Angeklagten ohne Wissen und Willen des Mitgesellschafters Gerhard G*** geschehen sein und sollte der Angeklagte das Inkasso dieser Beträge auch seinem Partner G*** verheimlicht haben, dann könnte von einem Handeln des Angeklagten im Auftrag seines Mitgesellschafters nicht gesprochen werden. Es läge aber auch ein Anvertrauen der Geldbeträge durch die betreffenden Kunden der Gesellschaft nicht vor, wenn diese Leute in Unkenntnis der mangelnden Inkassobefugnis Zahlung an den ihnen bekannten und als Mitgesellschafter der Firma "I***-A***, Gerhard G*** & Heribert K***" auftretenden Angeklagten geleistet hätten, um eine gegenüber dem genannten Unternehmen bestehende Schuld zu begleichen.

Zu prüfen wird aber noch sein, ob nicht etwa in den Fakten 1 a, c und e des Schuldspruches eine stillschweigende Einwilligung des Mitgesellschafters G*** zur Vornahme des Inkassos vorlag. So hat der Zeuge G*** bisher das Fehlen einer Inkassobefugnis des Angeklagten (dem ja vereinbarungsgemäß die Tätigkeit im Außendienst oblag - S 364 dA), abgesehen vom Urteilsfaktum 1 f (s. S 174 iVm S 313 dA), nicht ausdrücklich behauptet.

Zum Urteilsfaktum 1 b wird im erneuerten Verfahren

gegebenenfalls zu erwägen sein, daß im Fall einer Verkaufskommission sowohl die Kommissionsware als auch der an ihre Stelle tretende Erlös anvertraut sind (vgl. Leukauf-Steininger, StGB2, RN 5 zu § 133 StGB). Der Angeklagte könnte daher in diesem Faktum Veruntreuung zu Lasten der Christine G*** zu verantworten haben. Abschließend sei noch auf die Bestimmung des Art. XX Abs. 4 StrÄG 1987 hingewiesen.

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