OGH 9ObA304/88

OGH9ObA304/8825.1.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely und Rudolf Hörmedinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A*** DER B*** E*** & CO

Glastechnik Gesellschaft mbH, vertreten durch Dr.Helga K***, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, Linz, Volksgartenstraße 40, diese vertreten durch Dr.Aldo Frischenschlager, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei B*** E*** & CO Glastechnik Gesellschaft mbH, Steyr, Resthofstraße 18, vertreten durch Dr.Horst Koch, Rechtsanwalt in Linz, wegen Anfechtung einer Kündigung (Streitwert 31.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15.September 1988, GZ 13 Ra 97/88-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Arbeits- und Sozialgericht vom 26.Mai 1988, GZ 12 Cga 1032/87-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Parteien haben die Kosten des Revisionsverfahrens jeweils selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Anton W*** war seit 26.Juli 1977 als Glashelfer bei der beklagten Partei beschäftigt. Am 3.Februar 1987 wurde die klagende Partei von der beabsichtigten Kündigung des Anton W*** verständigt. In der Betriebsratssitzung vom 9.Februar 1987 beschloß die klagende Partei, gegen diese Kündigung Widerspruch zu erheben. Dieser Widerspruch wurde der beklagten Partei mitgeteilt. Mit am 11. Februar 1987 zugegangenem Schreiben wurde Anton W*** von der beklagten Partei gekündigt. Anton W*** ersuchte daraufhin die klagende Partei um Anfechtung der Kündigung. Am 12.Februar 1987 beantragte Anton W*** beim Landesinvalidenamt für Oberösterreich die Feststellung, daß er dem begünstigten Kreis der Invaliden angehöre. Mit Bescheid vom 8.Juli 1987 stellte der Invalidenausschuß beim Landesinvalidenamt für Oberösterreich fest, daß Anton W*** ab 1. Februar 1987 dem Kreis der begünstigten Invaliden angehöre und die Höhe seiner Minderung der Erwerbsfähigkeit 50 v.H. betrage. Dieser Bescheid wurde von Anton W*** am 15.Juli 1987 übernommen und ist am 29. Juli 1987 in Rechtskraft erwachsen. Am 31.Juli 1987 beantragte die beklagte Partei beim Landesinvalidenamt für Oberösterreich die nachträgliche Zustimmung zur Kündigung. Mit Bescheid vom 3. Februar 1988 wurde dieser Antrag wegen Unzuständigkeit der angerufenen Behörde rechtskräftig zurückgewiesen.

Mit der am 18.Februar 1987 überreichten Klage begehrt die klagende Partei den Ausspruch, daß die Kündigung des Anton W*** rechtsunwirksam sei. Die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt, weil im Betrieb der beklagten Partei genügend Arbeit vorhanden sei. Die Kündigung treffe Anton W*** härter als die bei der beklagten Partei beschäftigten Leasingarbeiter.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Kündigung sei durch in der Person des Anton W*** gelegene Umstände, die die betrieblichen Interessen nachteilig berührten, gerechtfertigt. Anton W*** habe in den letzten Monaten vor der Kündigung nicht einmal mehr eine durchschnittliche Arbeitsleistung erbracht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß Anton W*** gemäß § 14 Abs 2 dritter Satz InvEG rückwirkend ab 1.Februar 1987 dem Kreis der begünstigten Invaliden nach § 2 Abs 1 InvEG angehöre. Auf die Kündigung eines begünstigten Invaliden seien die Bestimmungen des § 105 Abs 2 bis 6 ArbVG jedoch nicht anzuwenden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es vertrat unter ausdrücklicher Ablehnung der gegenteiligen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtsauffassung, daß es für den Eintritt der Begünstigungen, zu denen auch die beschränkte Kündbarkeit des Invaliden nach § 8 Abs 2 InvEG gehöre, nicht ankomme, ob dem Arbeitgeber die Feststellung der Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Kreis der begünstigten Invaliden vor dem Ausspruch der Kündigung oder erst später bekannt geworden sei; es sei auch ohne Bedeutung, ob bei Ablauf der Kündigungsfrist bereits ein rechtskräftiger Bescheid über die Feststellung der Invalideneigenschaft vorliege. Auf den vorliegenden Fall seien daher nach § 8 Abs 2 letzter Satz InvEG die Bestimmungen des § 105 Abs 2 bis 6 ArbVG nicht anzuwenden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision im Sinne des Aufhebungsantrages Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in den Entscheidungen ZAS 1986/3 sowie Arb. 10.584 = JBl 1987, 398 = RdW 1987, 204 ausgesprochen hat, wurde mit der Ergänzung des § 14 Abs 2 InvEG (nunmehr laut Art I Abs 1 der Novelle BGBl. 721/1988 BEinstG) im Rahmen der Novelle BGBl. 111/1979 klargestellt, daß der Bescheid, mit dem über die Zugehörigkeit einer Person zum Kreis der nach § 2 Abs 1 InvEG begünstigten Invaliden (nunmehr: Behinderten) abgesprochen wird, nur feststellenden Charakter hat, lediglich dem Nachweis der Begünstigung dient und daß die Begünstigungen kraft Gesetzes mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens jedoch mit dem Ersten des Monates, in dem der Antrag eingebracht worden ist, wirksam werden. Aus dieser Fassung vor der erst mit 1. Jänner 1989 in Kraft getretenen und daher auf den vorliegenden Fall noch nicht anwendbaren Novelle BGBl. 721/1988 läßt sich entgegen der Ansicht Steinbauers (ZAS 1986/3) nicht erschließen, daß eine rückwirkende Zuerkennung des besonderen Kündigungsschutzes nur dann Wirkung entfalten könne, wenn der entsprechende Antrag vor Auflösung des Arbeitsverhältnisses gestellt wurde; das Wort "frühestens" kann bei Berücksichtigung des Zusammenhanges, in dem es vom Gesetzgeber gebraucht wurde, nur auf das Zutreffen der Voraussetzungen bezogen werden, nicht aber auf die dort gar nicht erwähnte Auflösungserklärung des Arbeitgebers. Im übrigen wird auch nach der durch die Novelle BGBl. 721/1988 ab 1.Jänner 1989 geschaffenen neuen Rechtslage die Rückwirkung der Antragstellung auf den Monatsersten nicht davon abhängig gemacht, daß sie vor der Auflösungserklärung des Arbeitgebers erfolgt, sondern davon, daß der Antrag unverzüglich nach Eintritt der Behinderung gestellt wird. Zutreffend ist auch die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß es für den Eintritt der mit der Invalideneigenschaft verbundenen Begünstigungen ohne Bedeutung ist, ob der Bescheid über die - rückwirkende - Feststellung der Invalideneigenschaft im Falle der Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch arbeitgeberseitige Kündigung vor oder nach Ablauf der Kündigungsfrist erlassen wird, zugeht oder rechtskräftig wird. Da der Bescheid nicht rechtsgestaltend wirkt, sondern das Bestehen der Invalideneigenschaft ab dem im Bescheid genannten Zeitpunkt lediglich feststellt, löst die nach diesem Zeitpunkt ohne Zustimmung des Invalidenausschusses ausgesprochene Kündigung infolge der den besonderen Kündigungsschutz bewirkenden Invalideneigenschaft das Arbeitsverhältnis nicht auf. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß im § 8 Abs 2 zweiter Satz InvEG (nunmehr BEinstG) für besondere Ausnahmsfälle auch die nachträgliche Zustimmung des Invalidenausschusses zur Kündigung vorgesehen ist.

Da dem Kläger der besondere Kündigungsschutz nach § 8 Abs 2 InvEG (nunmehr BEinstG) bereits ab dem 1.Februar 1987 zukam, sind die Bestimmungen des § 105 Abs 2 bis 6 ArbVG über den allgemeinen Kündigungsschutz - wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben - im vorliegenden Fall nicht anzuwenden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Die Kosten der Revisionsbeantwortung waren der beklagten Partei nicht zuzuerkennen, weil der Oberste Gerichtshof weder dem darin gestellten Antrag noch der darin vertretenen Rechtsauffassung gefolgt ist.

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