OGH 9NA501/88

OGH9NA501/8814.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Müller und Dr. Bernhard Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Dipl.Ing. Herbert D***, Pensionist, Linz, Keplerstraße 4, vertreten durch Dr. Herbert Duma, Rechtsanwalt in Wien, betreffend Akteneinsicht in das beim Obersten Gerichtshof anhängige Verfahren über einen Feststellungsantrag gemäß § 54 Abs 2 ASGG, AZ 9 Ob A 513/88, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Antrag des Antragstellers, ihm umgehende Akteneinsicht in das entsprechende anhängige Feststellungsverfahren gemäß § 54 ASGG zu gewähren, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Antragsteller brachte vor, daß er Pensionist der V***-Alpine AG sei und von seinem ehemaligen Arbeitgeber vor die Wahl gestellt worden sei, einer einseitigen Kürzung seiner Pensionsansprüche um 40 % zuzustimmen oder eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in einem vom Fachverband der Bergwerke und eisenerzeugenden Industrie angestrengten Verfahren nach § 54 Abs 2 ASGG abzuwarten, in dem beantragt worden sei, daß die V***-Alpine AG nur zur Leistung der in der Bilanz zurückgestellten Beträge für Pensionen verpflichtet sei; dies entspreche einer Kürzung um rund 50 %. Da ihm von seinem ehemaligen Arbeitgeber für die Abgabe einer Erklärung eine Frist bis 15.Dezember 1988 gesetzt worden sei, habe er ein rechtliches Interesse auf Akteneinsicht, da durch das anhängige Verfahren auch seine konkreten vertraglichen Ansprüche gestaltet würden.

Rechtliche Beurteilung

Der Antrag ist nicht berechtigt.

Unter der Überschrift "Auskunftserteilung" bestimmt § 20 OGHG, daß Parteien in der Geschäftsstelle nur darüber Auskunft erteilt werden darf, ob und zu welcher Zeit ein Geschäftsstück eingegangen oder abgesendet und mit welchem Aktenzeichen es versehen ist. Der Name des Berichterstatters darf den Parteien nicht bekanntgegeben werden. § 15 OGHG betrifft die Veröffentlichung und die Einsichtnahme in Entscheidungen. Aus diesen Gründen wurde bereits die Meinung vertreten, daß es beim Obersten Gerichtshof keine Akteneinsicht gebe (vgl. RZ 1975/65). § 170 Geo gilt nur für die Gerichte I. und II.Instanz.

Gemäß § 7 Abs 2 lit b OGHG hat der Dreiersenat, dem nur der Vorsitzende, der Berichterstatter und ein weiteres Mitglied des einfachen Senates angehören, Ansuchen um Erteilung von Ausfertigungen, Auszügen oder Abschriften oberstgerichtlicher Entscheidungen in beim Obersten Gerichtshof nicht mehr anhängigen Rechtssachen zu erledigen. Mit dieser Bestimmung ist iVm § 219 Abs 1 ZPO einerseits klargestellt, daß während der Anhängigkeit des Rechtsmittelverfahrens beim Obersten Gerichtshof aus dessen Akten keine Ausfertigungen, Auszüge oder Abschriften erteilt werden und daß andererseits die Bewilligung einer allfälligen Akteneinsicht in die Akten des Obersten Gerichtshofes eine Senatsentscheidung erfordert (vgl. Harbich, Akteneinsicht, Amtshilfe und Auskunftspflicht, AnwBl 1988 12 f).

Richtig ist, daß ein anhängiges Verfahren gemäß § 54 Abs 2 ASGG kein Rechtsmittelverfahren, sondern ein kontradiktorisch aufgebautes, wenngleich den außerstreitigen Verfahrensvorschriften unterworfenes Zwei-Parteien-Verfahren ist (vgl. Kuderna, ASGG § 54 Erl 21 ff; Gamerith, Die besonderen Feststellungsverfahren nach § 54 ASGG, DRdA 1988 311 f). Daher kommt, da es sich sowohl um ein erstinstanzliches als auch um ein letztinstanzliches Verfahren handelt, die analoge Anwendung des § 219 ZPO in Betracht, der hinsichtlich der Akteneinsicht durch Dritte bei fehlender Zustimmung der Parteien die Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses verlangt. Ein rechtliches Interesse ist dann gegeben, wenn durch die Entscheidung im Verfahren die Rechtssphäre des Dritten berührt wird und sich daraus ein rechtlich begründeter Anlaß ergibt, das Obsiegen einer der beiden Parteien herbeizuführen (Fasching, ZPR Rz 398). In einem Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 ASGG hat die Entscheidung bindende Wirkung nur zwischen den Parteien des Feststellungsverfahrens. Für die betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber äußerst die Entscheidung keine unmittelbare rechtliche Wirkung (Kuderna aaO Erl 1; Gamerith aaO 314; Eypeltauer, Das besondere Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 1 ASGG, JBl 1987, 561). Es trifft daher nicht zu, wie der Antragsteller meint, daß durch das anhängige Feststellungsverfahren auch seine konkreten Pensionsansprüche (mit)gestaltet würden. Dieses Verfahren gründet vielmehr auf einem vom Antragsteller behaupteten Sachverhalt, der im Einzelfall in relevanten Einzelheiten anders gelagert sein kann und dessen Ergebnis etwa beispielhaften Vorentscheidungen, die im ordentlichen Verfahren ergehen, entspricht (Gamerith aaO 316). Ein rechtliches Interesse, das darin gelegen sein könnte, daß der Antragsteller allenfalls die Voraussetzungen einer Hemmung der (gesetzlichen oder auf einer kollektivrechtlichen Norm beruhenden) Frist zur Geltendmachung seines Anspruches gemäß § 54 Abs 5 ASGG prüfen müßte (vgl. 527 BlgNR XVI.GP 9) wurde nicht behauptet und kommt auch nach der Sachlage hier nicht in Betracht. Der Antrag auf Akteneinsicht, der sich inhaltlich ohnehin nur auf die Einsichtnahme in den Antrag und die Stellungnahme des Antragsgegners beziehen kann, ist daher abzuweisen.

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