OGH 13Os125/88

OGH13Os125/8815.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Dezember 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann (Berichterstatter), Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Burianek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kurt R*** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligten Rosa S*** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 30.Mai 1988, GZ. 36 Vr 3022/86-134, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Kodek, sowie in teilweiser Anwesenheit des Angeklagten Kurt R*** und seines Verteidigers Dr. Eppacher zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Sämtlichen Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 14.Dezember 1942 geborene Immobilienmakler Kurt R*** wurde des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2, zweiter Fall, StGB schuldig erkannt. Demnach hat er vom Februar 1984 bis 24.Oktober 1986 ein ihm anvertrautes Gut im Gesamtwert von 4,779.292,88 S mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz sich zugeeignet, und zwar Geldbeträge, die ihm im Zug von Grundstückverkaufsvermittlungen zugekommen sind (I), die er bei Hausverwaltungen vereinnahmte (II) und die ihm als Mietkautionen übergeben wurden (III).

Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

Die Beschwerde wird auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 9 lit. a (b) und 11 StPO gestützt, wobei der Angeklagte überwiegend im Sinn seiner erstinstanzlichen Verantwortung von dem Standpunkt ausgeht, seine Strafbarkeit sei zufolge eines vorhandenen präsenten Deckungsfonds zur Tatzeit ausgeschlossen.

In der Verfahrensrüge (Z. 4) wendet er sich demgemäß gegen die Abweisung der in der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf Einholung der Kompensationsermächtigung der Hypo-Bank, Einholung bzw Ergänzung des Gutachtens eines Buchsachverständigen zu den von ihm vorgelegten Salden und zur Ermittlung des Reinwerts seiner Liegenschaften, zur Frage des paraten Vermögens und des präsenten Deckungsfonds sowie Einholung eines Schätzungsgutachtens über den Wert der Liegenschaften in Leutschach und Amras (S. 17/III). Der Schöffensenat hat die Anträge abgewiesen (S. 19/III) und dies im Urteil damit begründet, daß einerseits (was auch in der Rüge nicht bestritten wird) die Frage der Kompensationsermächtigung unerheblich ist, andererseits der Wert der Liegenschaften des Angeklagten keiner genauen Feststellung bedurft hätte, weil Liegenschaftsbesitz jedenfalls keinen präsenten Deckungsfonds darstelle (S. 58-59/III). Damit ist das Erstgericht im Recht. Entgegen der in der Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) näher ausgeführten Rechtsmeinung schloß weder die Erwartung eines Kredits noch der Liegenschaftsbesitz als sogenannter präsenter Deckungsfonds den auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz des Angeklagten aus noch waren diese Umstände geeignet, ihm (im Sinn der älteren Judikatur) das Unrechtsbewußtsein zu nehmen. Die subjektive Tatseite war vielmehr ungeachtet der Vermögenslage des Angeklagten und der von ihm geführten Gesellschaften, die ihm im Lauf des Verfahrens eine weitgehende Schadensgutmachung gestatteten, erfüllt. Unrechtmäßig bereichert sich nämlich schon, wer den Wirtschaftswert des anvertrauten Guts in sein Vermögen überführt und dieses dadurch zumindest zeitweilig vermehren will (Kienapfel BT II2 RN 80 zu § 133 StGB). Die Überführung der anvertrauten Beträge in das Vermögen des Beschwerdeführers, der sie sogleich für andere Zahlungen verwendete, indem er sie zum Großteil der Firma C***-W*** GesmbH zuführte ist unbestritten festgestellt (S. 47, 49, 50, 52, 53). Bereicherungsvorsatz wäre nur auszuschließen, wenn der Angeklagte bei der Zueignung der anvertrauten Gelder zu deren sofortigem vollständigen Ersatz willens und fähig gewesen wäre. Liegenschaftsbesitz, dessen Veräußerung jedenfalls zeitraubend und auch mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor behaftet ist, oder die ebenfalls immer vom Willen eines anderen abhängige Möglichkeit einer Kreditaufnahme (über die schon vorhandene Ermächtigung zur Kontoüberziehung hinaus) gibt dem Verwahrer nicht jene liquiden Mittel, die ihn allein befähigen, das treuwidrig verwendete Gut sogleich zu ersetzen (Kienapfel, BT II2, RN 88 bis 91, Leukauf-Steininger2, RN 25, je zu § 133 StGB und die dort zitierte Judikatur).

Rechtliche Beurteilung

Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Rechtsrüge auch das Fehlen wesentlicher Feststellungen zur Schadenshöhe beim Urteilsfaktum II 4 bemängelt, ist seine nicht vom als erwiesen angenommenen Sachverhalt ausgehende Rüge nicht gesetzmäßig ausgeführt. Das Vorbringen stellt aber auch keine Mängelrüge (Z. 5) dar, denn angesichts der gemäß § 29 StGB zusammenzurechnenden gesamten Schadenshöhe kommt der nur angedeuteten Möglichkeit, im bezeichneten Faktum liege die Höhe des Schadens "unter dem festgestellten Schaden von 658.697,55 S", keine für die rechtliche Beurteilung der Tat oder den anzuwendenden Strafsatz entscheidende Bedeutung zu.

Schließlich wird mit dem Vorbringen, bei der Strafbemessung sei eine maßgebende entscheidende Tatsache offenbar unrichtig beurteilt worden, weil den Milderungsumständen insgesamt zu wenig Gewicht beigemessen wurde, nicht etwa ein Nichtigkeit nach Z. 11 (zweiter Fall) bewirkender Rechtsirrtum aufgezeigt, sondern lediglich eine im Rahmen der Berufungsentscheidung zu prüfende Ermessensfrage releviert.

Die Nichtigkeitsbeschwere war daher zu verwerfen.

Berufung der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten:

Der Angeklagte wurde gemäß § 133 Abs. 2, zweiter Strafsatz, StGB zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Bei der Strafzumessung wurden ein Geständnis, die bisherige Unbescholtenheit und der Umstand als mildernd gewertet, daß der Schaden zum allergrößten Teil gutgemacht wurde. Als erschwerend wurden hingegen der hohe Schadensbetrag (fast 4,8 Millionen S) und die Wiederholung der Veruntreuungshandlungen durch mehrere Jahre hindurch berücksichtigt. Diesen Strafausspruch bekämpfen beide Parteien mit Berufung. Die Staatsanwaltschaft strebt eine Erhöhung der Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 43 a Abs. 4 StGB an, während der Angeklagte die Verhängung einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe begehrt. Keiner der beiden Berufungen kommt Berechtigung zu. Der Anklagebehörde ist wohl zuzugeben, daß es mit der Gestion eines redlichen und gesetzestreuen Immobilienmaklers und Hausverwalters unvereinbar ist, jahrelang bedenkenlos über nur vorübergehend anvertraute Kundengelder eigentümerähnlich zu verfügen und ohne buchhalterische Transparenz Vermögenswerte zwischen den einzelnen vom Angeklagten geführten und beherrschten Firmen zu verschieben. Trotzdem kam der Oberste Gerichtshof nach Abwägung aller mit diesem Strafverfahren einhergehenden Ereignisse und der weitgehenden Schadensgutmachung (teilweise schon bald nach Anzeigeerstattung) zu der Erkenntnis, daß die auch durch die Bekanntmachung dieses Strafverfahrens in den örtlichen Medien eingetretenen nachteiligen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen im Verein mit einer zweimaligen Anhaltung in Untersuchungshaft für den Angeklagten so beeindruckend und in generalpräventiver Hinsicht ausreichend waren, sodaß es - entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft - nicht der Androhung einer strengeren und des Vollzuges eines Teiles der Freiheitsstrafe bedarf, um den Angeklagten zur Änderung seiner Geschäftspraktiken zu veranlassen.

Andererseits kam aber wegen der Höhe der Schadenssumme, der Wiederholung der Angriffe auf fremdes Vermögen und der mangelnden Schuldeinsicht eine Strafmilderung - oder gar die Anwendung des § 37 Abs. 2 StGB - nicht in Frage.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Berufung der Privatbeteiligten:

Kurt R*** wurde u.a. schuldig erkannt, zum Schaden der Rosa S*** im Rahmen der Verwaltung des Hauses Innsbruck, Müllerstraße 37, Beträge von 328.000 S und 136.200 S abgehoben und für eigene Zwecke verwendet zu haben (A II 2). Diese veruntreuten Gelder zahlte er in zwei Teilbeträgen schon vor der Urteilsfällung zurück, und zwar am 23.Oktober 1986 410.000 S und den restlichen Schaden von 54.200 S am 29.Dezember 1987 (S. 50/III). Trotz dieser ihr in der Hauptverhandlung vorgehaltenen Schadensgutmachung hielt die (unter Sachwalterschaft stehende) Rosa S*** ihren Antrag auf Zuspruch des Betrags von 464.200 S aufrecht (S. 20/III), worauf sie mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde (S. 35, 62/III).

Trotz neuerlicher Belehrung gab die Privatbeteiligte beim Erstgericht eine Berufungsausführung zu Protokoll, mit der sie beantragt, ihr Schadenersatzbeträge, die sie aus früheren Betriebskostenabrechnungen ableitet, zuzusprechen.

Abgesehen davon, daß die Privatbeteiligte diese Ansprüche in der Hauptverhandlung nicht genügend dargetan hat (§ 365 Abs. 2 StPO), stehen sie nach dem Berufungsvorbringen zum größten Teil mit den in diesem Verfahren abgeurteilten strafbaren Handlungen in keinem Zusammenhang. Sie sind im übrigen hinsichtlich des allfälligen Zinsenverlustes (siehe zu all dem das in der Beilagenmappe erliegende Gutachten des vom Bezirksgericht Innsbruck zum AZ 3 SW 5/84 mit der Überprüfung beauftragten Sachverständigen Dr. Robert M***) nach den Ergebnissen des Strafverfahrens nicht spruchreif (§ 366 Abs. 2 StPO).

Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.

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