OGH 10ObS228/88

OGH10ObS228/886.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Mandak (AG) und Reinhard Horner (AN) als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Brigitte T***, Hausfrau, Bruckner-Straße 7, 6020 Innsbruck, 2) mj. Nicola T***, Schülerin, vertreten durch die Mutter, Brigitte T***, beide vertreten durch Dr. Helga Höhnel-Jakoncig und Dr. Veronika Staudinger, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei A*** U***,

Adalbert-Stifterstraße 65, 1200 Wien, wegen Bestattungskostenbeitrages sowie Witwen- und Waisenrente infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 17. Mai 1988, GZ 5 Rs 84/88-44, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 9. Februar 1988, GZ 46 Cgs 8/87-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 25. März 1986 lehnte die beklagte Partei die Gewährung von Bestattungskostenbeitrag, Witwenrente und Waisenrente aus Anlaß des Ereignisses vom 15. Mai 1984, von dem Helmut T***, (der Gatte der Erstklägerin und Vater der Zweitklägerin) betroffen wurde, ab.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage unter Zugrundelegung folgender wesentlicher Feststellungen ab:

Helmut T***, der Gatte der Erstklägerin und Vater der Zweitklägerin war von 1981 bis 1984 bei der Firma H*** als Vertreter für Sportartikel, unter anderem auch für Tennisschläger, beschäftigt. Im Mai 1984 veranstaltete die Firma H*** im Zeitraum vom 12. bis 20. Mai 1984 eine Tennisreise nach Sardinien, an welcher auch Helmut T*** teilnahm. Die Reise, die ein umfassendes

Freizeitprogramm umfaßte, war für Helmut T*** einerseits als Belohnung für seine Verdienste um die Firma und andererseits dazu gedacht, daß den anwesenden Sportartikelhändlern die neuen Tennisschläger der Firma H*** im Spiel vorgeführt werden sollten. Helmut T*** und ein weiterer Arbeitskollege waren von der Firma H*** zur Vorführung der Tennisschläger ausgewählt worden, weil es sich bei beiden um sehr gute Tennisspieler handelte. Vor seiner Tätigkeit bei der Firma H*** hat Helmut T*** viel und intensiv den Tennissport betrieben. Seine Vertretertätigkeit bei der Firma H*** ließ ihn nur eher selten Zeit hiefür. Im Mai 1984 war er aber im Tennisspielen geübt. Die Anreise nach Sardinien erfolgte in der Nacht vom 12. auf den 13. Mai 1984 mit dem Flugzeug. Nachdem Helmut T*** jedenfalls bereits am 14. Mai ein Tennisspiel mit einen Händler absolviert hatte, ergab sich am 15. Mai eine Tennispartie von Sportartikelhändlern, bei der noch ein vierter Mitspieler für das genannte Doppel fehlte. Helmut T*** stellte sich dazu zur Verfügung. Es ist nicht feststellbar, daß sich Helmut T*** bei diesem Tennisspiel blutdruck- bzw. kreislaufmäßig mehr belastet hätte, als dies bei anstrengenderen Verrichtungen des täglichen Lebens regelmäßig vorkommt. Nach ca. 30 Minuten Spiel verspürte T*** starke Kopfschmerzen und konnte das Spiel nicht mehr fortsetzen. Er legte sich zu Bett. Etwa 3 Stunden später fand ihn ein Arbeitskollege in seinem Hotelzimmer in unansprechbarem Zustand vor. Nach Einlieferung in die Erste-Hilfe-Station des Krankenhauses San Giovanni ergab die durchgeführte rechtsseitige Carotisangiographie keinen Hinweis auf eine Gefäßmißbildung, allerdings eine leichte Anhebung der Arteria cerebri anterior rechts sowie einen diffusen Vasospasmus. Die durchgeführte Lumbalpunktion ergab blutigen Liquor.

Helmut T*** wurde daraufhin in die Intensivstation der Unversitätsklinik Cagliari transferiert, wo die Symptomatik eines Mittelhirnsyndroms der Phase IV mit insuffizienter Spontanatmung diagnostiziert wurde. In der Nacht auf den 17. Mai 1986 kam es zu einer Rezidivblutung, am Nachmittag des selben Tages wurde der Patient mit Flugzeug an die Unversitätsklinik für Neurologie nach Innsbruck transferiert. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich bereits im Koma. Am 19. Mai 1984 verstarb Helmut T*** an den Folgen der Aneurysmaruptur.

Am Tage der Ruptur herrschte auf Sardinien eher kühle Witterung vor. Ein Aneurysma, wie es bei Helmut T*** vorgelegen war muß nicht zwangsläufig ruptieren. Es kann in seinem Wachstum auch stillstehen und zeitlebens klinisch stumm bleiben. Ein bei einer Ruptur zufällig vorhandener erhöhter Blutdruck, welcher Herkunft auch immer, spielt im Hinblick auf die Ruptur keine wesentliche Rolle. Dies ist etwa in dem Umstand erkennbar, daß mehr als 60 % der Aneurysmen während des Schlafes oder ohne besondere Anstrengung platzen. Aufgrund der Aneurysmaerkrankung befand sich Helmut T*** in ständiger Lebensgefahr, und zwar nicht nur während körperlichen Anstrengungen, sondern auch während der normalen, nicht anstrengenden Tätigkeiten des Lebens.

Ein Aneurysma ist eine Ausbuchtung und nachfolgende Verdünnung einer Gefäßwand im Bereich eines angeborenen oder erworbenen Gefäßwanddefektes. Größe und Wandverdünnung nehmen mit entsprechenden intraarteriellen Druckverhältnissen sowie lokaler biochemischer Vorgänge zu. Im Rahmen dieser Entwicklung erreicht die Aneurysmawand - oft nur an einer kleinen Stelle - einen Elastizitäts- bzw. Kohärenzzustand, der auch minimalen Druckschwankungen nicht mehr Stand hält. Diese Aneurysmen weisen in der Regel eine Größe von 0,5 bis 1 cm auf. Solche "reife" Aneurysmen ruptieren nicht nur bei einem von außen bedingten Blutdruckanstieg, sondern bereits im Rahmen physiologischer Blutdruckerhöhungen, das heißt im Bereich von Blutdruckschwankungen, die ohne jegliche Extrembelastung im täglichen Leben an der Tagesordnung sind. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß im Hinblick auf das bei Helmut T*** vorliegende reife Aneurysma - es wies eine Größe von 0,5 cm auf - die Ruptur in jeder Lebenslage hätte eintreten können. Dem entsprechend ist nicht feststellbar, ob die mit einem Tenniswettkampfspiel naturgemäß verbundene und beim Verstorbenen gegebene gewisse Blutdruckerhöhung oder die klimatische Umstellung im Rahmen der Reise für die Ruptur des Aneurysmas ursächlich waren.

Rechtlich folgerte das Erstgericht aus diesem Sachverhalt, eine von einem Verletzungserfolg begleitete Einwirkung sei grundsätzlich auch dann als Arbeitsunfall anzusehen, wenn der Betroffene durch sie aufgrund schon bestehender Disposition zu schaden gekommen sei, die vorhandene krankhafte Veranlagung aber durch eine plötzliche, sonst in absehbarer Zeit nicht zu erwartende Einwirkung zum Ausbruch gekommen sei oder wesentlich verschlimmert werde. Sei das Ereignis nur der äußere Anlaß, die Gelegenheitsursache für das Hervortreten einer bereits vorhandenen Erkrankung, genüge dies nicht. Nur jene Bedingung könne als Ursache der Unfallfolgen (richtig wohl des Unfalles) angesehen werden, die am Eintritt wesentlich mitgewirkt habe. Unfälle aus innerer Ursache seien dann Arbeitsunfälle, wenn die besondere Beschaffenheit der Unfallstelle oder die besonderen Umstände, unter denen die Beschäftigung verrichtet worden sei, die Verletzung wesentlich mitverursacht hätten. Das Tennisspiel sei zwar der unfallversicherten Erwerbstätigkeit des Verstorbenen zuzurechnen, die Aneurysma-Ruptur aber sei nur anläßlich dieses Spieles, das nur eine Gelegenheitsursache dargestellt habe, eingetreten. Es fehle daher am Kausalzusammenhang.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Parteien keine Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes ebenso wie dessen rechtliche Beurteilung.

In ihrer gegen dieses Urteil erhobenen Revision machen die klagenden Parteien unrichtige rechtliche Beurteilung geltend.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Die Rechtsrüge ist, soweit sie davon ausgeht, die Aneurysmaruptur sei durch die außergewöhnliche, atypische Belastung beim Tennisspiel erfolgt, nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht. Fest steht, daß sich der Verstorbene wegen des vorhandenen reifen Aneurysma ständig in Lebensgefahr befunden hat und die Ruptur in jeder Lebenslage, sogar in Ruhestellung jederzeit hätte erfolgen können und nicht festgestellt werden konnte, daß die mit einem Tenniswettkampfspiel naturgemäß verbundene und beim Verstorbenen gegeben gewesene Blutdruckerhöhung oder die klimatische Umstellung im Rahmen der Reise für die Ruptur des Aneurysmas ursächlich gewesen ist. Die Beweiswürdigung und die darauf basierenden Feststellungen der Vorinstanzen können mit dem Revisionsgrund nach § 503 Abs. 1 Z 4 ZPO nur angefochten werden, soweit sie auf Schlußfolgerungen beruhen, die gegen die Gesetze des Denkens und der Erfahrung verstoßen. Für diesen Revisionsgrund reicht es aber nicht aus, daß eine danach einwandfreie Schlußfolgerung des Berufungsgerichtes durch eine andere ebenfalls als möglich anzunehmende ersetzt werden könnte (RZ 1967, 105 uva). Wenn daher das Berufungsgericht in seinen Ausführungen zur Beweisrüge durchaus schlüssig und nachvollziehbar begründet hat, warum es in Übereinstimmung mit dem Erstgericht in dem 30 Minuten dauernden Hobbyturnier, an welchem Helmut T*** als geübter

Tennisspieler (wie schon am Tag zuvor) teilgenommen hat, keine außerordentliche Überbelastung angenommen hat, und sich dabei auch auf die Ausführung des Sachverständigen Dr. Gerhard P*** stützen konnte, so kann darin kein Widerspruch zu den Gesetzen der Logik und Erfahrung erblickt werden.

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt aber haben die Vorinstanzen den Kausalzusammenhang zwischen dem Tennisspiel und der Aneurysmaruptur im Sinne des § 175 ASVG zu Recht verneint. Denn eine krankhafte Veranlagung ist dann alleinige oder überragende Ursache, wenn sie so leicht ansprechbar war, daß es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis die Folgen ebenso auslösen hätte können. Nur jene Bedingung, ohne deren Mitwirkung der Erfolg überhaupt nicht oder nur zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur im geringeren Umfange eingetreten wäre, ist wesentlich. Den Auswirkungen eines Unfalles kommt daher dann nicht die Wirkung einer wesentlichen Teilursache des eingetretenen Leidenszustandes zu, wenn dieser auch ohne den Unfall eingetreten wäre, oder durch ein anderes tägliches Ereignis hätte ausgelöst werden können (JBl 1988, 399; 10 Ob S 3/88 ua).

Mangels des erforderlichen Kausalzusammenhanges haben die Vorinstanzen daher zu Recht das Klagebegehren abgewiesen. Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.

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