OGH 11Os14/89

OGH11Os14/8921.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Februar 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Tegischer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herbert M*** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 13. Dezember 1988, GZ 5 Vr 1.639/88-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung (wegen Strafe) werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert M*** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs. 1 StGB und des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach dem § 212 Abs. 1 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes) sowie des Vergehens der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB (Punkt 2) schuldig erkannt.

Die Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 3, 5 und 5 a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und mit einer Berufung wegen Schuld.

Rechtliche Beurteilung

Wenn die Beschwerde zunächst vermeint, daß die formlose Niederschrift der Angaben der Tatopfer Sonja T*** und Manuela G***, der beiden unmündigen außerehelichen Kinder des Angeklagten, im Polizeibericht im Hinblick auf eine auf § 152 Abs. 1 Z 1 StPO gestützte, vor Gericht in Anspruch genommene Befreiung von der Zeugenpflicht nicht hätten verlesen und unter der Nichtigkeitssanktion des § 281 Abs. 1 Z 3 StPO nicht hätten verwertet werden dürfen, ist zunächst darauf zu verweisen, daß sich nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls weder der Angeklagte noch die Verteidigerin gegen die Verlesung der in der Anzeige der Bundespolizeidirektion Klagenfurt enthaltenen Berichte verwahrten und insbesonders auch keine Entscheidung des Senates über die Zulässigkeit der von ihnen - allenfalls bereits in diesem Stadium des Verfahrens - unerwünschten Verlesung begehrten (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO2 E 6, 7 zu § 281 Abs. 1 Z 4 StPO). Überdies sind Berichte von Sicherheitsdienststellen nicht als nichtige Vorerhebungs- oder Voruntersuchungsakte anzusehen. Die taxative Aufzählung jener Vorschriften im § 281 Abs. 1 Z 3 StPO, deren Beobachtung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt, enthält kein Verbot der Verlesung solcher Polizeiberichte. Eine derartige Verlesung im sicherheitsbehördlichen Verfahren zustandegekommener Aktenteile verstößt auch (an sich noch) nicht gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens im Sinn des Art. 6 EMRK

(vgl. RZ 1987, S 227, JBl. 1987, 798, JBl. 1988, S 596 ff = RZ 1988,

S 68 = EvBl. 1988/89, S 408).

Dies gilt ebenso für die in Erfüllung der Verpflichtung zur Erforschung der materiellen Wahrheit (vgl. §§ 3, 96, 232 Abs. 2, 294 StPO) vorgenommene, von der Beschwerde gerügte erstgerichtliche Verwertung der Aussagen der mittelbaren Zeugen Rosa W*** und Hildegard I***.

Die weitere Beschwerdebehauptung, daß eine Verlesung der den Bericht über die Angaben der Tatopfer enthaltenden Anzeige im übrigen gar nicht stattgefunden habe, steht im Widerspruch zum Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls, dessen (allfällige) Berichtigung vom Beschwerdeführer nicht begehrt wurde. Zudem könnte eine unzureichende Verlesung nur unter den Voraussetzungen des § 281 Abs. 1 Z 4 StPO gerügt werden.

Entgegen der Mängelrüge (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO) liegt auch kein formeller Begründungsmangel des Ausspruches über entscheidende Tatsachen vor.

Weder bedurfte es in Anbetracht der festgestellten Nötigung der beiden Kinder des Angeklagten zur Verschweigung der Vorfälle der näheren Erörterung der Aussage der Hermine T***, daß ihr von ihren Töchtern keine Mitteilung über Unzuchtshandlungen (des Angeklagten) gemacht wurde, noch war eine eingehendere Auseinandersetzung mit dem außergewöhnlich umfangreichen, detaillierten und faktenweise differenzierenden Gutachten des Sachverständigen Dr. S*** geboten (siehe auch die ergangenen Freisprüche). Dieser Sachverständige hatte zwar, worauf die Beschwerde (allerdings unter Negierung wesentlicher Teile des Zitats) Bezug nimmt, (nur) in seinem schriftlichen Gutachten am Rande erwähnt (S 247), daß bei Sonja T*** eventuell eine Tendenz bestehe, sich mit sexuellen Dingen vor Altersgenossen wichtig zu machen, damit jedoch in keiner Weise - ebensowenig wie in seinen sonstigen Ausführungen - die Möglichkeit einer Pseudologie, vor allem gegenüber vernehmenden (erwachsenen) Personen zum Ausdruck gebracht.

Was in der Beschwerdeschrift zum Nichtigkeitsgrund der Z 5 a des § 281 Abs. 1 StPO ausgeführt wird, erschöpft sich zum Teil in der Wiederholung der Argumentation zu den bereits erörterten Rügen und vermag auch an sich - nach sorgfältiger Prüfung der Aktenlage - keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem relevierten Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Demgemäß war die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO als offenbar unbegründet bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen. In gleicher Weise war mit der vom Angeklagten angemeldeten "Berufung wegen Schuld" zu verfahren, weil ein derartiges Rechtsmittel gegen das Urteil eines Schöffengerichtes im Gesetz nicht vorgesehen ist.

Über die Berufung (wegen Strafe) wird demnach das Oberlandesgericht Wien zu befinden haben (§ 285 i StPO). Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

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