Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 16.Juni 1923 geborene Pensionist Michael Josef A*** wurde des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und 2, zweiter Fall, StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 27.Jänner 1988 in Apetlon der Anna W*** durch einen Stich mit einem Küchenmesser gegen das Herz eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zugefügt, was deren Tod zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a, "9" und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen lernte der Angeklagte Anna W*** Anfang 1986 kennen und bemühte sich um sie, doch die Frau wollte zunächst von ihm nichts wissen, erlaubte ihm aber dann doch, sie zu besuchen und verbrachte auch Ende 1987 die Silvesternacht mit ihm und einem befreundeten Ehepaar. Sexuelle Beziehungen zum Angeklagten lehnte sie jedoch stets ab. Der Beschwerdeführer hingegen dachte, W*** wäre die richtige Frau für ihn. Nach dem 14.Jänner 1988 besuchte der Angeklagte Anna W*** in deren Wohnung; als im Fersehen eine erotische Darstellung gezeigt wurde und der Angeklagte dazu eine anzügliche Bemerkung machte, wurde er von W*** aus dem Haus gewiesen. Am Nachmittag des 26. Jänner 1988 versuchte der Angeklagte erfolglos, die Frau anzurufen und ersuchte schließlich gegen 17 Uhr 45 Johanna K***, mit ihm zu Anna W*** zu fahren, obwohl bei einem vom Angeklagten noch zuvor veranlaßten Telephongespräch W*** der K*** erklärt hatte, vom Angeklagten nichts mehr wissen zu wollen, weil sie nunmehr einen anderen Freund habe. Als der Beschwerdeführer gegen 22 Uhr desselben Tages erfuhr, daß sich Anna W*** im Schenkhaus P*** aufhalte, begab er sich deshalb ebenfalls dorthin. W*** war bei seinem Eintreffen bereits erheblich alkoholisiert und aggressiv, belästigte anwesende Gäste und riß schließlich den neben ihr sitzenden Franz W*** zu Boden. Daraufhin erklärte der Angeklagte letzterem, er hätte sich ein solches Verhalten der W*** nicht gefallen lassen, ihm könne so etwas nicht passieren; zu Josef K*** meinte er, wenn W*** das mit ihm mache, steche er sie ab, wobei er ein Messer aus dem Stiefelschaft zog; er nahm es dann jedoch hin, als sich Anna W*** auch ihm gegenüber aggressiv und ausfällig verhielt. Der Angeklagte und Anna W*** verließen als letzte Gäste nach Mitternacht das Schenkhaus. Das Angebot des Angeklagten, sie mit dem Kraftwagen nach Hause zu bringen, lehnte Anna W*** "derb" ab und fuhr allein mit ihrem Fahrrad heim. Der mäßig alkoholisierte Angeklagte suchte zunächst mit seinem VW-Bus ein anderes Gasthaus auf, das jedoch geschlossen war, und kam schließlich zum Haus der Anna W***, wo er sein Fahrzeug parallel zum Gehsteig parkte. Er entschloß sich nun, die beträchtliche Alkoholisierung der Anna W*** auszunützen, um sich ihr neuerlich sexuell zu nähern. In der Folge kam es vor dem Haus Quergasse 80 zwischen den beiden zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf W*** gegen die linke Schiebetür des Fahrzeuges trat. Der Angeklagte war durch die neuerliche derbe Abweisung nicht nur enttäuscht und gekränkt, sondern auch zornerfüllt. Um seinen Stolz und sein Ehrgefühl wiederherzustellen, faßte er nunmehr den Vorsatz, der Anna W*** durch einen Messerstich einen Denkzettel zu verpassen, der seiner schon im Laufe des Abends bekundeten Vorstellung vom "Abstechen" entsprach. Dabei war seine Absicht darauf gerichtet, Anna W*** schwer zu verletzen, jedoch nicht zu töten. Er zog daher sein Messer und führte gegen den Körper der Anna W*** einen kräftigen gradlinigen Stich, der wenige Minuten später deren Tod zur Folge hatte.
In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte einerseits bestritten, der Anna W*** einen Messerstich versetzt zu haben (II S 130, 131), andererseits aber doch zugegeben, sie (mit dem Messer) "gestupft" zu haben (II S 131). Das Gericht erachtete in diesem Zusammenhang die Verantwortung des Angeklagten anläßlich des Lokalaugenscheins am 29.Jänner 1988 (I S 114) als richtig, er habe das Messer mit einer raschen Bewegung nach oben gegen den Oberkörper der Anna W*** gedrückt (II S 191/192); seine Behauptung, er habe die W*** mit dem Messer nur "gestupft", hielt es im Hinblick auf den laut gerichtsmedizinischem Gutachten für die Verursachung einer derartigen Verletzung notwendigen Kraftaufwand (15 Kilopond) für widerlegt (II S 192).
Daß der Beschwerdeführer dabei in der Absicht handelte, Anna W*** schwer zu verletzen, begründete das Gericht damit, daß er kurz vorher von der Frau gedemütigt worden war; ferner mit seinem der Tat vorangegangenen Verhalten: habe er sich doch am Tag vor der Tat immer wieder mit seinem Messer beschäftigt, es abgezogen und es bei Nennung des Namens seines vermeintlichen Nebenbuhlers und danach gleich noch einmal gezogen sowie im Schenkhaus vom Abstechen der Anna W*** gesprochen, mit der er schon seit längerem geschlechtlich verkehren wollte; ein solches Vorhaben sei damals durch ständige telephonische Anrufversuche und ordinäre Reden zu Tage getreten. All dies habe letztlich nach Meinung des Schöffensenats dazu geführt, daß der Angeklagte auf die neuerliche Abweisung durch einen gezielt gegen den Körper der Anna W*** gerichteten Stich reagiert habe, den er in der Absicht geführt habe, die Frau schwer zu verletzen (II S 193 f). Seine Darstellung, er sei von der später Getöteten mit einer Schaufel und einem Rechen angegriffen worden, hielten die Tatrichter schon deshalb für unglaubwürdig, weil bei lebensnaher Betrachtung eine schwer alkoholisierte Person (wie W***) sich nur eines Werkzeuges bedient hätte (II S 192). Eine Notwehrsituation erachtete das Erstgericht auch unter der Annahme, daß die Kratzer am Kraftfahrzeug einem Gartengerät zuzuordnen seien, als nicht gegeben, weil Anna W*** nur gegen das Fahrzeug getreten habe, der Angeklagte selbst indes keine Verletzungen aufwies (II S 194). Die Mängelrüge (Z 5) erblickt einen unlösbaren Widerspruch in den Urteilsannahmen, daß einerseits Anna W*** während des ganzen Abends aggressiv und irrational gehandelt habe, andererseits aber ein "Rollentausch" stattgefunden habe (indem der Beschwerdeführer dann seinerseits die Frau mit dem Messer angegangen sei). Die Rüge übergeht jedoch die Konstatierung, daß der Angeklagte durch die ihm unmittelbar vor der Tat widerfahrene derbe Abweisung enttäuscht, gekränkt und zornerfüllt war und erst daraufhin den Vorsatz faßte, durch "einen Messerstich der W*** einen Denkzettel .... zu verpassen" (II S 187 f).
Statt einen Begründungsfehler näher zu konkretisieren, begnügt sich die Mängelrüge (Z 5) mit einem Hinweis auf das Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5 a). In dieser wird die (im übrigen eingehend begründete, II S 190 f) Schlußfolgerung des Gerichts, daß Anna W*** vor dem Eintreffen des Angeklagten in ihrer Wohnung war, deshalb als aktenwidrig gerügt, weil dieser Konklusion die Aussagen der Zeugen Michael L*** und Johann A*** entgegenstünden. Damit wird aber nur die Beweiswürdigung des Gerichts in einem irrelevanten Detail bekämpft, aber keine Aktenwidrigkeit in einem entscheidungswesentlichen Punkt aufgezeigt.
Der Vorwurf einer unzureichenden Begründung wird nicht näher substantiiert und ist daher einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich. Die nur ganz allgemeine Verweisung auf die Tatsachenrüge versagt, weil daraus nichts zu entnehmen ist, was als ein Hinweis auf einen Begründungsmangel aufgefaßt werden könnte. Die Tatsachenrüge (Z 5 a) vermag ihrerseits keine aktenkundigen Umstände aufzuzeigen, die geeignet wären, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Gegen die Annahme des Erstgerichtes, wonach der Beschwerdeführer der Anna W*** in der Absicht, sie schwer zu verletzen, einen Messerstich versetzt habe, werden Einwendungen erhoben, die im Ergebnis nur darauf abzielen, einzelne Verfahrensresultate umzudeuten, die Beweiskraft der Argumentation des Erstgerichts in Zweifel zu ziehen und der leugnenden Verantwortung des Angeklagten zum Durchbruch zu verhelfen. Die Beschwerde verkennt dabei, daß sich eine an die Aktenlage gebundene Geltendmachung von Bedenken gegen im Urteil angenommene entscheidende Tatsachen keineswegs in dem Vorbringen erschöpfen darf, daß das Erstgericht Beweisergebnisse bedenklich gewürdigt habe; solches liefe nämlich auf eine auch unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 a unzulässige Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung hinaus (NRsp 1988/296). So übergeht die Tatsachenrüge etwa mit ihrem Vorbringen, die Aussagen der Zeugen Werner K*** und Johann F***, nach welchen am VW-Bus des Beschwerdeführers Spuren vorgefunden wurden, die von einem Rechen stammten (II S 150 und 154), seien mit den Urteilsfeststellungen nicht in Einklang zu bringen, daß das Erstgericht dies ohnehin erörtert hat (II S 188 und S 194), dennoch aber zum Schluß gelangt ist, daß angesichts der übrigen Beweislage eine Notwehrsituation zu verneinen sei (II S 194). Argumentativ hat es der Senat letztlich als äußerst unwahrscheinlich bezeichnet, daß Anna W*** die nach der Darstellung des Angeklagten angeblich mitgeführten Gartengeräte nach der erlittenen Stichverletzung noch von der Straße in den Hofraum gebracht und dort ordentlich versorgt habe (II S 191), wie es übrigens, der Beschwerde zuwider, aus der im Akt erliegenden Sachverhaltsmappe (ON 42 im Band I, insbesonders Bild Nr. 2 mit Legende) hervorgeht. Auch der Vorwurf, es sei unberücksichtigt geblieben, daß der Aussage des Zeugen F*** zufolge die Kleiderabdruckspuren am VW-Bus auch vom Angeklagten stammen könnten, geht fehl, weil der genannte Zeuge eine solche Möglichkeit mit dem Hinweis, daß die Jacke des Beschwerdeführers "an und für sich sauber war" (II S 155), unmißverständlich ausgeschlossen hat. Der Beschwerdeeinwand, das Erstgericht habe ("obwohl .... aus den Beweisergebnissen ableitbar") rechtsirrtümlich (Z "9") nicht festgestellt, daß für den Angeklagten eine Notwehrsituation bestand und daß möglicherweise nur Fahrlässigkeit oder, weil er sich auf den Raufhandel einließ, "eine Qualifikation nach § 86 StGB" anzunehmen sei, nicht vom Urteilssachverhalt aus und bringt so den materiellen Nichtigkeitsgrund nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung. Die Sanktionsrüge (Z 11) gemängelt, daß das Erstgericht den Strafzumessungsgründen nicht das richtige Gewicht beigemessen bzw. mildernde Umstände übersehen habe. Damit wird indes sachlich ein Berufungsvorbringen erstattet, das nur in Erledigung dieses Rechtsmittels Beachtung finden kann.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Zur Entscheidung über die Berufung waren die Akten dem dafür zuständigen Oberlandesgericht Wien zuzuleiten (§ 285 i StPO).
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