Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.172,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.028,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Die Revisionsbeantwortung der Nebenintervenienten wird zurückgewiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei kündigte der Beklagten das von dieser im Hause Rotenturmstraße 29, 1010 Wien, gemietete Geschäftslokal Nr III a zum 30.September 1988 mit der Begründung auf, die Beklagte habe das Mietobjekt zur Gänze weitergegeben, benötige es offenbar in naher Zeit nicht für sich oder eintrittsberechtigte Personen und erhalte außerdem eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung. Die Beklagte erhob dagegen Einwendungen und brachte darin vor, sie habe den im Mietobjekt betriebenen Schuhhandel nach dem Tode ihrer Mutter weiterbetrieben und das Unternehmen mit Zustimmung des Hausverwalters im Oktober 1980 verpachtet. Hiezu sei sie nach dem Mietvertrag berechtigt gewesen.
Das Erstgericht hob die Aufkündigung als rechtsunwirksam auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es stellte fest:
Die klagende Partei ist Eigentümerin des Hauses in der Rotenturmstraße 29, 1010 Wien. Das Geschäftslokal war zunächst von Paul und Karoline G***, den Eltern der Beklagten, zum Betrieb eines Schuhhandels gemietet worden. Den Schuhhandel - daneben wurden auch noch Damenoberbekleidung in Leder und Handtaschen
geführt - betrieben die Mieter seit 1953 unter der Firma G*** & Co in Form einer Kommanditgesellschaft, in welche die Beklagte 1974 als Kommanditistin eintrat und deren persönlich haftende Gesellschafterin sie 1979 wurde. Am 13.Februar 1980 starb Karoline G***, damals noch Kommanditistin, sodaß die Beklagte von nun an Alleininhaberin des unverändert unter derselben Firma geführten Unternehmens war. Nach dem Tode ihrer Mutter führte die Beklagte das Unternehmen bis zu dessen Verpachtung ohne Angestellte und machte keine sehr hohen Umsätze, das Geschäft war jedoch regelmäßig geöffnet und die Beklagte erzielte dabei Einnahmen, von welchen sie leben konnte.
Über ein Zeitungsinserat trat die Zweitnebenintervenientin, die damals in Wien-Landstraße einen Handel mit Kindermoden und Kinderschuhen betrieb, zwecks Pachtung des Unternehmens mit der Beklagten in Kontakt. Da im Mietvertrag eine Verpachtung nicht gestattet war, ersuchte die Beklagte den Hausverwalter um Erweiterung des Bestandzweckes auf den Handel mit Kindermoden. Der Hausverwalter stimmte dem zu und schloß mit der Beklagten am 23. September 1980 einen neuen Mietvertrag über das Geschäftslokal, in dem die Erweiterung des Bestandzweckes und ferner - im Vordruck (§ 6) - festgehalten ist, daß das Bestandobjekt Dritten nicht weitergegeben werden dürfe. Die darin enthaltenen Worte ".... Pachtvertrages u.dgl ...." wurden jedoch gestrichen, weil die Beklagte die Absicht hatte, ihr Unternehmen zu verpachten. Mit Vertrag vom 23.Oktober 1988 verpachtete die Beklagte der Zweitnebenintervenientin den im aufgekündigten Geschäftslokal betriebenen Schuhhandel einschließlich des Inventars ab 1. Oktober 1988 für die Dauer von zehn Jahren gegen einen monatlichen Zins von S 16.000 (zuzüglich Umsatzsteuer). Die Pächterin bestätigte der Beklagten darin, daß sich der Betrieb in gebrauchsfähigem Zustand befinde, erklärte, daß sie über die gewerberechtlichen Voraussetzungen zur Führung des Betriebes verfüge, und verpflichtete sich, das gepachtete Unternehmen für die Dauer des Pachtverhältnisses zu betreiben.
Das Warenlager der Beklagten wurde der Pächterin nicht übergeben, sondern von der Beklagten allmählich abverkauft. Nur Restbestände überließ sie der Pächterin zum freien Verkauf. Vereinbart war auch, daß die Pächterin das Unternehmen aufgrund eigenen Gewerbescheines führen sollte. Mit dem vereinbarten Pachtzins sollte auch der 1988 bereits auf monatlich S 8.700 angestiegene Mietzins der Beklagten abgegolten werden. Das Geschäftslokal war bei Übergabe an die Pächterin in gebrauchsfähigem Zustand eingerichtet. Die Pächterin übernahm auch die Geschäftseinrichtung, erneuerte jedoch etwa ein halbes Jahr später die Geschäftsausstattung, um das Lokal dem Zeitgeist anzupassen. Derzeit verhält sich der Kinderschuhhandel zum Handel mit Kindermoden wie 1 : 4.
Rechtlich meinte das Erstgericht, der von der Beklagten mit der Zweitnebenintervenientin geschlossene Vertrag sei Pachtvertrag. Entscheidendes Kriterium hiefür sei die Betriebspflicht. Daß diese Vertragsbestimmung lediglich eine Leerfloskel sei, sei nicht hervorgekommen. Auch die Unternehmenskontinuität sei gewahrt worden, weil die Beklagte das Geschäftslokal bis zur Übergabe regelmäßig geöffnet gehalten und Umsätze erzielt habe. Sie habe daher ein lebensfähiges Unternehmen mit gebrauchsfähig eingerichtetem Geschäftslokal der Zweitnebenintervenientin übergeben. Daß die Pächterin neben Schuhen nun auch Kinderkleider verkaufe, ändere nichts daran, daß sie in derselben Branche geblieben sei. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, entgegen der Ansicht der klagenden Partei berühre die Umstellung vom Schuhhandel auf den Kinderschuh- und Kindermodenhandel die Unternehmenskontinuität nicht. Die Beklagte habe den Schuhhandel sowie den Handel mit Damenoberbekleidung in Leder betrieben, wogegen die Zweitnebenintervenientin etwa zu 60 % Kinderschuhe und zu 40 % Kinderbekleidung verkauft habe. Trotz dieser weitgehenden Änderung des Warenangebotes sei die Unternehmensidentität, wie Beispiele aus der Rechtsprechung zeigten, zu bejahen. Von einer derart durchgreifenden Branchenverschiedenheit, die den Schluß rechtfertige, daß der Pachtvertrag bloß als Scheingeschäft zur Tarnung eines Untermietverhältnisses geschlossen worden sei, könne daher nicht gesprochen werden. Auch daß die Zweitnebenintervenientin einige Zeit nach der Geschäftsübernahme Stellagen entfernt und das Lokal dem Zeitgeist angepaßt habe, ändere an der Beurteilung des Bestandverhältnisses als Unternehmenspacht nichts, weil Erneuerungen im Geschäftsbetrieb stets erforderlich seien. Nur wenn sich der Gegenstand des Unternehmens wesentlich von dem des Bestandgebers unterscheide und es an für die Überlassung des Unternehmens charakteristischen Merkmalen fehle, sei von der Rechtsprechung Geschäftsraummiete angenommen worden. Unternehmenspacht sei grundsätzlich dann anzunehmen, wenn ein lebendes Unternehmen, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit dem "good will", in Bestand gegeben werde. Das bedeute allerdings noch nicht, daß im Einzelfall alle Merkmale der Unternehmensüberlassung gleichzeitig vorliegen müßten. Fehlten einzelne dieser Merkmale, komme es darauf an, welchen Umständen die größere wirtschaftliche Bedeutung zukomme. Eines der wichtigsten Kriterien der Unternehmenspacht sei die Betriebspflicht als Ausdruck des wirtschaftlichen Interesses des Verpächters an der Weiterführung des Unternehmens. Da der Zweitnebenintervenientin von der Beklagten weder ein Warenlager noch die Gewerbeberechtigung überlassen worden und auch nicht festgestellt sei, daß ein fester Kundenstock übergeben worden sei, komme der Betriebspflicht entscheidende Bedeutung zu. Da die Beklagte der Zweitnebenintervenientin gestattet habe, neben Schuhen Kinderbekleidung zu vertreiben, habe die Beklagte wohl auch ein wirtschaftliches Interesse an der Weiterführung des Unternehmens als Kinderschuh- und Kinderbekleidungsboutique mit dem Vertrieb anderer Waren als bisher gehabt. Daß der Beklagten nach Auflösung des Bestandverhältnisses kein Schuhhandelsunternehmen zurückgestellt würde, rechtfertige keineswegs die Annahme, daß sich die vereinbarte Betriebspflicht nicht auch auf den Kindermodenhandel hätte beziehen können.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Die geltend gemachten Anfechtungsgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sind, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht gegeben (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Nach ständiger Rechtsprechung (MietSlg 39.100; 37.125/7;
32.162/23 uva) kann die Geschäftsraummiete von der Unternehmenspacht nicht nach festen, allgemein anwendbaren Regeln abgegrenzt werden;
maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles. Ist ein lebendes Unternehmen - demnach eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit den dem "good will" zuzurechnenden Unternehmenselementen - Gegenstand des Bestandvertrages, so ist im allgemeinen Unternehmenspacht anzunehmen. Diese Beurteilung setzt aber nicht voraus, daß im Einzelfall neben den Bestandräumlichkeiten stets immer auch alles, was zum Betrieb und wirtschaftlichen Fortbestand des Unternehmens gehört, demnach Warenlager, Geschäftseinrichtung, Gewerbeberechtigung, Kundenstock und dergleichen mitüberlassen werden muß. Der Annahme eines Pachtverhältnisses steht nicht entgegen, daß der Bestandnehmer das Unternehmen aufgrund eigener Gewerbeberechtigung fortführt bzw die Geschäftsausstattung (Warenlager und Einrichtung) nicht bzw nur zum Teil übernimmt (MietSlg 39.100; 32.162/13 bzw 34.206). Fehlen typische Merkmale der Überlassung eines Unternehmens, gibt die wirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Umstände den Ausschlag. Eines der wichtigsten Kriterien der Unternehmenspacht ist die Vereinbarung der Betriebspflicht, in der das wirtschaftliche Interesse des Bestandgebers an der Weiterführung des überlassenen Unternehmens durch den Bestandnehmer zum Ausdruck gelangt (MietSlg 39.100 mwN). Die Vereinbarung über die Betriebspflicht darf allerdings keine Leerfloskel ohne sachliche Grundlage sein.
Bei Bedachtnahme auf diese Grundsätze ist dem Berufungsgericht beizupflichten. Es verwies zu Recht auf die Entscheidung 1 Ob 581/87 (teilweise veröffentlicht in MietSlg 39.100), der ein durchaus vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag. Hier wie dort wurde kein Warenlager übergeben, kein fester Kundenstock festgestellt und das Unternehmen vom Bestandnehmer aufgrund eigener Gewerbeberechtigung fortgeführt; ebenso wie im vorliegenden Fall hat auch der Bestandnehmer dort das Warensortiment weitgehend geändert. Das Gericht zweiter Instanz hat demnach der vereinbarten Betriebspflicht ausschlaggebende Bedeutung zugemessen. Daß an eine längerfristige Verpachtung gedacht war, ergibt sich aus der vereinbarten Pachtdauer von zehn Jahren. Es steht aber keineswegs fest, daß die Beklagte das Geschäft nicht nach Ablauf der Pachtdauer doch selbst wieder weiterzuführen gedachte. Von einer Leerfloskel kann bei der Betriebspflichtvereinbarung demnach nicht gesprochen werden, zumal die Beklagte noch vor Abschluß des Pachtvertrags beim Hausverwalter eine Ausdehnung des Bestandzweckes auf den Handel mit Kindermoden erwirkte und es deshalb auch nicht von der Hand zu weisen ist, daß die Beklagte die Verlagerung des Schwergewichtes des Unternehmens auf Kindermoden unter Ausnützung der günstigen Lage des Geschäftslokales als erfolgversprechende Modifikation ihres Geschäftsbetriebes guthieß. Die Pächterin blieb jedenfalls beim Detailhandel in zum Teil derselben und zum - größeren - Teil verwandter Branche. Unter diesen Umständen kann entgegen der Ansicht der klagenden Partei von einer Kontinuität des Geschäftsbetriebes ausgegangen werden. Daß die Zweitnebenintervenientin das Unternehmen aufgrund eigener Gewerbeberechtigung fortführte, kann schon mit Rücksicht auf die Art des Gewerbes nicht entscheidend sein. Auch daß die Überlassung eines festen Kundenstockes nicht erwiesen ist, kann nicht ausschlaggebend für die Annahme einer Geschäftsraummiete sein. Immerhin war eine für den Schuhhandel bekannte Adresse vorhanden, was gleichfalls Element des "good will" ist.
Haben die Vorinstanzen aber zu Recht das Bestandverhältnis als Unternehmenspacht beurteilt, kann der Revision kein Erfolg beschieden sein, weil die Überlassung des Geschäftslokales dann keinem der geltend gemachten Kündigungsgründe (§ 30 Abs 2 Z 4 MRG) unterstellt werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die Revisionsbeantwortung der beiden Nebenintervenienten war als verspätet zurückzuweisen. Die Rechtsmittelfristen - und damit auch die Fristen für die Gegenschriften - richten sich auch für den Nebenintervenienten ausschließlich nach der Zustellung der betroffenen Entscheidung an die Hauptpartei, selbst wenn der Nebenintervenient erst nach der Urteilsfällung beigetreten ist (SZ 17/99; ZBl 1929/172 uva; Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 404). Die Revisionsschrift wurde der Beklagten bereits am 24.Oktober 1989 zugestellt, die Nebenintervenienten haben hingegen ihre Revisionsbeantwortung erst am 6.Dezember 1989 zur Post gegeben.
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