Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung
Der Minderjährige ist der uneheliche Sohn des Rechtsmittelwerbers und der Maria O***, die am 17.10.1986 bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückte. Seither befindet sich der Minderjährige beim Vater und dessen Ehefrau. Mit Beschluß vom 13.7.1987 (ON 20) wurde der Vater zum Vormund bestellt. Das Kind erhielt durch Namensgebung auch den Familiennamen des Vaters. Das Erstgericht wies den Antrag der mütterlichen Großmutter auf Besuchsrechtsregelung ab. Nach seinen Feststellungen wurde das Kind zu Lebzeiten der Mutter von der mütterlichen Urgroßmutter betreut, weil die Mutter und auch die mütterliche Großmutter berufstätig waren. Die mütterliche Urgroßmutter gab dem Kind auch Tee mit Rum zu trinken. Der Vater hat kurz vor dem Unfall der Mutter geheiratet. Der Minderjährige schloß sich an die Ehefrau des Vaters Ursula K*** intensiv an. Bei Übernahme der Pflege und Erziehung durch den Vater war er körperlich und geistig unterentwickelt, hatte einen unterdurchschnittlichen Wortschatz, litt an Asthma, das zumindest teilweise psychische Ursachen hatte, und mußte erst an abwechslungsreiche Kost gewöhnt werden. Der letzte Besuch des Minderjährigen bei seiner mütterlichen Großmutter fand im Winter 1986/87 statt. Das Kind wurde trotz erheblichen Minusgraden damals ohne Kopfbedeckung zurückgebracht. Er sagte danach zur Mutter der Ursula K*** "Du bist nicht meine richtige Großmutter, ich brauche Dir nicht zu folgen". Wegen der ständigen Besuche der Verwandten der Mutter, bei denen sie sich jedoch nicht um das Kind kümmerten, und wegen der Streitigkeiten zwischen diesen, in die das Ehepaar K*** einzubeziehen versucht wurde, übersiedelte das Ehepaar K*** im April 1987 von Velden nach Linz. Wegen seines Entwicklungsstandes wurde der Minderjährige vom Schulbesuch zurückgestellt und besuchte vorerst die Vorschule. Derzeit ist er in der ersten Klasse Volksschule. Obwohl er keine Asthmaanfälle mehr hat, ist er nur gering belastbar. Er hängt überstark an seiner Stiefmutter, zeigt Angst um sie und gerät in Panik, wenn er sie kurzfristig aus den Augen verliert. Der Vater und seine Ehefrau sind der Ansicht, daß der Minderjährige noch nicht so weit entwickelt ist, daß er den seelischen Belastungen eines Besuches oder einer Abwesenheit von seiner Stiefmutter standhält und daß er mit Verunsicherung reagieren würde. Ein Kind, das unter solchen Voraussetzungen seine Großmutter sieht, ist extremen psychischen Belastungen ausgesetzt. Zeigt es der Großmutter, daß es sie liebt und sich über das Wiedersehen freut, muß es fürchten, die Eltern zu verletzen. Die Kinder stehen in solchen Situationen extrem unter Druck, weil sie der Situation wehrlos ausgeliefert sind. Nach solchen Belastungen reagieren viele Kinder mit Verhaltensstörungen.
Nach der Ansicht des Erstgerichtes sei das Besuchsrecht der Großeltern ein schwächeres als das der Eltern. Für die Frage der Gewährung eines Besuchsrechtes der Großeltern sei das Wohl des Kindes vorrangig. Durch die Ausübung des Besuchsrechtes der Großeltern dürfe weder die Ehe noch das Familienleben der Eltern oder deren Beziehung zum Kind gestört werden. Im vorliegenden Fall seien die Differenzen und Spannungen zwischen dem Vater und der mütterlichen Großmutter so schwer, daß dadurch die ruhige Entwicklung des Kindes gestört werden könnte.
Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß ab und regelte das Besuchsrecht der mütterlichen Großmutter dahin, daß diese berechtigt ist, den Minderjährigen am letzten Sonntag der Monate März, Juni, September und November jeweils von 9 bis 18 Uhr zu sich zu nehmen. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß auch den Großeltern ein Besuchsrecht nur ausnahmsweise und aus besonders schwerwiegenden Gründen versagt werden dürfe. Nur triftige Umstände, die die seelische oder körperliche Gesundheit des Kindes konkret gefährdeten, könnten zur gänzlichen Entziehung des Besuchsrechtes führen. Die Tatsache, daß sich der Vater mit der mütterlichen Großmutter nicht verstehe, reiche nicht aus, der mütterlichen Großmutter das Besuchsrecht gänzlich zu versagen. Würdige man die vom Erstgericht festgestellte Entwicklung des Kindes und die Lebensverhältnisse des Vaters und der Großmutter, so sei nicht zu erkennen, daß die Zukunftserwartungen des Kindes durch Untersagung des Besuchsrechtes entscheidend verbessert würden. Da das Kind bereits die Schule besuche, sei es an den Umgang mit Personen außerhalb der engsten Familie gewöhnt. Anhaltspunkte für eine Störung des Familienlebens des Vaters seien nicht vorhanden. Da der Vater nunmehr schon über 1 1/2 Jahre in Linz wohnhaft sei, könne davon ausgegangen werden, daß allfällige Differenzen mit der mütterlichen Großmutter inzwischen abgeklungen seien. Hinzu komme, daß sich die mütterliche Großmutter bewußt sei, durch eine allfällige negative Beeinflussung des Kindes ihre Lage in Zukunft zu verschlechtern. Dies gelte auch für die körperliche Betreuung des Kindes während der Besuchszeit. Der Vorwurf, dem Kind Tee mit Rum gegeben zu haben, treffe die mütterliche Urgroßmutter. Was den psychischen Druck auf das Kind betreffe, der als Folge des Besuchsrechtes vom Erstgericht angenommen worden sei, könne auf die Pflicht des Vaters verwiesen werden, dem Kind durch entsprechende Einflußnahme den Eindruck zu vermitteln, daß die Besuchstage der mütterlichen Großmutter ein positives Ereignis seien. Da ein pflichtgemäßes Verhalten aller Beteiligten erwartet werden könne, entspräche das Besuchsrecht im festgesetzten Ausmaß dem Wohl des Kindes.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist berechtigt.
Zutreffend ist das Rekursgericht zwar davon ausgegangen, daß die Beurteilung der Frage, ob und in welchem Ausmaß den Großeltern ein Besuchsrecht zusteht, in erster Linie vom Wohl des Kindes abhängt (EFSlg.33.527; EvBl.1979/32 uva). Eine Besuchsrechtsverweigerung kommt daher dann in Betracht, wenn mit der Ausübung des Besuchsrechtes eine erhebliche seelische Irritation des Kindes verbunden ist, wobei aber bloß abstrakte Befürchtungen in dieser Richtung nicht ausreichen (EFSlg.48.345, 45.767). Im vorliegenden Fall steht aber fest, daß bei dem Minderjährigen ein Entwicklungsrückstand vorliegt, der Minderjährige nur gering belastbar ist, übermäßig an seiner Stiefmutter hängt und in Angst gerät, wenn diese kurzfristig abwesend ist. Auf der Basis dieser Feststellungen kann nicht gesagt werden, daß die Befürchtungen des Vaters ohne jegliche Grundlage sind. Umgekehrt kann aber aus diesen Umständen noch nicht der Schluß gezogen werden, daß durch die Ausübung eines Besuchsrechtes durch die mütterliche Großmutter, die immerhin in den Lebensbereich des Kindes früher einbezogen war, das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Es ist vielmehr gemäß § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG die Einholung eines kinderpsychologischen Sachverständigengutachtens darüber angezeigt, ob und inwieweit nicht bereits ein Abbau des Entwicklungsrückstandes eingetreten ist und ob durch die Ausübung eines Besuchsrechtes der Großmutter eine erhebliche psychische Irritation des Kindes ernsthaft zu befürchten ist. Erst wenn ein solches Gutachten vorliegt, wird sich abschließend beurteilen lassen, ob in und in welchem Ausmaß der Großmutter ein Besuchsrecht zu gewähren ist.
Demgemäß ist dem Revisionsrekurs des Vaters Folge zu geben.
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