OGH 13Ns27/88

OGH13Ns27/8815.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Burianek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag.pharm.Dr.med.Friedrich B*** wegen des Verbrechens der Anstiftung zum schweren gewerbsmäßigen Betrug nach §§ 12, 146 f. StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über den Antrag auf nachträgliche Strafmilderung der über ihn mit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 19. Mai 1988, GZ. 13 Os 137/87-15, verhängten Freiheitsstrafe nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Antrag auf Strafmilderung gemäß § 410 StPO. wird dahin Folge gegeben, daß gemäß § 43 a Abs. 4 StGB. ein Teil der über Mag.pharm.Dr.Friedrich B*** verhängten dreijährigen Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 15. Mai 1987, 9 Vr 690/87-884, wurde Mag.pharm.Dr.med.Friedrich B*** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148, erster Fall, StGB. und des Vergehens der Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB., in beiden Fällen als Anstifter nach § 12, zweiter Fall, StGB., schuldig erkannt und nach §§ 28, 147 Abs. 3 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Mit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 19. Mai 1988, 13 Os 137/87-15, wurde der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten (es lag auch eine Berufung der Staatsanwaltschaft vor) teilweise Folge gegeben, ein Schuldspruch aufgehoben, ein Teilfreispruch gefällt und hinsichtlich der aufrecht gebliebenen Schuldsprüche die Freiheitsstrafe gemäß §§ 28, 147 Abs. 3 StGB. mit drei Jahren bemessen; im übrigen wurde die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verworfen und wurden er und die Staatsanwaltschaft Graz mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.

Diesen Urteilen ist der den Gegenstand dieser Strafsache bildende Sachverhalt zu entnehmen.

Rechtliche Beurteilung

Bei der Strafbemessung wertete der Oberste Gerichtshof erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die zweifache Qualifikation zum Betrug, trotz der Gewerbsmäßigkeit die häufige, ja tagtägliche Verübung des schweren gewerbsmäßigen Betrugs durch einen sehr langen Zeitraum, den 500.000 S mehrfach übersteigenden Schaden und den Mißbrauch der sozialen Einrichtung, die allen Bürgern dient; mildernd waren die Unbescholtenheit und der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten.

Weder das Erstgericht noch der Oberste Gerichtshof haben eine volle Schadensgutmachung angenommen, zumal die privatbeteiligten Sozialversicherungsträger sich dem Strafverfahren angeschlossen hatten und mit ihren Ansprüchen gemäß § 366 Abs. 2 StPO. auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden waren.

Mit seiner Eingabe vom 30. Juni 1988 (eingelangt beim Erstgericht am 1. Juli 1988) beantragte der Verurteilte gemäß § 410 StPO. eine Milderung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren und die bedingte Nachsicht zumindest eines Teils derselben gemäß § 43 a Abs. 4 StGB. Er verweist dazu unter Vorlage von Bescheinigungsmitteln auf eine sogenannte, mittlerweile geleistete "volle Schadensgutmachung" (ON. 906).

Nach Überprüfung der Gesuchsangaben stellte das Erstgericht im Weg des Oberlandesgerichts Graz den Antrag auf angemessene Milderung der Strafe (ON. 927). Diesem Antrag trat das Oberlandesgericht Graz nach Anhörung der Oberstaatsanwaltschaft Graz, die ihrerseits einer Vorlage des Antrags auf Strafmilderung an den Obersten Gerichtshof nicht entgegengetreten war, bei und führte in Begründung seiner Stellungnahme (ON. 928) u.a. wörtlich aus:

"Aus den Akten 29 Cg 427/84 des Landesgerichtes für ZRS. Wien ergibt sich, daß die geschädigten Sozialversicherungsträger die Bezahlung eines Teiles der von der O*** für ihre

Versicherten erbrachten Sachleistungen an die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich im Wege der Aufrechnung mit ihren behaupteten Schadenersatzansprüchen gegenüber Dr. Friedrich B*** ablehnten. Demnach fand durch die nach rechtskräftigem Abschluß des Strafverfahrens erfolgte Zurückziehung der von Dr. Friedrich B*** und auch der O*** KG gegen die Pharmazeutische Gehaltskasse gerichteten Klage auf Zahlung sämtlicher für die Sozialversicherungsträger erbrachten Leistungen eine Vermögensverschiebung zugunsten der Sozialversicherungsträger faktisch nicht statt. Das Zivilverfahren war bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens unterbrochen worden. Nunmehr haben alle Sozialversicherungsträger, die sich als Privatbeteiligte in diesem Verfahren angeschlossen haben, die Erklärung abgegeben, daß sie ihre restlichen Schadenersatzforderungen im Kompensationswege endgültig hereingebracht haben. Diese betrugen bei der Stmk.

Gebietskrankenkasse 2,520.337,85 S, bei der Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaues 72.926,63 S, bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern 21.490,55 S, und bei der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen 24.320,74 S. Nach den Erklärungen der Sozialversicherungsträger wurden diese restlichen Schadenersatzforderungen im Kompensationswege zur Gänze bereinigt und bestehen diesbezüglich keine Ansprüche mehr gegen Dr. Friedrich B***. Dadurch wurde zumindest das objektive Gewicht der Tat vermindert, sodaß auch diese Art der Schadensgutmachung doch den Wert eines Milderungsgrundes hat, weshalb aus diesem Grunde dem Antrag des Gerichtshofes erster Instanz auf Strafmilderung beigetreten wurde und daher dieser Antrag dem Obersten Gerichtshofe, da die Strafe von diesem bemessen wurde, vorgelegt wird."

Nach der Klagsrückziehung unter Verzicht auf den Anspruch wurden der beklagten Partei 66.846 S (ON. 31 in 29 Cg 427/84 d. LG.f.ZRS.Wien) und den Nebenintervenienten 92.700,76 S (ON. 33 a. a.O.) an Prozeßkosten zugesprochen (§ 237 Abs. 3 ZPO.), die nach einer durch Zahlungsnachweise belegten Mitteilung des Verteidigers vom 16. bzw. 17. November 1988 gleichfalls beglichen sind. Der gemäß § 410 Abs. 3 StPO. zur Entscheidung berufene Oberste Gerichtshof schließt sich nach Überprüfung der Aktenlage der Stellungnahme der Vorinstanzen an.

Ist es doch insbesondere ein Milderungsgrund, wenn und insoweit der Schaden gutgemacht worden ist (§ 34 Z. 14, in fine, StGB.); objektive (d.h. ohne Zutun des Täters geschehene) Schadensgutmachung genügt (Leukauf-Steininger2 RN. 22 am Ende, RN. 23 zu § 34 StGB.). Weder das Erstgericht, noch der Oberste Gerichtshof haben (wie gesagt) eine volle Schadensgutmachung angenommen (S. 212 des Ersturteils, S. 33 des Rechtsmittelurteils). Durch die mit Urkunden belegten Erklärungen der Geschädigten steht nunmehr fest, daß der Schaden zur Gänze gutgemacht worden ist.

Ob man nun eine Restitution in der wenn auch durch die Bindungswirkung des § 268 ZPO. erzwungenen Klagsrückziehung unter Anspruchsverzicht oder aber schon in der seinerzeitigen Einbehaltung der vom Angeklagten beanspruchten "Rezepterlöse" durch die Pharmazeutische Gehaltskasse bzw. durch die Sozialversicherungsträger erblicken will (in welchem Fall freilich schon in den Strafurteilen insoweit eine Schadensgutmachung anzuerkennen gewesen wäre); genug daran, daß die volle Schadensgutmachung jedenfalls erst nach eingetretener Rechtskraft infolge der (wenn auch durch die Vermögenslage des Verurteilten mühelos zugelassenen) Bezahlung der Kosten des Zivilprozesses (siehe oben) geleistet wurde. Damit ist ein bisher noch nicht berücksichtigter Milderungsgrund (Gebert-Pallin-Pfeiffer, III, 3, Nr. 16 zu § 410 StPO.; EvBl. 1972/70; SSt. 42/28) hervorgekommen, der eine mildere Bemessung der Strafe herbeigeführt haben würde (§ 410 Abs. 1 StPO.).

Zwar übersteigen die abgeurteilten Straftaten nach Art, Gewicht und Umfang im Unrechtsgehalt weit die vergleichbare Delinquenz. Das, was der Oberste Gerichtshof in seinem Urteil vom 19. Mai 1988 in Charakterisierung dieser Straftaten gesagt hat und was in Begründung der Erhöhung des Ausmaßes der Freiheitsstrafe auf drei Jahre den Ausschlag gegeben hat (siehe S. 34 f. der Urteilsausfertigung), trifft nach wie vor zu. Dem Antrag auf eine Milderung des Strafmaßes kann daher nicht entsprochen werden.

Indes läßt die Schadensbehebung in dem von den Vorinstanzen aktengetreu aufgezeigten Umfang immerhin eine durch die Bereinigung der materiellen Folgen der Verfehlungen verminderte Unrechtsdimension erkennen. Zugleich kann nach teilweisem Strafvollzug eine hohe Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß der bis zu den gegenständlichen Straftaten unbescholten gewesene, im 62. Lebensjahr stehende Antragsteller in Zukunft keine weiteren Straftaten mehr begehen werde. Mit dem teilweisen Vollzug wird gewiß auch eine hinreichend generalpräventive Wirkung erzielt. Der Verurteilte, dem gemäß § 38 StGB. eine Vorhaft vom 19. November 1982 (16,40 Uhr) bis 10. Dezember 1982 (12,10 Uhr) auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet wurde, befindet sich seit 11. Juli 1988 (12,55 Uhr) in Strafhaft (eine der beiden ON. 911). Der Oberste Gerichtshof vermeint, daß ein teilweiser Vollzug der Freiheitsstrafe im Ausmaß von einem Jahr ausreichen wird, um die, wie bereits oben gesagt, hohe Wahrscheinlichkeit der Rückfallsfreiheit und damit die primäre Voraussetzung des § 43 a Abs. 4 StGB. herzustellen. Insoweit war daher dem Antrag ein Erfolg beschieden.

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