OGH 3Ob552/88

OGH3Ob552/8822.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Pflegschaftssache für den mj. Goran I***, geboren 20.Dezember 1972, derzeit Wien 21, Lorettoplatz 5/1, vertreten durch den Vater Svetomir I***, Arbeiter, ebendort, infolge Revisionsrekurses der Mutter Jovanka I***, Arbeiterin, Wien 20, Karajangasse 22/1/16, vertreten durch Dr. Angelika Truntschnig, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 17.August 1988, GZ 44 R 3343/88-21, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 3.Juni 1988, GZ 2 P 3/88-15, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der minderjährige Goran I***, geboren am 20.Dezember 1972, hält sich seit Anfang Jänner 1988 in Wien bei seinem Vater auf. Die Ehe der Eltern des Minderjährigen wurde mit Urteil eines jugoslawischen Gerichtes vom 19.Juni 1984 geschieden. Das Sorgerecht für den Minderjährigen wurde dem Vater zugeteilt. Vater und Mutter halten sich derzeit in Wien auf. Sie und der Minderjährige sind jugoslawische Staatsangehörige.

Am 8.Jänner 1988 beantragte der Vater, die Mutter ab dem Antragsdatum zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 2.800 S zu verpflichten.

Die Mutter erklärte sich zunächst damit einverstanden, 20 % ihres Nettoeinkommens als Unterhaltsbeitrag zu leisten, verwies aber dann auf ein in Jugoslawien anhängiges Unterhaltsverfahren. Der Vater bestätigte zwar, daß dieses Verfahren anhängig sei, legte aber eine Eingabe vom 22.April 1988 vor, in der er die Beschränkung des jugoslawischen Unterhaltsfestsetzungsverfahrens bis zum 8. Jänner 1988 beantragt hat. Die Mutter erwiderte, daß sie der Einschränkung des jugoslawischen Verfahrens widersprochen habe. Das Erstgericht ging von der Zurücknahme des Unterhaltsbegehrens in Jugoslawien für die Zeit seit 8.Jänner 1988 aus und verpflichtete die Mutter mit Beschluß vom 3.Juni 1988 zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 2.800 S.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluß und vertrat die Ansicht, der Unterhalt sei nicht im streitigen Verfahren festzusetzen, weil für den Minderjährigen die vorliegende inländische Pflegschaftssache geführt werde; gemäß dem Unterhaltsstatutabkommen BGBl 1961/293 sei wegen des inländischen gewöhnlichen Aufenthaltes des Minderjährigen österreichisches Unterhaltsrecht anzuwenden, auch wenn Jugoslawien kein Vertragsstaat sei.

In ihrem Revisionsrekurs macht die Mutter als Nichtigkeit die fehlende inländische Gerichtsbarkeit und die Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges geltend, weil im Heimatstaat der Beteiligten ein Pflegschafts- und Unterhaltsfestsetzungsverfahren anhängig sei. Die Einschränkung dieses Verfahrens auf den Zeitraum bis 8.Jänner 1988 sei noch nicht rechtswirksam. Offenbar gesetzwidrig sei die Entscheidung der zweiten Instanz, weil zu Unrecht österreichisches Unterhaltsrecht angewendet worden sei; denn der Minderjährige halte sich nur vorübergehend in Österreich auf. Die gegenteilige Annahme des Gerichtes zweiter Instanz sei aktenwidrig. Schließlich bekämpft die Mutter den fehlenden Zuspruch von Kosten ihres Rekurses an die zweite Instanz.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Gemäß § 110 Abs 1 Z 2 JN ist die inländische Gerichtsbarkeit für die im § 109 JN genannten Angelegenheiten, zu denen trotz unklarer Formulierung des Gesetzes auch die Festsetzung des gesetzlichen Unterhaltes gehört (Schwimann, FamRZ 1985, 673, dort 678) dann gegeben, wenn der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder, soweit es um dringende Maßnahmen geht, zumindest seinen Aufenthalt im Inland hat.

Der gewöhnliche Aufenthalt ist im allgemeinen bei einer Aufenthaltsdauer von ungefähr sechs Monaten gegeben (IPRAX 1986, 385). Anhaltspunkte, die gegen die Annahme sprechen würden, daß sich der Mittelpunkt der Lebensführung des Minderjährigen (EFSlg 41.565) seit Jänner 1988 in Österreich befindet, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Es liegt daher keine Aktenwidrigkeit vor, wenn das Gericht zweiter Instanz von einem gewöhnlichen Aufenthalt ausging. Infolge des gewöhnlichen Aufenthalts ist daher die inländische Gerichtsbarkeit nach § 110 Abs 1 JN zu bejahen. Auf die Ergebnisse des in Jugoslawien möglicherweise noch anhängigen Unterhaltsfestsetzungsverfahrens muß derzeit nicht Bedacht genommen werden; denn selbst wenn in einem solchen Verfahren eine Entscheidung ergehen sollte, könnten bis dahin die Rechte und Interessen des Minderjährigen im Sinne des § 110 Abs 2 JN nur dadurch ausreichend gewahrt werden, daß sofort in Österreich ein Exekutionstitel geschaffen wird. Es ist daher kein Fall gegeben, wo wegen des ausländischen Verfahrens von der Einleitung oder Fortsetzung des inländischen Pflegschaftsverfahrens abgesehen werden

kann (vgl Entscheidungen wie EFSlg 44.700; EFSlg 49.264 =IPRAX 1986,

45; EFSlg 52.041 = ÖA 1987, 139). Wegen dieses in § 110 Abs 2 JN

bestimmten Sofortschutzes, der sogar im Falle einer von der ausländischen Behörde schon getroffenen Maßnahme vorgesehen ist, kann das Problem der Streitanhängigkeit (vgl dazu Fasching, LB Rz 1191) nicht auftauchen.

Der Ansicht, daß die Unterhaltsfestsetzung eine Schutzmaßnahme im Sinne des Minderjährigenschutzabkommens BGBl 1975/446 sei (so allerdings EvBl 1981/85) und daher § 110 JN nicht Anwendung fände (ÖA 1988, 51), schließt sich der erkennende Senat im Hinblick auf die zutreffenden Gegenargumente im Schrifttum (zB Hoyer in ZfRV 1981, 220; Schwimann in FS Floretta 155; Siehr in IPRAX 1982, 85/90) nicht an, doch würde sich dann die inländische Gerichtsbarkeit aus Art 1 dieses Übereinkommens ergeben. Liegt aber die inländische Gerichtsbarkeit zur Festsetzung des gesetzlichen Unterhalts vor, dann ist dieser im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen. Nur wenn ein Minderjähriger fremder Staatsangehörigkeit mangels inländischer Pflegschaftsbehörde im außerstreitigen Verfahren keinen Rechtsschutz fände, wenn also die Eröffnung eines Pflegschaftsverfahrens im Inland nicht zulässig wäre, müßte die Entscheidung im streitigen Verfahren erfolgen (SZ 49/78, ZfRV 1981, 33). Daß das Erstgericht erst durch die Antragstellung des Vaters tätig wurde, schadet nicht, weil gerade für diese Tätigkeit die Zuständigkeitsnorm des § 109 Abs 1 JN besteht.

Gemäß Art 1 des Haager Unterhaltsstatuts-Abkommens, BGBl 1961/293, bestimmt das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Minderjährigen, ob, in welchem Ausmaß und von wem das Kind Unterhaltsleistungen verlangen kann. Diese Bestimmung ist infolge der Regelung nach Art 6 des Übereinkommens auch im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten anzuwenden (SZ 49/78, EFSlg 52.041 = ÖA 1987, 139 ua). Es liegt daher auch nicht die gerügte offenbare Gesetzwidrigkeit im Zusammenhang mit der Frage des anzuwendenden Rechts vor.

Damit wird im Revisionsrekurs keiner der nach § 16 AußStrG allein zulässigen Anfechtungsgründe aufgezeigt; die Bekämpfung der Kostenentscheidung ist schon gemäß § 14 Abs 2 AußStrG ausgeschlossen.

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