OGH 1Ob665/88

OGH1Ob665/887.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf W***, Viehhandel, 3142 Perschling 33, vertreten durch Dr. Hans Schönherr, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Richard C***, Fleischhauer, Favoritenstraße 178/1/2/10, 1100 Wien, vertreten durch Dr. Norbert Schöner und Dr. Karl J. Grigkar, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 470.664,70 sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16. Juni 1988, GZ 1 R 100/88-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 4.Dezember 1987, GZ 36 Cg 29/87-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 15.307,05 (darin enthalten S 1.391,55 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war ebenso wie Walter L*** Gesellschafter und selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der prot. Firma C*** & L*** Gesellschaft mbH (kurz: GmbH), welche im Fleischzentrum St.Marx einen Großhandel mit Fleisch betrieb. Objektive Zahlungsunfähigkeit dieses Unternehmens trat spätestens 1981 ein. Beide Geschäftsführer hätten bei Anwendung entsprechender kaufmännischer Sorgfalt den Eintritt der dauernden und unbehebbaren Zahlungsunfähigkeit spätestens in der zweiten Jahreshälfte 1982 erkennen müssen. Im Februar 1984 stellte der Angestellte der GmbH Gerhard LUX drei Rechnungen mit der Gesamtsumme des Klagebetrages für vom Kläger ordnungsgemäß gelieferte Schweinehälften aus, welche hervorragende Qualität hatten, von beiden Geschäftsführern der GmbH übernommen wurden und zu keinerlei Mängelrügen Anlaß gaben. Über die Rechnungsbeträge wurden Schecks ausgestellt, die sich in der Folge als ungedeckt erwiesen. Die GmbH stellte am 29.2.1984 ihre Tätigkeit ein und wurde im Handelsregister gelöscht. Ein Konkursverfahren über ihr Vermögen wurde trotz zweier am 4.9.1984 bzw. am 30.5.1985 gestellter Konkursanträge mangels kostendeckenden Vermögens nicht eingeleitet.

Der Beklagte wurde im Strafverfahren AZl 12 b E Vr 12.828/84, Hv 5624/85, des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit rechtskräftigem Urteil vom 15.11.1985 des Vergehens der fahrlässigen Krida nach den §§ 159 Abs 1 Z 1 und 2, 161 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er als leitender Angestellter (Geschäftsführer) der Firma C*** & L*** Gesellschaft mbH, Fleischagentur und Fleischhauerei, welche Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, 1.) von 1975 bis 1982 fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit des genannten Unternehmens herbeigeführt habe, indem er es ungeachtet des Mangels von Eigenkapital betrieben, übermäßigen Lohnaufwand getrieben und unverhältnismäßig Kredit benützt habe, all dies unter mangelnder Kontrolle des (bereits vor ihm rechtskräftig wegen des gleichen Deliktes verurteilten anderen) Geschäftsführers Walter L***, und

2.) von der zweiten Jahreshälfte 1982 an bis Ende Februar 1984 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der genannten Gesellschaft fahrlässig die Befriedigung von Firmengläubigern vereitelt und geschmälert habe, indem er unter Fortsetzung des Geschäftsbetriebes neue Schulden eingegangen sei und Schulden bezahlt habe.

Mit Klage vom 12.3.1987 begehrte der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des gesamten Rechnungsbetrages samt Nebengebühren, den er von der GmbH nicht hereinbekommen habe. Die persönliche Haftung des Beklagten ergebe sich aus dessen rechtskräftiger strafgerichtlicher Verurteilung.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wandte mangelnde Passivlegitimation sowie Verjährung des geltend gemachten Anspruches ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, weil dem Kläger der Beweis für den Bestand der Forderung, die Zahlungsunfähigkeit der GmbH und die Nichterfüllung der Forderung gelungen sei. Der Beklagte habe den Entlastungsbeweis, daß der Schaden auch ohne Verletzung des Schutzgesetzes im Sinne des § 1311 ABGB (nämlich § 159 StGB) in gleicher Weise eingetreten wäre, nicht führen können. Der Verjährungseinwand treffe nicht zu, weil die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 für die vorliegende Schadenersatzforderung erst mit Kenntnis des im Strafverfahren erstatteten Sachverständigengutachtens vom 10.7.1985 begonnen habe. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und führte aus: Der Zweck der als Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB anzusehenden Bestimmung des § 159 StGB liege in der Verhinderung von aus dem Eingehen weiterer Schulden nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit entstehenden Schäden im Vermögen aller Gesellschaftsgläubiger. Zu den Pflichten des Geschäftsführers einer Gesellschaft mbH gehöre es, das Unternehmen unter Beachtung aller maßgeblichen Rechtsvorschriften zu leiten, sich stets ein genaues Bild von der Lage des Unternehmens, insbesondere von seiner Liquidität, zu verschaffen und die Maßnahmen zu treffen, die geeignet seien, die Schädigung dritter Personen durch Eingehen neuer Verbindlichkeiten nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit hintanzuhalten. Selbst wenn dem Beklagten eine direkte Einflußnahme auf die Geschäftsgebarung der GmbH nicht zugestanden wäre, habe er den Beweis, daß er seiner Überwachungspflicht nachgekommen sei, nicht erbracht, so daß sein Verhalten nicht nur rechtswidrig im Sinne der genannten Schutznorm, sondern auch ursächlich für den Schadenseintritt gewesen sei. Weil außerdem weder behauptet noch erwiesen sei, daß der Kläger über die finanzielle Gebarung der GmbH Ende Februar 1984, insbesondere über deren Einstellung der Geschäftstätigkeit, Bescheid gewußt habe, sei der Beginn der Verjährungsfrist vom Erstgericht zutreffend mit dem Zeitpunkt zumutbarer Kenntnisnahme des im Strafverfahren erstatteten Gutachtens vom 10.7.1985 angesetzt worden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist nicht gerechtfertigt. Die in der Revision gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nach Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die strafrechtliche Vorschrift über das Vergehen der fahrlässigen Krida nach den §§ 159 Abs 1 Z 1 und 2, 161 Abs 1 StGB ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB zugunsten aller durch die nicht rechtzeitige Konkurseröffnung geschädigten Gläubiger (WBl 1988, 58 mwH). Diese Vorschrift schützt auch und gerade die sogenannten Neugläubiger, die erst nach dem Zeitpunkt, ab welchem die Antragstellung auf Konkurseröffnung oder die sorgfältige Betreibung des Ausgleichsverfahrens schuldhaft unterlassen wurde, somit ab der materiellen Konkursreife des Unternehmens mit dem späteren Gemeinschuldner kontrahieren (WBl 1988, 58 mwH). Zu den durch eine vom Beklagten behauptete Geschäftsverteilung zwischen mehreren Geschäftsführern einer Gesellschaft mbH nicht dispensablen Einzelpflichten jedes Geschäftsführers zählt die Pflicht zur rechtzeitigen Anmeldung eines Insolvenzverfahrens (WBl 1988, 58; GesRZ 1982, 56; SZ 52/116). Über die strafrechtswidrige Verletzung dieser Pflichten durch den Beklagten liegt ein die Zivilgerichte gemäß § 268 ZPO bindendes Strafurteil vor. Die Grundlage der deliktischen Haftung des Beklagten ist daher im Sinne der zutreffenden Ausführungen beider Vorinstanzen gegeben. In der Revision kommt der Beklagte im übrigen lediglich auf den in den Vorinstanzen erhobenen Verjährungseinwand zurück. Den Vorinstanzen ist aber darin beizupflichten, daß dem Kläger mangels besonderer Fachkunde oder erwiesener Kenntnis der Schadenersatzgrundlagen das Verschulden des Beklagten erst im Zeitpunkt der möglichen Kenntnisnahme des im Strafverfahren erstatteten Gutachtens vom 10.7.1985 über die Insolvenzvoraussetzungen der GmbH und die für deren Geschäftsführer, damit auch den Beklagten, mögliche Kenntnis dieser Voraussetzungen bekannt wurde; erst von diesem Zeitpunkt an begann die Verjährungsfrist zu laufen (WBl 1987, 66; SZ 56/36 ua). Der Klagsanspruch war daher im Zeitpunkt der Klagseinbringung noch nicht verjährt. Auf eine allfällige Verjährung der Forderung gegen die GmbH kommt es für den vorliegenden Schadenesatzanspruch gegen deren Geschäftsführer nicht an.

Da gegen die Höhe des ihm auferlegten Schadenersatzes vom Beklagten in der Revision nichts vorgetragen wird, ist das angefochtene Urteil des Berufungsgerichtes zu bestätigen. Die Revisionskostenentscheidung beruht auf den §§ 41 ud 50 ZPO.

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