OGH 2Ob589/88 (2Ob590/88)

OGH2Ob589/88 (2Ob590/88)28.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günther K***, Rentner, Pechestraße 12, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dr. Rudolf W***, Rechtsanwalt, Templstraße 16, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr. Friedrich Hohenauer und Dr. Martin Zanon, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 898.838,47 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 6.April 1988, GZ 1 R 25, 44/88-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 5.November 1987, GZ 6 Cg 243/87-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 16.863 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von 1.533 S, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde vom Beklagten in dem zu 13 Cg 338/85 des Landesgerichtes Innsbruck anhängig gewesenen Verfahren rechtsfreundlich vertreten. Dort hatte der Kläger gegen die DER A*** Allgemeine Versicherungs-AG (in der Folge als A***-Versicherung bezeichnet) einen Anspruch aus der seinen PKW Mercedes 500 SEC mit dem Kennzeichen T 51.328 betreffenden Kaskoversicherung in der Höhe von 859.621,75 S sA mit der Begründung geltend gemacht, ihm sei dieses Fahrzeug am 30. April 1983 in Italien gestohlen worden. Der Kaufpreis habe 904.865 S betragen; abzüglich des vereinbarten Selbstbehaltes von 5 % ergebe sich daraus der Klagsbetrag. Dieses Klagebegehren wurde im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, daß die beklagte Versicherung wegen Verletzung der Aufklärungspflicht seitens des Klägers leistungsfrei sei.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 898.838,47 S sA im wesentlichen mit der Begründung, im Verfahren 13 Cg 338/85 des Landesgerichtes Innsbruck sei die Klage nur deshalb abgewiesen worden, weil die Originalrechnung seitens des Klägers nicht vorgelegt worden sei, obwohl die dort beklagte Versicherungsgesellschaft den Beklagten sowohl fernmündlich als auch schriftlich aufgefordert habe, die Originalrechnung vorzulegen. Der Beklagte hätte auch in Kenntnis des § 6 Abs 3 VersVG und des Art. 6 Abs 2 AKIB die Originalrechnung bzw. deren Durchschrift vorlegen müssen. Die Aufforderungen der Versicherung an den Beklagten seien noch vor Klagseinbringung im Vorprozeß erfolgt; bei Vorlage der verlangten Rechnung hätte sich dieser Rechtsstreit erübrigt. Dem Beklagten sei daher bei Abwicklung des Schadensfalles ein Kunstfehler unterlaufen. Dadurch sei dem Kläger folgender Schaden entstanden:

Wert des gestohlenen PKW = Kaufpreis S 780.000,-- Prozeßkosten an die im Vorprozeß

beklagte Versicherungsgesellschaft S 118.838,47

S 898.838,47

Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, die Originalrechnung habe im Vorprozeß nicht vorgelegt werden können, weil sie nicht mehr vorhanden gewesen sei. Die Vorlage dieser Rechnung sei für den Prozeßerfolg des Klägers im Vorprozeß bedeutungslos gewesen. In diesem Verfahren habe sich nämlich herausgestellt, daß eine Differenz zwischen dem auf der Rechnung aufscheinenden Kaufpreis (780.000 S) und dem vom Kläger behaupteten Kaufpreis (904.865 S) bestanden habe. Der Kläger habe dem Beklagten eine Bestätigung der R***-AG vom 28.Juni 1983 überbracht, wonach für das Fahrzeug 904.865 S bezahlt worden seien. Er habe dem Beklagten gegenüber zugesichert, daß dies der tatsächlich bezahlte Kaufpreis gewesen sei. Diese Bestätigung sei dem Kaskoversicherer übermittelt worden und von ihrer Richtigkeit sei der Beklagte bei der Prozeßführung ausgegangen. Die Gerichte aller drei Instanzen seien aber im Vorprozeß zur Ansicht gelangt, daß die Originalrechnung oder deren Durchschlag deshalb nicht herausgegeben worden sei, weil der Kläger eine höhere Versicherungsleistung erschleichen, den Kaskoversicherer also mit der Bestätigung über den bezahlten Preis irreführen habe wollen. Ebenso wie die Versicherung sei auch der Beklagte diesbezüglich vom Kläger bei der Informationsaufnahme irregeführt worden. Durch diese festgestellte vorsätzliche Irreführung des Versicherers habe der Kläger bereits von vornherein jeden Anspruch auf die Versicherungssumme verwirkt gehabt, sodaß das Unterlassen der Vorlage der Originalrechnung bedeutungslos gewesen sei. Unabhängig davon wäre der Kläger überdies im Vorprozeß mit seinen Ansprüchen deswegen nicht durchgedrungen, weil ihm eine weitere Obliegenheitsverletzung zur Last gefallen wäre. Er habe einen Reserveschlüssel im Fahrzeug verwahrt gehabt, was im Zusammenhang damit, daß der Kläger auch widersprüchliche Angaben über Anzahl und Verbleib der Fahrzeugschlüssel gemacht habe, Leistungsfreiheit der Versicherung bewirkt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Kläger erwarb am 3.Jänner 1983 bei der R***-AG in Hall in Tirol einen PKW Mercedes Benz 500 SEC mit Sonderausstattung zu einem Kaufpreis von 780.000 S einschließlich 30 % Mehrwertsteuer. Dabei gab er einen Gebrauchtwagen in Zahlung, wofür ihm eine Gutschrift von 380.000 S verrechnet wurde. Die Differenz von 400.000 S zahlte er in bar auf. Am selben Tag schloß er bei der A***-Versicherung für sein Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung zum Neuwert ab. Der Versicherungsantrag wies einen Listenpreis des Fahrzeuges einschließlich Mehrwertsteuer von 896.800 S auf. Es wurde ein Selbstbehalt von 5 % vereinbart. Mit dem Fahrzeug wurden vier Schlüssel mitgeliefert; einer davon, ein Universalschlüssel, wurde vom Kläger als Reserveschlüssel im Fahrzeug verwahrt. Am 2. Mai 1983 erstattete der Kläger bei der Landesdirektion der A***-Versicherung in Innsbruck die Meldung, daß ihm das Fahrzeug in der Nacht vom 30.April auf den 1.Mai 1983 in Peschiera am Gardasee gestohlen worden sei. Der Schadensreferent der A***-Versicherung, Wolfgang F***, verlangte bei diesem Gespräch weitere Informationen über den Tathergang und die Beibringung der Originalrechnung. Der Kläger hatte die Originalrechnung nicht aufbewahrt, weil er sie als Privatmann steuerlich nicht benötigte. Er ließ sich daher noch am selben Tag von der R***-AG eine Listenpreisaufstellung ausstellen. Danach betrug der Wert des Fahrzeuges einschließlich der Sonderausstattung unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer

905.915 S. Am 4.Mai 1983 erschien der Kläger wieder bei der A***-Versicherung, wo die einzelnen Umstände des Diebstahls besprochen wurden. Bei einem weiteren Gespräch zwischen dem Kläger und dem Schadensreferenten F*** am 24.Juni 1983 verlangte letzterer alle bei Übergabe des Fahrzeuges ausgehändigten Schlüssel, den Original-Typenschein sowie den Durchschlag der für das Fahrzeug ausgestellten Rechnung. Der Kläger übergab am 30.Juni 1983 einem Angestellten der A***-Versicherung den Typenschein, die ihm verbliebenen drei Schlüssel (einen Universalschlüssel hatte er ja im Auto gelassen) sowie eine weitere Bestätigung der R***-AG über den "tatsächlichen Wert des Neuwagens am Tag der Auslieferung". In dieser Bestätigung wurde der Neuwert einschließlich Mehrwertsteuer mit 904.865 S angegeben. Der Kläger erklärte dabei dem Versicherungsangestellten, daß sich zum Zeitpunkt des Diebstahls der Universalschlüssel als Reserveschlüssel im Fahrzeug befunden habe. Gleichzeitig bestätigte er, daß ihm seinerzeit vier Schlüssel ausgehändigt wurden. Schließlich behauptete er, er könne die Originalrechnung für das Fahrzeug nicht beibringen, weil er sie nicht mehr besitze.

Mit Schreiben vom 1.Juli 1983 teilte die A***-Versicherung dem Kläger mit, daß bei der R***-AG in Hall zwar eine Rechnungsdurchschrift aufliege, daß ihr diese aber nur mit Zustimmung des Klägers ausgefolgt werde; für die Schadensliquidierung werde diese Rechnungsdurchschrift benötigt. Am 5. Juli 1983 begab sich der Kläger zum Beklagten und teilte ihm die Schwierigkeiten bei der Schadensliquidierung mit. Der Beklagte wies den Kläger auf eine allfällige Leistungsfreiheit der A***-Versicherung wegen des Belassens des Universalschlüssels im Fahrzeug hin und forderte den Kläger auf, ihm alle erforderlichen Unterlagen zu bringen, insbesondere die Versicherungspolizze und die Rechnung für das Fahrzeug. Mit Schreiben vom selben Tag forderte der Beklagte die A***-Versicherung auf, endlich die Schadensliquidierung vorzunehmen, und setzte eine Frist bis zum 15. Juli 1983. Die A***-Versicherung antwortete darauf mit Schreiben vom 8.Juli 1983, daß sie die Originaldurchschrift der an den Kläger von der R***-AG anläßlich der Auslieferung des Fahrzeuges ausgehändigten Rechnung benötige, wie sie dem Kläger bereits persönlich und schriftlich und auch dem Beklagten fernmündlich dargelegt habe.

Der Kläger überbrachte jedoch dem Beklagten diese Durchschrift der Originalrechnung nicht, sondern übergab ihm lediglich die Listenpreisaufstellung vom 2.Mai 1983 und die Bestätigung der R***-AG vom 28.Juni 1983. Dabei teilte der Kläger dem Beklagten mit, daß er den dort genannten Betrag als Kaufpreis bezahlt habe. Der Beklagte wies die A***-Versicherung darauf hin, daß sich aus den beiden Bestätigungen der Kaufpreis für die Schadensliquidierung hinreichend ergebe und daher eine Übermittlung der Durchschrift der Originalrechnung nicht erforderlich sei. Deshalb bemühte sich der Beklagte auch nicht, diese Durchschrift von der R***-AG zu erhalten. Diese Urkunde wurde erst vom Geschäftsleiter der R***-AG Dr. Josef K*** anläßlich seiner Vernehmung als Zeuge im Vorprozeß in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 26.November 1985 dem Gericht übergeben. Die Rechnungsdurchschrift wies den Kaufpreis mit 780.000 S aus. Daß der Beklagte vom Kläger die Originalrechnung erhalten hätte, ist nicht erwiesen.

Am 22.April 1983 hatte ein Bekannter des Klägers, Martin E***, bei der R***-AG einen PKW Mercedes Benz 500 SEC Coupe mit Sonderausstattung zu einem Kaufpreis von 797.000 S einschließlich Mehrwertsteuer gekauft. Das Fahrzeug wurde bei der R***-AG auf AMG umgerüstet, wofür ein weiterer Betrag von 93.000 S einschließlich Mehrwertsteuer zu zahlen war. E*** gab einen Gebrauchtwagen in Zahlung, wobei dieses Fahrzeug mit einer Gutschrift von 240.000 S verrechnet wurde. Die Differenz von 650.000 S wurde von E*** aufgezahlt. E*** schloß am 22.April 1983 bei der W*** Versicherungs-AG eine Vollkaskoversicherung zum Neuwert ab, wobei der Versicherungsantrag einen Listenpreis von 1,015.544 S einschließlich Mehrwertsteuer aufwies. Eine Rechnung für das Fahrzeug ließ sich die W*** Versicherungs-AG damals nicht vorlegen. Am 13.Juni 1983 erstattete E*** bei der W*** Versicherungs-AG die Meldung, daß ihm das Fahrzeug in der Nacht vom

11. auf den 12.Juni 1983 in Peschiera am Gardasee gestohlen worden sei. Angestellte der Versicherung teilten E*** am 30.Juni 1983 unter anderem mit, daß zur Schadensliquidierung auch die Originalrechnung des Fahrzeuges benötigt werde. E*** brachte diese nicht bei. Am 20.Juli 1983 teilte die R***-AG telefonisch der Versicherung mit, daß man E*** über seinen Wunsch eine "Pro-forma-Rechnung" ausgestellt habe; über den tatsächlichen Kaufpreis wurde der Versicherung keine Auskunft gegeben. E*** legte der W*** Versicherungs-AG die Pro-forma-Rechnung vom 22. April 1983 und die Rechnung über die Umrüstung vom 29.April 1983 vor. Auf Urgenz E***, die Schadensliquidierung vorzunehmen, da alle Unterlagen vorgelegt worden seien, forderte ihn die Versicherung mit Schreiben vom 8.September 1983 neuerlich auf, eine Originalrechnung vorzulegen, weil die Pro-forma-Rechnung nicht ausreiche. Über weitere Urgenz der Versicherung teilte ihr E*** mit, daß sich die Originalrechnung bei seinem Vertreter, Rechtsanwalt Dr. W***, befinde. Tatsächlich übergab er sie am 6. Oktober 1983 ebenso wie die Pro-forma-Rechnung und die Rechnung über die Umrüstung dem Beklagten. Mit Schreiben vom 11.Oktober 1983 übermittelte der Beklagte E*** eine Kopie der von ihm gegen die W*** Versicherungs-AG verfaßten Klage und wies in dem Schreiben darauf hin, daß er davon ausgehe, daß gemäß der vorliegenden Pro-forma-Rechnung vom 22.April 1983 und der Rechnung über die Umrüstungskosten der tatsächlich von E*** entrichtete Kaufpreis allenfalls auch noch durch die Einvernahme eines informierten Vertreters der R***-AG erweislich sei. Mit Schreiben vom 17.Oktober 1983 teilte E*** dem Beklagten mit, daß die Klage in Ordnung gehe, daß die Pro-forma-Rechnung eine Aufstellung des Kaufpreises und der Extras sei und der Beklagte den tatsächlich bezahlten Betrag aus der Originalrechnung Nr. 1281 vom 22. April 1983 ersehe, die bei ihm in Kopie aufliege. Diese Rechnung wies einen Rechnungsbetrag von 797.000 S einschließlich Mehrwertsteuer auf. In der am 19.Oktober 1983 beim Landesgericht Innsbruck eingebrachten Klage des E*** wurde vorgebracht, daß er einen Kaufpreis von 908.544 S für Serienausstattung und von 93.000 S für die Umrüstung habe bezahlen müssen. Dieses Klagebegehren wurde mit der gleichen Begründung abgewiesen wie das des Klägers im Vorprozeß.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß Schadenersatzansprüche des Klägers dem Beklagten gegenüber nicht bestünden. Der Kläger habe den Beklagten mit Bestimmtheit darauf hingewiesen, daß er den Kaufpreis bezahlt habe, der in der Bestätigung vom 28.Juni 1983 ausgewiesen sei. Der Beklagte habe auch zum Zeitpunkt der Klagseinbringung eine Divergenz zwischen der Originalrechnung und dieser Bestätigung nicht annehmen müssen, weil er zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Besitz der ihm von E*** am 6.Oktober 1983 übermittelten Unterlagen gewesen sei. Er habe daher mit Recht darauf beharren dürfen, daß für die A***-Versicherung die vorliegende Bestätigung vom 28.Juni 1983 zur Schadensliquidierung ausreichend sei. Die Obliegenheitsverletzung, die im Vorprozeß dem Kläger zur Last gelegt worden sei, habe darin bestanden, daß er mit den von ihm produzierten Angaben und Unterlagen die A***-Versicherung zu einer überhöhten Versicherungsleistung zu bewegen versucht habe. Nur darin, nicht aber in der bloßen Nichtvorlage der Originalrechnung, sei die ihm angelastete Verletzung der Aufklärungspflicht gelegen. Eine Mitwirkung des Beklagten an dieser vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung sei nicht erwiesen. Darüber hinaus wäre der Klage im Vorprozeß auch deshalb kein Erfolg beschieden gewesen, weil auch infolge des Verwahrens des Universalschlüssels im gestohlenen Auto Leistungsfreiheit des Kaskoversicherers vorgelegen wäre. Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und traf zusätzlich nach teilweiser Beweiswiederholung noch folgende Feststellungen:

Im Vorprozeß wurde die Klage gegen die A***-Versicherung am 1. August 1983 bei Gericht überreicht. In der am 14.September 1983 eingelangten Klagebeantwortung behauptete die A***-Versicherung, ein Versicherungsfall liege nicht vor. Es bestehe vielemhr der Verdacht des Versicherungsbetruges durch den Kläger, weshalb am 8. August 1983 eine entsprechende Mitteilung der Bundespolizeidirektion Wien an die Staatsanwaltschaft Wien gemacht worden sei. Eine Reihe von gravierenden Verdachtsmomenten sei erhoben worden; auffällig sei vor allem auch, daß sich am 13.Juni 1983 ein fast parallel gelagerten Diebstahl zum Nachteil des Martin E*** in Peschiera ereignet haben solle. Der Kläger habe unrichtige Angaben zum Sachverhalt gemacht und dadurch vorsätzlich gegen Obliegenheiten verstoßen. Diese unrichtigen Angaben wurden im einzelnen aufgezählt; sie beziehen sich ausschließlich auf den Diebstahlshergang und die Umstände der Anzeigenerstattung. Darüber hinaus wurde in der Klagebeantwortung Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles behauptet, weil nicht alle Fahrzeugschlüssel der Versicherung übergeben werden konnten, sodaß der Schluß zu ziehen sei, daß das Fahrzeug unversperrt und mit steckendem Zündschlüssel abgestellt worden sei. Bezüglich der Unterlassung der Vorlage der Originalrechnung wurde lediglich vorgebracht, daß das Leistungsbegehren des Klägers deshalb nicht fällig sei und daß deshalb die Klagsforderung auch der Höhe nach bestritten werde.

Bereits am 16.Juni 1983 hatte die A***-Versicherung den Erhebungsbericht des Lothar Q*** vom 10.Juni 1983 in Händen, wonach ausgehend von den Angaben des Hausmeisters der "Residenza Boschetti" Widersprüche in den Angaben des Klägers vorlagen. Noch im Schriftsatz vom 31.Oktober 1983 berief sich die A***-Versicherung wegen des Unterlassens der Vorlage eines Nachweises über den tatsächlich vom Kläger bezahlten Kaufpreis nicht auf Leistungsfreiheit; dies tat sie erst mit einem am 14.August 1985 bei Gericht eingelangten Schriftsatz.

Noch in der Revisionsbeantwortung im Vorprozeß beharrte die A***-Versicherung auf ihrer Auffassung, daß ihre Leistungsfreiheit auch deshalb gegeben sei, weil der Kläger einen Reserveschlüssel im Fahrzeug zurückgelassen hat.

Rechtlich führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus, es treffe zunächst nicht zu, daß der Kläger im Vorprozeß obsiegt hätte, wenn die Originalrechnung oder ihr Durchschlag dem Versicherer vorgelegt worden wäre. Dem Kläger sei nämlich in allen drei Instanzen vorgeworfen worden, er habe die im Art 6 Abs 2 Z 2 AKIB normierte Obliegenheit, nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhaltes beizutragen, nicht erfüllt. Die Verletzung dieser Obliegenheit nach Eintritt des Versicherungsfalles bewirke nach Maßgabe des § 6 Abs 3 VersVG die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung. All das, was im Vorprozeß als Verletzung der Aufklärungspflicht des Klägers qualifiziert worden sei, habe sich vor der Befassung des Beklagten mit der Sache zugetragen. Der Vorprozeß wäre daher vom Kläger jedenfalls und unabhängig davon verloren worden, ob die Originalrechnung oder deren Durchschlag vom Beklagten vorgelegt worden wäre oder nicht.

Es treffe aber auch nicht zu, daß sich bei Vorlage der Originalrechnung oder ihres Durchschlages der Vorprozeß infolge Zahlung durch den Kaskoversicherer erübrigt hätte. Da dieser seine behauptete Leistungsfreiheit im Vorprozeß nicht nur darauf gestützt habe, daß infolge der Nichtvorlage der Originalrechnung ein Verstoß des Klägers gegen seine Aufklärungspflicht vorliege, sondern sich bis ins Jahr 1985 auch aus anderen Gründen auf seine Leistungsfreiheit berufen habe, könne nicht davon ausgegangen werden, daß sich im Fall der Vorlage der Originalrechnung oder ihres Durchschlages durch den Beklagten der Vorprozeß erübrigt hätte. Es wäre also auch bei Übersendung der Originalrechnung oder ihres Durchschlages an den Kaskoversicherer des Klägers durch den Beklagten der gleiche Erfolg eingetreten.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). Soweit der Kläger in seiner Rechtsrüge eine Befangenheit des Erstrichters behauptet, ist ihm lediglich zu entgegnen, daß sein Ablehnungsantrag (ON 8) rechtskräftig zurückgewiesen wurde. Im übrigen versucht der Kläger in seiner Rechtsrüge nach wie vor darzutun, daß dem Beklagten eine schuldhafte Vernachlässigung seiner anwaltlichen Sorgfaltspflicht anzulasten sei, die zum Verlust des Vorprozesses für den Kläger geführt habe, weil er trotz ausdrücklicher Aufforderung des im Vorprozeß beklagten Kaskoversicherers keine Originalrechnung bzw. Rechnungsdurchschrift über den anläßlich des Ankaufs des PKW durch den Kläger bezahlten Kaufpreis beigeschafft und vorgelegt habe.

Dem ist nicht zu folgen.

Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, daß das Klagebegehren im Vorprozeß deswegen abgewiesen wurde, weil der Kläger vorsätzlich eine Obliegenheit im Sinne des § 6 Abs 3 VersVG verletzte, nämlich seine nach Art. 6 Abs 2 Z 2 AKIB nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehende Verpflichtung, nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhaltes beizutragen, indem er mit der Behauptung, zur Beibringung der Rechnung nicht in der Lage zu sein, dem Kaskoversicherer Bestätigungen über den Listenpreis bzw. den Neuwert des Fahrzeuges vorlegte, die einen höheren Betrag als den von ihm tatsächlich bezahlten Kaufpreis auswiesen. Dieses Verhalten des Klägers, das nach ständiger Rechtsprechung zur Leistungsfreiheit des Kaskoversicherers ohne Rücksicht darauf führte, ob die Obliegenheitsverletzung Einfluß auf die Feststellung oder den Umfang der vom Kaskoversicherer zu erbringenden Leistung hatte (ZVR 1985/34; SZ 49/149 ua), wurde nach den Feststellungen der Vorinstanzen vom Kläger zu einem Zeitpunkt gesetzt, als er den Beklagten noch gar nicht mit seiner Vertretung gegenüber dem Kaskoversicherer beauftragt hatte; es kann daher keinesfalls dem Beklagten zugerecnet werden.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde auch der Beklagte, nachdem er die Vertretung des Klägers übernommen hatte, vom Kaskoversicherer zur Beibringung der Originalrechnung aufgefordert. Daraus, daß der Beklagte dieser Aufforderung nicht nachkam bzw. daß er nicht ihre Befolgung durch den Kläger veranlaßte, sondern ohne Beischaffung der Originalrechnung namens des Klägers die Klage gegen den Kaskoversicherer einbrachte, ist aber entgegen dem vom Kläger vertretenen Standpunkt kein haftungsbegründender Sorgfaltsverstoß des Beklagten abzuleiten. Denn nach den getroffenen Feststellungen teilte der Kläger dem Beklagten ausdrücklich mit, daß er den in der Bestätigung der R***-AG vom 28.Juni 1983 genannten Betrag tatsächlich bezahlt habe. Unter diesen Umständen war für den Beklagten, der zumindest zum damaligen Zeitpunkt keinen Anlaß hatte, an der Richtigkeit der ihm von seinem Mandanten erteilten Information zu zweifeln, in keiner Weise die vom Kläger bereits begangene vorsätzliche Obliegenheitsverletzung gegenüber dem Kaskoversicherer erkennbar und die Rechtsansicht des Beklagten, daß sich der vom Kläger bezahlte Kaufpreis aus den bereits vorliegenden Urkunden ergebe und daher die Übermittlung der Originalrechnung an den Kaskoversicherer nicht erforderlich sei, durchaus vertretbar. Auch bei Anlegung des im § 1299 ABGB normierten Sorgfaltsmaßstabes ist der Rechtsanwalt nicht verpflichtet, die Richtigkeit der ihm von seinem Klienten erteilten Information in Zweifel zu ziehen, solange er nicht für ihre Unrichtigkeit erhebliche Anhaltspunkte hat. Das Verhalten des Beklagten im Zusammenhang mit seiner Vertretungstätigkeit für Martin E*** ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung und kann daher unerörtert bleiben. Im Hinblick auf die dem Beklagten seitens des Klägers erteilte Information, daß der in der Bestätigung der R***-AG vom 28.Juni 1983 genannte Betrag tatsächlich als Kaufpreis bezahlt worden sei, kann in der Klagsführung des Beklagten gegen den Kaskoversicherer ohne Beischaffung der Originalrechnung entgegen der in der Revision des Klägers vertretenen Rechtsansicht ein zum Schadenersatz verpflichtender schuldhafter Sorgfaltsverstoß des Beklagten nicht erblickt werden.

Die in den Revisionsausführungen des Klägers zum Ausdruck kommende Meinung, der Kaskoversicherer hätte (trotz der vom Kläger begangenen vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung !) Leistungen an den Kläger erbracht, wenn der Beklagte im Zuge des gegen den Kaskoversicherer geführten Rechtsstreites die Originalrechnung vorgelegt hätte, ist völlig unbegründet und findet in den Feststellungen der Vorinstanzen keine Deckung.

Die Vorinstanzen haben unter diesen Umständen das Klagebegehren mit Recht abgewiesen.

Der Revision des Klägers muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte