OGH 9ObA17/89

OGH9ObA17/8922.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Müller und Wolfgang Neumeier als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A*** DER E*** Gesellschaft mbH & Co KG, Wien 6.,

Marchettigasse 12, vertreten durch Dr.Adolf Fiebich, Dr.Vera Kremslehner und Dr.Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei E*** Gesellschaft mbH & Co KG, Elektroinstallationen, Wien 6., Marchettigasse 12, vertreten durch Dr.Otto Pichler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeit- und Sozialrechtssachen vom 7.Oktober 1988, GZ 34 Ra 78/88-8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und xSozialgerichtes Wien vom 13.April 1988, GZ 5 Cga 1275/87-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.087,-- S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 514,50 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kollektivvertrag für Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe enthält in der maßgeblichen Fassung nachstehende, hier wesentliche Bestimmungen:

"VIII.

.......

Wegzeiten

6. Wegzeiten, die in die Arbeitszeit fallen, werden wie Arbeitszeiten bezahlt.

7. Für Wegzeiten außerhalb der Arbeitszeit gebührt der Stundenlohn ohne Zulagen und Zuschläge.

Wird der Arbeitnehmer während jener Wegzeit, die nicht in die Arbeitszeit fällt, als Lenker eines Kraftfahrzeuges beschäftigt, so gebührt ihm Überstundenentlohnung.

Wegzeiten, die nicht in die Arbeitszeit fallen, sind wie folgt zu vergüten:

Bei Entfernungen - Luftlinie - zwischen dem ständigen Betrieb bzw Montagebüro und dem nicht ständigen Arbeitsplatz von 2 bis 4 km mit 1 Stundenlohn

von 4 bis 7 km mit 1 1/2 Stundenlöhnen und

von mehr als 7 km mit dem Lohn für die tatsächlich aufgewendete

Wegzeit, jedoch mindestens 1 1/2 Stundenlöhne.

X. VERDIENSTBEGRIFF

Verdienst ist der Arbeitslohn, bei leistungsbezogenen Entgelten gemäß § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG - ausgenommen Pauschalentlohnung auf Montage- und Baustellen - deren 13-Wochendurchschnitt. Bei Wächtern, Portieren, Chauffeuren und Beifahrern ist im Falle einer vereinbarten längeren Wochenarbeitszeit diese zugrunde zu legen.

In den Verdienst sind einzubeziehen:

Schmutz-, Erschwernis-, Gefahren-, Montage-, Schichtund Nachtarbeitszulagen sowie Vorarbeiterzuschlag, soweit sie in den letzten 13 Wochen vor Anfall des Anspruches ständig bezahlt wurden.

XVII. URLAUB UND URLAUBSZUSCHUSS

.......

5. Der Arbeitnehmer hat einmal in jedem Kalenderjahr zum

gesetzlichen Urlaubsentgelt Anspruch auf einen Urlaubszuschuß.

Dieser Urlaubszuschuß beträgt ohne Rücksichtb auf die Dauer der

Betriebszugehörigkeit 4 1/3 Wochenverdienste.

.......

Berechnung des Urlaubsgeldes und Urlaubszuschusses.

11. Die Berechnung des Urlaubsentgeltes erfolgt nach den

Bestimmungen des Bundesgesetzes betreffend die Vereinheitlichung des

Urlaubsrechtes und die Einführung einer Pflegefreistellung (BGBl

Nr 390/76) und des Generalkollektivvertrages vom 22.Februar 1978

über den Begriff des Entgeltes gemäß § 6 UrlG.

Die Berechnung des Urlaubszuschusses erfolgt nach den Bestimmungen

über den Verdienstbegriff (Abschnitt X).

.......

XVIII. WEIHNACHTSREMUNERATION

1. Alle am 1.Dezember beschäftigten Arbeitnehmer haben Anspruch auf

eine Weihnachtsremuneration im Ausmaß von 4 1/3 Wochenverdiensten

.......

Berechnung der Weihnachtsremuneration

7. Die Berechnung der Weihnachtsremuneration erfolgt nach der

Bestimmung über den Verdienstbegriff (Abschnitt X).

......."

Die klagende Partei begehrt die Feststellung, daß die Wegzeitvergütung gemäß Abschnitt VII Z 6 (offenbar richtig VIII Z 6 und 7) des Kollektivvertrages Arbeitslohn im Sinn des Abschnittes X - Verdienstbegriff - sei und in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Urlaubszuschusses gemäß Abschnitt XVII und der Weihnachtsremuneration gemäß Abschnitt XVIII einzubeziehen sei. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Wegzeitvergütung werde dafür geleistet, daß der Dienstnehmer außerhalb der Normalarbeitszeit den Weg zur Baustelle zurücklege. Die Wegzeitvergütung sei daher echter Arbeitslohn im Sinn des Abschnittes X KV.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge, wobei es im wesentlichen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes beitrat.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Einen Widerspruch in der Begründung des bekämpften Urteils vermeint die Revisionswerberin darin zu erblicken, daß einerseits ausgeführt werde, es sei ausschließlich auf die zwischen den Kollektivvertragsparteien getroffenen, für den gegenständlichen Fall anzuwendenden Vereinbarungen Bedacht zu nehmen, und das Berufungsgericht andererseits die analoge Anwendung von Teilen der Begründung einer Vorentscheidung des Obersten Gerichtshofes bejahe, die sich mit der Auslegung eines anderen Kollektivvertrages auseinandersetze. Ein Widerspruch ist jedoch in der Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht zu erkennen. Für die Entscheidung der strittigen Frage ist ausschließlich von den Bestimmungen des hier maßgeblichen Kollektivvertrages auszugehen. Dies steht aber einem Zurückgreifen auf grundsätzliche Auslegungskriterien, die in anderen Fällen für die Interpretation von kollektivrechtlichen Normen entwickelt wurden, nicht entgegen. Nur in diesem Sinn sind jedoch die Ausführungen der angefochtenen Entscheidung zu verstehen. Zutreffend weist die beklagte Partei darauf hin, daß durch den am 19.April 1987 kundgemachten Kollektivvertrag die früher in Geltung gestandenen Bestimmungen des Abschnittes X bezüglich der Berücksichtigung von Überstunden weggefallen sind und hinsichtlich des für Überstunden zu leistenden Entgeltes eine andere Regelung getroffen wurde. Da es sich aber bei der hier in Frage stehenden Wegzeitvergütung nicht um Überstundenentlohnung handelt, kommt dem für den vorliegenden Fall weiter keine Bedeutung zu. Gemäß Abschnitt XVII Z 5 KV hat der Arbeitnehmer einmal in jedem Kalenderjahr zum gesetzlichen Urlaubsentgelt Anspruch auf einen Urlaubszuschuß. Dieser Urlaubszuschuß beträgt ohne Rücksicht auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit 4 1/3 Wochenverdienste. Die Berechnung des Urlaubszuschusses wie auch der im Dezember zu leistenden Weihnachtsremuneration (Abschnitt XVIII Z 1) erfolgt nach der Bestimmung über den Verdienstbegriff des Abschnittes X (Abschnitt XVII Z 11, Abschnitt XVIII Z 7 KV). Nach Abschnitt X ist Verdienst der Arbeitslohn, wobei bei leistungsbezogenen Entgelten ein 13-Wochen-Durchschnitt heranzuziehen ist. In den Verdienst sind verschiedene im Abschnitt X genannte Zulagen und Zuschläge einzubeziehen, sofern sie in den letzten 13 Wochen vor Anfall des Anspruches ständig gezahlt wurden.

Die Revisionswerberin vertritt die Auffassung, daß daraus, daß im Abschnitt X die Einbeziehung verschiedener Zulagen und Zuschläge angeordnet ist, abzuleiten sei, Arbeitslohn im Sinn des ersten Satzes Abschnitt X sei nur der für die Normalarbeitszeit vereinbarte Grundlohn; Erhöhungen des Entgeltes durch Zulagen und Zuschläge seien nur in dem Umfang Verdienst, in dem ihre Einbeziehung in Abschnitt X ausdrücklich angeordnet werde. Da die Wegzeitvergütung in diesem erschöpfenden Katalog nicht aufscheine, sei sie nicht Verdienst im Sinn dieser Bestimmung und sei daher auch bei der Bemessung des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration nicht zu berücksichtigen. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. In dem der Entscheidung 9 Ob A 24/87 zugrundeliegenden Fall war dem Kläger aus Gründen der Abrechnungsvereinfachung stets ein echtes Wegzeitpauschale in Höhe eines Stundenlohnes gewährt worden, gleichgültig ob er Anspruch auf kollektivvertraglich geregelte Wegzeitvergütung hatte oder ob er eine höhere Vergütung beanspruchen hätte können. Es wurde ausgesprochen, daß eine vorbehaltlos und regelmäßig als Bestandteil des Normallohns gezahlte Wegzeitvergütung jedenfalls auch durch den Verdienstbegriff des Abschnittes X KV gedeckt sei. Die Frage, ob in anderen Fällen, in denen die Wegzeitvergütung nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abschnittes VIII Z 7 gewährt wird, diese Leistung ebenfalls dem Verdienstbegriff des Abschnittes X unterliege, stand dort nicht zur Entscheidung.

Die Regelung des Kollektivvertrages läßt keinen Zweifel daran, daß mit der Wegzeitvergütung nicht etwa ein mit der Arbeitsleistung verbundener finanzieller Aufwand ersetzt wird, sondern eine von den tatsächlichen Aufwendungen völlig unabhängige, allein nach der Dauer der zeitlichen Inanspruchnahme bemessene Vergütung für die Bereitstellung der Arbeitskraft geleistet werden soll. Damit ist aber die Wegzeitvergütung auch, soweit sie für außerhalb der Normalarbeitszeit zurückgelegte Wegzeiten gewährt wird, als Arbeitslohn zu qualifizieren. Eine Einschränkung des Begriffes Arbeitslohn in dem von der beklagten Partei gewünschten Sinn, daß nämlich darunter nur der für die Normalarbeitszeit gebührende Lohn zu verstehen wäre, läßt sich aus dem Kollektivvertrag nicht ableiten, zumal eine weitere Einschränkung (etwa "Grundlohn") nicht vorgenommen wird. Auch daraus, daß Abschnitt X im weiteren die Einbeziehung verschiedener Zulagen in den Verdienstbegriff anordnet, kann das von der beklagten Partei vertretene Ergebnis nicht abgeleitet werden. Abschnitt IX KV regelt die Entlohnung durch Festsetzung des für die einzelnen Lohngruppen gebührenden Stundenlohnes, während Zulagen und Zuschläge im Abschnitt XIV behandelt werden. Ohne besondere Regelung könnte es zumindest zweifelhaft sein, ob dem Verdienstbegriff des Abschnittes X KV der in seinem ersten Satz auf den "Arbeitslohn" abstellt, nur die Entlohnung im Sinn des Abschnittes IX KV oder das Gesamtentgelt einschließlich der gesondert von der Entlohnung geregelten Zulagen und Zuschläge zu unterstellen ist. Der 3. Absatz des Abschnittes X KV trägt dieser Problematik Rechnung, indem er die Einbeziehung der dort genannten Zulagen und Zuschläge in den Verdienstbegriff anordnet; er beinhaltet aber andererseits eine Einschränkung dahin, daß eine Berücksichtigung nur dann zu erfolgen habe, wenn diese Leistungen während des bezeichneten Beobachtungszeitraumes regelmäßig bezahlt wurden. Für Wegzeiten außerhalb der Arbeitszeit gebührt jedoch der Grundlohn ohne Zulagen und Zuschläge. Diese Leistung ist daher Arbeitslohn im Sinn des Abschnittes X erster Satz KV und als Verdienst im Sinn dieser Bestimmung bei der Berechnung des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration zu berücksichtigen. Der gegenteiligen, in den zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vertretenen Ansicht kann aus diesen Gründen nicht beigetreten werden.

Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte